Von Leidenschaft, Vielfalt und künstlerischer Freiheit

Das Independent-Kollektiv Colourgraphie geht mit der Musical-Serie Dancing in the Shadow auf Tour

Sechs junge Menschen suchen in einer Gesellschaft voller Erwartungen nach Zugehörigkeit. Zwischen Musik, Tanz und der Frage nach Identität überwinden sie gemeinsam innere Ängste und gesellschaftliche Schranken. Die Serie “Dancing in the Shadow” (DITS), die Vielfalt feiert und die Zuschauer:innen dazu einlädt, sich selbst in einer neuen Perspektive zu entdecken, wurde vom Erfurter Independent Filmkollektiv Colourgraphie in den letzten Jahren entwickelt und produziert und geht seit September 2024 auf Tour in Thüringen. Wir wollten mehr erfahren und haben uns mit Produzentin und geschäftsführende Gesellschafterin Tamara Kollmeder zum digitalen Austausch getroffen und bekamen spannende Einblicke in die Arbeit eines unabhängigen Filmkollektivs und die Motivation hinter der Entstehung der Serie.

Das DITS-Team beim Berlinale Screening in der Landesvertretung Thüringen in Berlin, Foto: DITS.

Wie kam es zur Gründung von Colourgraphie?

Colourgraphie begann 2020 mit der Vision, filmische Projekte umzusetzen, die nicht nur konkret colorful, also farbenfroh sind und auf eine Bildsprache mit intensiven Farben setzen, sondern auch symbolisch bunte und vielfältige Geschichten erzählen. Daher ist der Name Colourgraphie auch bewusst als Symbiose aus Colour und Videographie gewählt. Ziel ist es, das Potenzial des Medium Films für eine bessere Welt zu nutzen.

Die Idee, ein Kollektiv zu gründen, entstand durch Mikael Kuetche, unseren Regisseur, Autor und Mitgründer. Wir beschlossen schnell, unabhängig zu arbeiten, denn uns war klar, dass wir zunächst ohne große Finanzierung einfach loslegen mussten, um unsere Träume von der eigenen Produktion umsetzen zu können. Während Corona starteten wir die Entwicklung unserer ersten Musical-Serie mit dem Titel Dancing in the Shadow, die Individualität, Vielfalt, Gemeinschaft und Identität thematisiert. Wir erzählen hierbei die Geschichte von sechs jungen Menschen, die in einer Welt voller gesellschaftlicher Erwartungen nach Zugehörigkeit suchen. Es geht darum, gemeinsam Hindernisse zu überwinden und innere Ängste zu bewältigen. Unsere Serie soll Zuschauer:innen helfen, ihre eigenen Vorurteile zu hinterfragen und die Vielfalt der Gesellschaft besser zu verstehen.
Dancing in the Shadow ist übrigens nur eines von mehreren Projekten. Daneben produzieren wir auch gerade einen Kurz- und einen Dokumentarfilm.

Bevor wir zu Dancing in the Shadow kommen: Wer ist Teil des Colourgraphie-Kollektivs?

Das Kollektiv besteht aus einer Vielzahl von kreativen Menschen aus verschiedenen Bereichen der Filmproduktion. Es sind nicht nur Filmschaffende, sondern auch Künstler:innen aus den Bereichen Illustration, Computer-Generated Imagery, Musik, Schauspiel, Tanz und vielen anderen Gewerken aus der Filmbranche. Es ist uns gelungen, eine wirklich vielfältige Gruppe zusammenzubringen – Menschen aus ganz Deutschland, aber auch aus Österreich und Frankreich. Die Corona-Situation kam uns tatsächlich sehr gelegen und hat uns dabei geholfen, viele Kreativschaffende zu finden, die ebenfalls ihre Leidenschaft während des Lockdowns ausleben wollten.
So haben wir im Winter 2020 mit etwa 100 Leuten angefangen und bis 2021 waren es schon 250 Personen, die in Ilmenau an unserem Serien-Projekt gearbeitet haben. In der Hochphase waren bis zu 120 Leute gleichzeitig in Ilmenau im Einsatz und in der Postproduktion haben rund 30 Personen an dem Projekt mitgewirkt. Einige haben hier wertvolle Erfahrungen machen können und im Anschluss an die Produktion tolle Jobs in der Branche gefunden. Während der letzten Jahre ist das Kollektiv für uns wie eine Familie geworden, mit der wir auch in Zukunft in Kontakt bleiben. 

