Das weiße Gold 

Porzellandesigns von Claudia Bock zwischen Tradition und Moderne

Claudia Bock aus Erfurt ist Porzellandesignerin mit Leib und Seele. Nach einem kreativen Praktikum bei der Kahla/Thüringen Porzellan GmbH hat sie ihr Herz an das Porzellan verloren. Während ihres anschließenden Industriedesign-Studiums an der Kunsthochschule Burg Giebichenstein Halle hat die Kreativschaffende von Grund auf alle Schritte von der ersten Idee bis hin zum fertigen Produkt erlernt und ihren persönlichen Stil gefunden. Vor einem Jahr beschloss die Designerin, sich mit ihrem eigenen Studio in Erfurt selbstständig zu machen. Hier entstehen seither handgefertigte Porzellanlinien und mehr. Wir haben Claudia in ihrem Studio und Atelier besucht und durften in den Arbeitsalltag einer Porzellandesignerin reinschnuppern.

Designerin Claudia Bock bei der Arbeit.

Wie bist du zum Porzellandesign gekommen und was hat dein Interesse daran geweckt?

Nach meinem Abitur am Wirtschaftsgymnasium, überlegte ich zu studieren. Da mein damaliger Freund an der Burg in Halle studierte, schaute ich mir dort die Studiengänge genauer an. Ich hegte großes Interesse an dem Fachbereich Design, vor allem am Porzellan- und Glasdesign. Allerdings hatte ich anfangs Bedenken, mich zu bewerben, da nur eine begrenzte Anzahl von vier oder fünf Studienplätzen für diesen Fachbereich pro Jahr vergeben werden. Deshalb bewarb ich mich zunächst für den Studiengang Industriedesign, wurde aber leider nicht angenommen. Die Lust auf handwerkliches Arbeiten ließ mich dennoch nicht los, also begann ich ein Praktikum in Gotha in einer Goldschmiede. Anschließend erhielt ich die Möglichkeit, für ein halbes Jahr bei Kahla Porzellan ein Praktikum zu absolvieren, wo ich die typischen Aufgaben einer Praktikantin übernahm. Ich schnupperte in viele Bereiche rein. Besonders das Drehen von Gips wollte ich erlernen und wurde daraufhin zu meiner Freude in die Modellabteilung versetzt. Bereits nach einer Woche entschied der Abteilungsleiter, dass ich bleiben sollte. Ich arbeitete an verschiedenen Projekten mit, konnte aber auch eigene Ideen umsetzen. In dieser Zeit habe ich mich unsterblich in das Material Porzellan verliebt und bewarb mich daraufhin zum zweiten Mal bei der Burg in Halle. Diesmal für den Studiengang Industriedesign Keramik-/Glasdesign – und es hat geklappt! Ich habe mich so gefreut und war im Endeffekt dankbar, dass ich meinen Weg durch kreative Umwege endlich gehen konnte.

„In dieser Zeit habe ich mich unsterblich in das Material Porzellan verliebt“

Wie gestaltete sich dein Weg in die Selbstständigkeit?

Bis 2013 habe ich im Fachbereich Industriedesign Keramik-/Glasdesign an der Burg Halle studiert und dem MA Productdesign and Applied Art (Porcelain, Ceramics & Glass) abgeschlossen. Nach dem Studium arbeitete ich neun Jahre lang in Triptis bei der Eschenbach Porzellan Group, wo ich neben der Produktentwicklung auch die Bereiche Marketing, PR- und Öffentlichkeitsarbeit sowie Event- und Messeorganisation betreut habe. Leider wurde die Produktion Ende 2022 eingestellt und alle Mitarbeiter:innen entlassen. Diese Situation hat mich erstmal vor eine große Herausforderung gestellt. Es war ungewiss, wie es beruflich für mich weitergehen würde. Ich wusste nicht, ob ich wirklich im Bereich Marketing bleiben möchte. Denn schon während meines Studiums spielte ich mit dem Gedanken, mich als Porzellandesignerin selbstständig zu machen. Deshalb dachte ich: “Wenn nicht jetzt, wann dann?” und habe mich für ein Coaching zur Selbstständigkeit bei der Arbeitsagentur entschieden. Dabei wurde mir klar, dass mein Herz für die Porzellanherstellung schlägt und ich unbedingt in diesem Bereich weitermachen möchte. Bereits seit 2010 verkaufte ich als freiberufliche Porzellandesignerin meine Kreationen auf verschiedenen Märkten. Jetzt startete ich zu 100% in die Selbstständigkeit. Also musste nur noch ein Raum her. Es hat fast ein halbes Jahr gedauert, bis ich endlich etwas Passendes gefunden habe. Die Räumlichkeit musste schon einige Anforderungen erfüllen und letztendlich auch noch bezahlbar sein. 

