Selfpublishing & Heimatliebe

Wie Jessika Fichtel Eisenach neu in Szene setzt

Jessika Fichtel ist Autorin und gebürtige Eisenacherin. Seit 2015 arbeitet sie als freie Texterin für Agenturen, Start-ups, Tourismus-Verbände und andere Kund:innen. Neben Fachbüchern und erfolgreichen Reiseführern wie “Glücksorte in Erfurt“ und “Glücksorte im Thüringer Wald“ hat sie nun ihrer Heimatstadt mit “entdecke Eisenach“ ein literarisches Denkmal gesetzt. Das Buch zeigt, wie vielfältig Eisenach auch für jüngere Generationen sein kann und rückt vor allem versteckte Orte in den Fokus, die Lust machen, die Wartburgstadt neu zu erleben. Die weitere Besonderheit an dem Buch: Es ist ein Selfpublishing-Projekt der Autorin, in dem über ein Jahr intensive Arbeit und viel Liebe zum Detail stecken. Im Interview spricht Jessika Fichtel über die Freiheiten und Herausforderungen von Selfpublishing, den Weg von der Buchgestaltung bis hin zur Vermarktung und warum das Publizieren von Büchern für sie eine nicht-optionale Herzensangelegenheit ist. 

Fotos: Christin Schreiter-Ehle

Jessika, was hat dich erneut dazu inspiriert, einen Reiseführer zu schreiben – diesmal über Eisenach?

Für mich ist das Buch eine Liebeserklärung an meine Heimatstadt. Nach dem Abitur habe ich zehn Jahre lang in anderen Städten wie Magdeburg und Erfurt gelebt, bis ich 2019 während meiner Schwangerschaft zurückgekehrt bin. Diese Rückkehr war eine richtige Homecoming-Story. Mit dem Abstand konnte ich Eisenach neu entdecken und viel bewusster wahrnehmen. Zunächst habe ich eher locker Inhalte über die Stadt auf meinem Blog und meinem Instagram-Kanal geteilt, doch irgendwann reifte die Idee, ein gesamtes Buch zu schreiben. Der Reiseführer spiegelt meine ganz persönliche Sicht auf die schönsten Orte und interessantesten Menschen der Stadt wider. Schon früh habe ich mir meine gute Freundin Anna-Lisa Meyer für die Grafiken mit ins Boot geholt, da ich dem Buch bewusst einen anderen, frischen Stil geben wollte. Mir fehlte bisher ein Angebot, das jüngere Menschen anspricht – Eisenach wird oft als Stadt für ein älteres Publikum wahrgenommen, doch ich wollte etwas kreieren, das auch meiner Generation gefällt.

Letztlich habe ich ein Buch geschrieben, das ich selbst gerne lesen würde – weg von der oft traditionellen Reiseliteratur. Dazu habe ich viele Perspektiven eingebracht, andere Menschen befragt und bewusst keinen Anspruch auf Vollständigkeit erhoben. Denn meiner Meinung nach geht es in der heutigen Reiseliteratur weniger darum, alles abzudecken, sondern vielmehr darum, Facetten, Geschichten und persönliche Einblicke zu vermitteln.  

“…meiner Meinung nach geht es in der heutigen Reiseliteratur weniger darum, alles abzudecken, sondern vielmehr darum, Facetten, Geschichten und persönliche Einblicke zu vermitteln”

Du hast das Projekt von Anfang an im Selfpublishing umgesetzt – wieso diesmal nicht in Zusammenarbeit mit einem Verlag?

Nach meinen beiden Glücksorte-Reiseführern über Erfurt und den Thüringer Wald wollte ich auch wollte ich auch Eisenach in Angriff nehmen. Weil eine Zusammenarbeit mit meinem Verlag in diesem Fall nicht ging, entschied ich mich, erneut den Weg des Selfpublishing zu gehen – wie schon bei meinen Büchern über das Freelancer:innen-Dasein. Die Erfahrung aus diesen Projekten hat mir geholfen, den Eisenach-Reiseführer mit viel Know-how umzusetzen.

Was sind die Vorteile und was die Herausforderungen von Selfpublishing?

Selfpublishing bedarf guter Planung und Disziplin, bietet aber einige spannende Chancen für kreative Autor:innen. Meine Einschätzung zu den Herausforderungen: Eine der größten Hürden war für mich die Frage nach der richtigen Veröffentlichungsstrategie. Ursprünglich wollte ich das Buch über den Tredition-Verlag veröffentlichen, doch die Produktionskosten von 16 Euro pro Exemplar hätten den Verkaufspreis zu hoch getrieben. Das gleiche gilt für bekanntere digitale Verkaufsplattformen. Hier wird es richtig kostenintensiv, sobald zu viele bunte Seiten im Manuskript sind. Am Ende entschied ich mich für eine Online-Druckerei, bei der das Preis-Leistungs-Verhältnis stimmt. Hier lasse ich ein Buch für rund fünf Euro produzieren und verkaufe es für 15 Euro, sodass ich einen Gewinn von etwa fünf bis zehn Euro pro Buch habe – abhängig davon, ob ein:e Händler:in beteiligt ist. Für mich war es wichtig, Selfpublishing professionell und vor allem monetär anzugehen, da es ja schließlich mein Beruf und nicht nur ein Hobby ist.