Die bisherigen fünf Pilotfolgen von Dancing in the Shadow wurden komplett gemeinnützig produziert. Mittlerweile sind wir eine GmbH und führen das Projekt mit Unterstützung der Mitteldeutschen Medienförderung (MDM) weiter. Für die weitere Produktion der ersten Staffel von Dancing in the Shadow suchen wir neue Unterstützung in der Produktion  und freuen uns über alle, die Lust haben, ihre Kreativität in Zukunft mit einzubringen. Außerdem suchen wir Leute, die Lust haben, mit uns auf Tour zu gehen. Unser Team ist deutschlandweit aktiv, und wir sind auch an Partnerschaften in anderen Bundesländern sowie an Förder:innen interessiert.

„Wir alle tragen Vorurteile in uns, aber niemand will mit dem erhobenen Zeigefinger belehrt werden. Die Kraft von Kunst und Bewegtbild liegt darin, ohne Zwang Gefühle zu wecken und marginalisierten Personen eine Stimme zu geben. So können sich die Zuschauer:innen in deren Perspektive hineinversetzen und wirklich verstehen, wie sich eine Situation anfühlt”

Was war eure Motivation und welcher Impuls führte zur Umsetzung von Dancing in the Shadow?

Die Idee für Dancing in the Shadow stammt ursprünglich von Mikael, den selbst die immerwährende Balance zwischen Zusammenhalt und Ausgrenzung, Freiheit und Zwang begleiten. Mikaels persönliche Erfahrungen als Student aus Kamerun und die Frage nach Identität, Zugehörigkeit und Marginalisierung in der Gesellschaft gaben letztendlich den Anstoß für das Skript. Es dreht sich um die Frage, wer man ist und wie man sich in der Gesellschaft wahrnimmt. Es geht darum, das Bewusstsein der Zuschauer:innen zu verändern, ohne mit dem erhobenen Zeigefinger zu agieren. Musik und Tanz spielen eine große Rolle, weil sie emotional berühren und Menschen auf eine tiefere Ebene ansprechen. Wir wollten, dass die Serie eine Reflexion der Gesellschaft ist, in der sich jede:r wiederfinden kann.

Was ist deine persönliche Motivation hinter der Produktion von Dancing in the Shadow und deiner Tätigkeit im Kollektiv?

Meine Motivation als Produzentin ist es, Künstler:innen die Möglichkeit zu geben, ihre Leidenschaft auszuleben. Mir ist es wichtig, Raum für diverse Perspektiven zu schaffen und Geschichten nicht über, sondern mit Menschen zu erzählen. Das haben wir mit unserer vielfältigen Crew sowohl vor als auch hinter der Kamera geschafft und darauf sind wir unglaublich stolz. Auch die Entstehung der Pilotfolgen von unserer Musical-Serie trägt bereits diesen Ansatz in ​sich. Die Filmcrew des Proof of Concepts war überwiegend FLINTA, repräsentierte die LGBTQIA+ ​und BiPoC-Gemeinschaft in all ihren Facetten. Die Produktion wurde somit selbst zu einem Werkzeug des ​Wandels und einem Medium der Empathie.

Ich finde, dass die Film- und Kreativbranche ein Ort sein sollte, an dem alle Personen sich sehen, gehört werden und ​sich finden können. Als Filmproduzentin möchte ich nicht nur die Art und Weise ändern, wie wir Geschichten ​erzählen, sondern gleichzeitig auch die mitteldeutsche Produktionslandschaft ​stärken. In meiner anderen Funktion als Geschäftsführerin des MENT Mediennetzwerk e.V. sehe ich es als eine Chance, meine strategischen Stärken auch zu nutzen, um ​kreativen Menschen einen Zugang zur Filmindustrie zu ermöglichen. 

Was sind die Ziele eurer Tour?