Eines Tages traf ich die Kulturlotsin Theresa Kroemer, die mir wertvolle Tipps für potenzielle Ladenlokale gab und mich von Anfang an unterstützt hat. Sie bot mir sogar an, mir die Adressen herauszusuchen, falls ich einen Ort finde, aber den/die Eigentümer:in nicht kenne. Und dann entdeckte ich auf einem Spaziergang durch die Stadt das perfekte Ladenlokal für mein Business. Ein ehemaliges Konsumgeschäft. Theresa vermittelte mir den Kontakt zum Eigentümer, einem älteren Herrn, der mich und meinen Mann zur Besichtigung einlud. Trotz des chaotischen Zustands im Inneren sah ich sofort das Potenzial dieses Ortes. Ich wusste, dass ich hier meine Ideen verwirklichen und gleichzeitig den Kund:innen eine gute Erreichbarkeit bieten konnte. Nach diversen Umbaumaßnahmen, habe ich Anfang diesen Jahres meine kreative Basis in der Klausenerstraße 1 in der Nähe des Erfurter Bahnhofs eröffnet. Der Tag der Eröffnung war für mich total überwältigend: Es kamen viele Freunde und Bekannte von überall her, und ich verbrachte den ganzen Tag damit, Leute zu begrüßen und Gespräche zu führen. Es war ein wunderbarer Moment, der mir gezeigt hat, dass sich die harte Arbeit und meine Leidenschaft für das Handwerk ausgezahlt haben.

„Es war ungewiss, wie es beruflich für mich weitergehen würde“

Welches Konzept steckt hinter dem Laden?

Das Studio in Erfurt dient für mich primär als Werkstatt, in der ich alles vom Entwurf bis zum fertigen Produkt realisieren kann. Aber das Konzept hat noch andere Komponenten: Ich stelle hier nicht nur meine eigenen Produkte her, die ich im vorderen Teil des Ladens verkaufe, sondern biete auch die Möglichkeit, im Studio individuelle Gießformen anfertigen zu lassen. Kund:innen können zu mir kommen und Abformungen anfragen, sei es für ihr eigenes Projekt oder um etwas Einzigartiges zu schaffen. Zusätzlich biete ich auch Workshops an, in denen ich den Kund:innen das Material Porzellan nahe bringe. Es ist faszinierend zu sehen, wie begeistert die Teilnehmer:innen sind, besonders wenn sie noch nie zuvor mit Porzellan gearbeitet haben. 

Im vorderen Bereich des Ladens habe ich Platz für kleinere Gruppen bis zu sechs Personen. Für die Workshops habe ich spezielle Formen entworfen, wie zum Beispiel Müslischalen, die die Teilnehmer:innen nach ihren eigenen Vorstellungen und unter meiner professionellen Anleitung gestalten können. Alle Materialien sowie die Nachbereitung sind im Preis inbegriffen. Sobald alles gebrannt und glasiert ist, können die fertigen Stücke abgeholt werden bzw. verschicke ich die fertigen Stücke an die Teilnehmenden. Meine Workshops eignen sich unter anderem auch für Firmen, Teamevents sowie Junggesell:innen-Gruppen und Geburtstagsfeiern. Es gibt aber auch freie Termine für Einzelpersonen, die sich für das Porzellandesign interessieren. 

Mein Studio soll auf jeden Fall ein Ort der Kreativität und des Austauschs sein, an dem Ideen zum Leben erweckt werden können. Aus diesem Grund vermiete ich auch mein Studio an andere Kreativschaffende, die hier Workshops umsetzen möchten.

Ich fühle mich hier sehr wohl und es ist toll zu sehen, wie viele Leute auch aus dem Viertel kommen. Sie schätzen nicht nur das positive Feeling hier, sondern freuen sich auch, dass in diesem Stadtteil wieder kreatives Leben eingekehrt ist. Obwohl in diesem Teil der Stadt nicht viel los ist, finde ich die Gegend seit 2014 einfach sehr lebenswert. Es ist ruhig und dennoch zentral gelegen und es gibt sogar noch ein paar leerstehende Räume, die von weiteren kreativen Gründer:innen genutzt werden könnten.