Darüber hinaus sollten sich Autor:innen auf Folgendes einstellen: Selfpublishing ist zeitintensiv, da man für alles selbst verantwortlich ist. Vom Vertrieb, der viel Aufwand erfordert, bis hin zum Marketing und den Buchverkäufen. Es reicht nicht, ab und zu auf Instagram über das Buch zu sprechen – man muss konsequent und langfristig dranbleiben. Besonders wichtig war mir, das Buch auch lokal in Geschäften zu platzieren, was in Eisenach gut funktioniert. Gleichzeitig ist der potenzielle Kund:innenkreis dort begrenzt, sodass ich nicht mit riesigen Verkaufszahlen rechnen kann. Ganz ehrlich: Wirtschaftlich betrachtet ist das Schreiben von Büchern eher eine langfristige Investition. Schnell mit einer Publikation reich zu werden, ist eine falsche Erwartung. An meinen “Glücksorte“-Büchern verdiene ich zum Beispiel auch Jahre später noch regelmäßig Geld. Das kommt nur langsam, aber mittlerweile stetig.

Jetzt zu den rein positiven Aspekten: Trotz aller Herausforderungen liebe ich das Selfpublishing, da es mir volle kreative Kontrolle gibt. Bücher sind für mich ein Weg, Reputation und Personal Branding aufzubauen – ein wichtiger Aspekt gerade in einer eher digitalen Content-Creation-Branche. Ein Buch hat etwas Greifbares und Authentisches, wodurch ich auch anders wahrgenommen werde. Letztlich ist die Leidenschaft entscheidend. Es macht mich glücklich und stolz, ein weiteres Buch in meinem Regal stehen zu sehen. Dieses Gefühl ist die Mühe absolut wert.

Kommen wir mal zum Inhalt deines neuen Buches: Was macht für dich Eisenach so einzigartig, dass du der Stadt ein persönliches Buch gewidmet hast?

Eisenach begeistert mich durch seine kurzen Wege und die perfekte Kombination aus Stadt und Natur. Als touristisches Ziel konzentriert sich vieles auf die Innenstadt und den südlichen Rand der Stadt. Gerade in der Südstadt gibt es zahlreiche spannende Orte, die man innerhalb kürzester Zeit entdecken kann – und das oft verbunden mit einem Abstecher in die Natur. So kann man beispielsweise durch das Eisenacher Villenviertel schlendern, einmal abbiegen und steht plötzlich im Thüringer Wald. Diese Nähe macht Eisenach besonders: Ein kompakter Ort, der es ermöglicht, einen Städtetrip ideal mit einem Wanderurlaub zu verbinden.

“Bücher sind für mich ein Weg, Reputation und Personal Branding aufzubauen – ein wichtiger Aspekt gerade in einer eher digitalen Content-Creation-Branche”

Gibt es in deinem Buch auch unbekannte Orte oder Geschichten, die selbst Eisenacher:innen überraschen könnten? 

Während einige Leser:innen sagen, dass sie vieles noch gar nicht kennen, fühlen sich andere darin bestätigt, Vertrautes wiederzuerkennen – das Feedback ist sehr unterschiedlich. Natürlich möchte ich auch unbekannte Orte präsentieren, aber Eisenach ist eine kleine Stadt, in der vieles bereits bekannt ist. Trotzdem konnte ich gerade im Bereich der Natur neue Impulse setzen, die den Thüringer Wald einbeziehen. Ein gutes Beispiel ist die Landgrafenschlucht, die direkt neben der bekannten – aber oft überlaufenen – Drachenschlucht liegt. Die Landgrafenschlucht ist wunderschön und ein toller Rückzugsort, gerade im Winter, wenn die Felswände von Eiszapfen bedeckt sind. Das ist ein echter Geheimtipp, den viele nicht auf dem Schirm haben.

Und sind auch Tipps speziell für Kreative dabei? 

Für Kreative ist der K12 Kreativ-Space spannend: ein kleines, schmales Haus, das im letzten Jahr von kreativen Köpfen belebt wurde. Es bietet Ateliers sowie kostengünstige Desks für Kreativschaffende, finanziert durch eine Symbolmiete und Spenden. Kürzlich wurde dort auch ein Coworking-Space eröffnet, der Raum für kreative Projekte und Begegnungen schafft. Solche Orte zeigen, dass Eisenach auch junge, frische Perspektiven und Ideen bietet, die über die bekannten Sehenswürdigkeiten hinausgehen.

Du kuratierst neben dem Buch auch auf deinem Blog Themen über Eisenach. Wie soll der Blog das Buch ergänzen und warum macht es Sinn, Analoges immer in Kombination mit digitalen Inhalten zu denken?