Mit der Tour verfolgen wir mehrere Ziele. Natürlich wollen wir das Interesse an unserer Serie wecken und ein breites Publikum erreichen. Wichtig ist uns dabei, dass die Zuschauer:innen mit einem Gefühl der Offenheit kommen und mit einem neuen Verständnis für Themen wie Non-Binarität und Marginalisierung wieder gehen. Wir hoffen, dass die Serie langfristig eine Verhaltensänderung bewirkt.

Ein weiteres Ziel der Tour ist es, zu zeigen, dass in Thüringen großartige Projekte und Filmschaffende existieren. Wir möchten andere Künstler:innen und Nachwuchsproduzent:innen inspirieren und motivieren, ihre Ideen umzusetzen. Gleichzeitig hoffen wir, Entscheider:innen aus der Filmbranche zu erreichen, um ihnen zu zeigen, welches Potenzial in solchen Projekten steckt, wenn man sie ernst nimmt.

Daher legen wir bei unseren Veranstaltungen viel Wert auf den Austausch. In den Q&A-Sessions im Anschluss haben die Zuschauer:innen die Möglichkeit, Fragen zu stellen und sich zu öffnen. Es geht darum, Gespräche anzuregen, die über die bloße Kunst hinausgehen. Die Intention ist, dass Menschen auf der Bühne sitzen und über ihre persönlichen Perspektiven sprechen. Ich wünsche mir Mut auf beiden Seiten – sowohl bei den Fragenden als auch bei denen, die ihre Geschichten teilen. Denn es braucht genau diese Menschen, um eine echte Verbindung herzustellen. Daher ist es uns wichtig, dass ein Gesprächsformat wie dieses in unseren Veranstaltungen auf jeden Fall Platz findet.

Wie plant ihr, das Projekt über die Grenzen Thüringens hinaus zu verbreiten?

Wir starten unsere Tour in Thüringen, aber natürlich möchten wir auch überregional wachsen. Neben Independent-Kinos planen wir, die Serie auf Festivals und kulturellen Veranstaltungen zu zeigen. Auch wird die Verbreitung über VoD-Plattformen geschehen , um eine größere Zugänglichkeit zu schaffen. 

Zudem haben wir im Kollektiv darüber gesprochen, ob wir in Zukunft als Vertriebskanal für Independent-Filme dienen und unsere Erfahrungen mit anderen Filmschaffenden teilen könnten. Wir stehen dafür bereits in Kontakt mit Filmemacher:innen, die Kurz- oder Langfilme produziert haben, die bisher nur auf Festplatten liegen. Unser Ziel ist es, diese Kunstwerke sichtbar zu machen und den Branchenakteur:innen mit unseren Erfahrungen und Know-how zu unterstützen.

Gab es einen besonders prägenden Moment während der Produktion?

Ein Moment, der mir besonders in Erinnerung geblieben ist, war unsere Crew- und Friends-Premiere in Gotha 2022. Dort haben wir ein Zwischenergebnis gezeigt und über 350 Menschen kamen, um das zu feiern. Es war ein emotionaler Abend, der gezeigt hat, wie viel Kraft in der Serie steckt. Zu sehen, dass Menschen, die sich zuvor z.B. nie mit Non-Binarität beschäftigt hatten, ein besseres Verständnis dafür entwickelten, war für mich ein Schlüsselmoment. Es gibt mir Mut und Hoffnung für die Zukunft und für unsere Tour mit den Pilotfolgen, die am 6. September 2024 im Club Café Franz Mehlhose in Erfurt erfolgreich gestartet ist. Als weitere Stationen folgen Weimar im Mon Ami am 9. Oktober, Gera im Metropol am 10. Oktober, in Rudolstadt planen wir in den Saalgärten am 18. Oktober eine Vorführung sowie in Ilmenau im Helmholzbau am 1. November. Beginn ist jeweils 18.30 Uhr. Neben drei Pilotfolgen wird es auch Live-Musik sowie ein Filmgespräch mit Mikael und mir geben. Der Eintritt ist frei.

Kommende Termine der Release-Tour.

Kontakt

Tamara Kollmeder
Geschäftsführung & Produzentin
Filmproduktion | Colourgraphie GmbH
Mail: produktion@colourgraphie.de
www.colourgraphie.de
www.dits-serie.com/dits-release-tour

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