Woher nimmst du Inspiration für deine Designs?

Inspiration finde ich sowohl in Alltagsthemen als auch in der Natur. Oft entdecke ich ein Problem im Alltag und suche nach einer Lösung, die ich dann in Porzellandesigns umsetze. Dabei lasse ich mich auch von den Ideen meiner Kund:innen und von Freunden inspirieren, die sich spezielle Formen wünschen. Wenn ich anfange, über neue Gestaltungen nachzudenken, spielt die Natur eigentlich immer eine Rolle, weshalb auch meine neuen Serien davon inspiriert ist. Dafür sammle ich Sprüche über das Meer und bringe sie mit verschiedenen handwerklichen Techniken auf Teller und Co.

Als Porzellandesignerin lasse ich das „weiße Gold“ gerne in seiner ursprünglichen Farbe und veredele es lediglich mit einem dezenten Dekor. Ich bevorzuge einen schlichten, klaren und natürlichen Stil mit einem gewissen Etwas. Aktuell teste ich dazu verschiedene Glasuren um einzelne Akzente zu setzen. Ich beschäftige mich darüber hinaus mit aktuellen Trends aus anderen Porzellanwerkstätten. Auf Flohmärkten stöbere ich zudem nach alten Kannen und Figuren, aus denen ich innovative Teelichter oder Teile meiner Fundstücke abgieße, um daraus neue Designs zu kreieren. Mir geht es nicht darum, etwas nachzumachen, sondern vielmehr darum, mit Einzelteilen zu spielen und etwas Neues zu generieren – das Ergebnis sind Produkte mit einem Augenzwinkern, wie zum Beispiel meine Kaffeebecher mit Armen von alten Porzellanfiguren.

Wie wichtig ist dir die Bewahrung und Weiterentwicklung der (Thüringer) Porzellan-Tradition?

Ich möchte Tradition und Moderne miteinander verbinden, damit dieses Handwerk weitergeführt wird und sich die Menschen damit auseinandersetzen. In meinen Produkten verwende ich daher teilweise traditionelle Techniken und Formen, wie die englische Durchbruchtechnik, mit der ich auch meine Weihnachtskugeln aus Porzellan gestalte. Gleichzeitig kombiniere ich diese mit modernen, schlichten und zeitlosen Elementen. Dadurch gelingt es mir, das Porzellan in die heutige Zeit zu bringen und einen Bruch mit dem klassischen „Tafelaufsatz“ oder dem üblichen Service rund um die Teekanne zu schaffen. Mein Ziel ist es, ein Stück Geschichte und Handwerk mit einem Hauch von Innovation und zeitgemäßem Design zu vereinen. Mein Vorbild in diesem Bereich ist die Designerin Barbara Schmidt, die ebenfalls an der Burg in Halle studiert hat und nach der Wende bei Kahla Porzellan das klassische Service revolutioniert hat. Sie leitete damit eine neue Ära für das Porzellan ein. Unter dem Titel „Update“ entstanden erstmals alltagstaugliche und multifunktionale Stücke, die nicht nur für das sonntägliche Kaffeekränzchen auf den Tisch kommen sollten. Sie orientierte sich an der Lebensrealität der Benutzer:innen, die anstatt von Tellern, mehr und mehr Schüsseln verwendeten. Auch To-Go-Optionen waren bereits in ihrem Tafelgeschirr integriert. 

Dieser innovative Ansatz hat mich auch für meine Kollektionen angesprochen. Im Zentrum steht Praktikabilität und gleichzeitig Zeitlosigkeit, denn eines hat sich über die Jahrhunderte nicht verändert: nämlich der Wunsch vieler Menschen von schönem Geschirr zu essen. Deshalb strebe ich danach, Geschirr zu gestalten, das zu jeder Mahlzeit am Tag Freude bereitet. Meine Kreationen sollen nicht nur funktional, sondern auch ästhetisch ansprechend und qualitativ hochwertig sein. Für frischen Input sorgen manchmal auch befreundete Kreativschaffende, wie die Künstlerin Danielle Weisheit. In Zusammenarbeit mit ihr ist eine Kurzsserie aus Karaffe und Bechern entstanden, auf der ihre Illustrationen gedruckt sind. Hieraus wird eine Serie entstehen, die wir zur Pop-up-Hütte auf dem Erfurter Weihnachtsmarkt 2024 anbieten möchten, falls unsere Bewerbung angenommen wird. Wenn alles klappt sind wir hier vom 26. November 2024 bis 01. Dezember 2024 vertreten.