Der Blog ist in erster Linie ein Marketinginstrument, das mein Buch ergänzt und erweitert – und gleichzeitig ist er für mich eine Rückkehr zu meinen Wurzeln. Schon bevor ich “entdecke Eisenach“ schrieb, hatte ich den Wunsch, einen Städteblog zu starten. Meine Erfahrungen aus der Arbeit für ein Stadtmagazin in Magdeburg und mit “Feels like Erfurt“ haben mich darin bestätigt, dass dies genau mein Thema ist. Jetzt ermöglicht mir der Blog, das Buch weiterzudenken, denn dort bin ich nicht durch Seiten- oder Fotoanzahl limitiert. Orte, die im Buch nur kurz erwähnt werden konnten, lassen sich auf dem Blog ausführlich vorstellen – mit mehr Fotos und weiteren Details. Zudem kann der Blog auch eine praktische Ergänzung sein, etwa mit schnell zugänglichen Empfehlungen wie “Die fünf schönsten Cafés in Eisenach“ oder einer Übersicht netter Geschäfte. Über solche Beiträge leite ich die Leser:innen immer wieder zum Buch oder zur Verkaufsplattform weiter.

“Eisenach lebt von Menschen, die nicht nur die Schönheit der Stadt sehen, sondern auch bereit sind, etwas für ihre Weiterentwicklung zu tun”

Was macht für dich ein gutes Buch – oder in diesem Fall einen guten Reiseführer – aus?  

Eine klare Struktur, ansprechende Sprache, gut recherchierte Inhalte und einzigartiges Design. Den letzten Punkt konnte ich besonders frei gestalten. Das war ziemlich cool, denn wenn man in einem Verlag veröffentlicht, bewegt man sich oft von Anfang an in einer vorgegebenen Schiene – sei es durch bestehende Reihenformate mit dazugehörigen Designs oder andere Vorgaben. Ich hingegen hatte eine leere Seite vor mir und konnte von Grund auf überlegen: Was möchte ich machen, und wie kann ich mich von anderer Reiseliteratur abheben?  

Statt klassischer Fotos von bekannten Sehenswürdigkeiten wie der Wartburg oder den Statuen von Luther und Bach habe ich auf Illustrationen gesetzt, um einen eigenen Stil zu schaffen. Zudem habe ich den Reiseführer mit persönlichen Insider:innen-Tipps bereichert. Mir war es wichtig, den Blick für Details zu schärfen – für die kleinen Dinge, die Freude machen und Leser:innen zu eigenen Entdeckungen inspirieren zu können. Zudem stelle ich auch Menschen und Projekte vor, die Eisenach prägen. So widme ich einige Seiten beispielsweise Isabell Espig vom Rosa Krokodil, dem Designer Lars Lewandowski von der Vintagewerft oder der Start-up-Kirche, einem Projekt, das ich unglaublich spannend finde. Ebenso ist Tracey Steinbrecher, die den Concept Store Livolae betreibt, für mich eine zentrale Persönlichkeit der Stadt. Ihr Laden zieht Menschen aus Frankfurt und sogar München an, die sich in der Nähe Eisenachs, etwa in Ruhla, niedergelassen haben, weil sie das Potenzial der Region sehen. Mit solchen Porträts zeige ich, wie sehr die Gesichter der Stadt ihre Identität und Anziehungskraft ausmachen. 

Wie hat sich die Verbindung zu Eisenach durch deine Arbeit an dem Buch und dem Blog verändert?  

Ganz ehrlich? Zu Beginn und auch zwischendurch gab es Momente, in denen ich von diesem Projekt und der Stadt regelrecht genervt war. Das ist wohl normal, wenn man an einem so langen und intensiven Vorhaben arbeitet – vor allem, wenn man nicht vertraglich gebunden ist, sondern sich selbst Meilensteine setzt und theoretisch jederzeit aufhören könnte. Es erfordert viel Disziplin und Durchhaltevermögen, um in solchen Phasen dranzubleiben. Doch genau das hat mir gezeigt, wie wichtig mir das Projekt ist und wie sehr es mich erfüllt. Ohne diese Eigenschaften hätte ich es niemals so weit gebracht.  

Trotz der Herausforderungen hat sich mein Verhältnis zu Eisenach durch die Arbeit am Buch weiter intensiviert. Ich bin nach wie vor begeistert von dem, was die Stadt zu bieten hat. Eisenach hat seinen ganz eigenen Charme und ich bin froh, dass mein Partner und ich uns entschieden haben, hierherzukommen. Diese Begeisterung will ich mit meinem Buch vermitteln, denn ich sehe in der Region enormes Potenzial und finde es schön, aktiv zu werden und die Stadt kreativ mitzugestalten. Genau das war meine Motivation – als Heimkehrerin und Rückkehrerin, die fest daran glaubt, dass Engagement und Herzblut besonders in ländlichen Regionen den Unterschied machen. Denn: Wenn es keine Menschen mit Engagement gibt, dann sterben solche Städte in Zukunft aus. Eisenach lebt von Menschen, die nicht nur die Schönheit der Stadt sehen, sondern auch bereit sind, etwas für ihre Weiterentwicklung zu tun. Für mich ist das Buch ein persönliches Projekt und auch ein Beitrag dazu, den Menschen diese Perspektive näherzubringen.

Kontakt

Jessika Fichtel
Autorin, Content Creation und -beratung
www.jf-texte.de
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