„Meine Kreationen sollen nicht nur funktional, sondern auch ästhetisch ansprechend und qualitativ hochwertig sein“

Du bietest ja auch Workshops und Kurse an, in denen Interessierte mehr über Porzellandesign lernen können. Erzähl uns mehr darüber.

Ich habe eine große Leidenschaft dafür, das Handwerk und die Prozesse hinter meinen Produkten zu vermitteln. In meinen Kursen lernen die Teilnehmer:innen nicht nur die verschiedenen Techniken des Porzellangießens, sondern auch das Gestalten von Oberflächen und das Arbeiten mit Farben und Glasuren. Ich bin immer wieder begeistert davon, wie viel Talent in den Menschen steckt und es ist eine Freude für mich, sie auf ihrem kreativen Weg zu begleiten. Dabei geht es nicht nur um die Grundlagen der Porzellanherstellung, sondern auch um das Entwickeln eigener Ideen und das Kreieren individueller Formen. Aktuell denke ich über neue Formate nach. Zum Beispiel möchte ich die Kurse auf mehrere Tage ausweiten, um den Teilnehmer:innen genügend Zeit zum Experimentieren und Ausprobieren zu geben. Ansonsten bin ich gerade im Austausch mit einer österreichischen Töpferin, die ich im September ein paar Tage in ihrer Werkstatt besuchen möchte. Ich versuche mich selbst immer wieder fortzubilden und auch andere kreative Produktionsprozesse kennenzulernen, um meine Fähigkeiten zu erweitern. Ich fände es auch schön, wenn andere Designer:innen einmal zu Gast bei mir im Studio sein könnten und man gemeinsam Workshops ausrichtet, um das eigene Netzwerk zu erweitern und um voneinander zu lernen. Der Austausch mit anderen Künstler:innen bringt einfach tolle Mehrwerte. 

Wie sehen deine Pläne für die Zukunft deines Ladens und deiner Designs aus?

Mein Ziel ist es, meine erste eigene Geschirrlinie zu kreieren, die ein zeitloses Relief hat. Es soll möglich sein, nach und nach weitere Teile zu kaufen und das Service nach den eigenen Wünschen zu erweitern. Ich plane auch, verschiedene Farbvarianten anzubieten, um den individuellen Geschmack meiner Kund:innen zu bedienen. Ansonsten steht bei mir der Ausbau meines Online-Shops und die Zusammenarbeit mit externen Vertriebspartner:innen an, um mein Geschäft weiter auszubauen. Außerdem soll es zukünftig auf meiner Website die Möglichkeit geben, sich online für meine Kurse anzumelden. Als Porzellenadesignerin habe ich natürlich auch noch weitere Träume und Visionen. Einer davon hat etwas mit dem Bereich Fine Dining zu tun. Ich würde gerne in Zusammenarbeit mit lokalen Restaurants, passende Porzellankreationen erschaffen, die eine einzigartige Präsentationsfläche für die Speisen bieten. Aber meine Vision beschränkt sich nicht nur auf die Gastronomie. Ich stelle mir vor, dass meine Produkte auch in anderen Bereichen wie Lifestyle, Wellness und Merchandise zum Einsatz kommen können. Von Seifentellern bis hin zu Geschenkprodukten – mal sehen, was die Zukunft bringt. Meiner Kreativität sind hierbei auf jeden Fall keine Grenzen gesetzt.

Kontakt

Chic* by Claudia Bock – Atelier für Porzellan & mehr
Klausenerstraße 1, 99099 Erfurt
Mail: chic_by_cb@t-online.de
Mobil: 0152 0150 3353
Web: www.claudia-bock.de

Kommende Events von Claudia Bock

  • 22. August – 13. Oktober 2024: Mitgliederausstellung des VBKTh in Kooperation mit dem Kunstforum Hannah Höch Gotha: TURBULENZEN – Thüringer Kunst spiegelt ihre Zeit

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