Ein Gastbeitrag von Ralph Hölzer
Der Fachkräftemangel betrifft unzählige Branchen. Alle suchen händeringend nach gutem Personal. Video kann dabei helfen. Es reiht sich aber nicht nur nahtlos neben den anderen üblichen Maßnahmen der Personalbeschaffung ein, sondern sticht in mindestens einem Punkt deutlich heraus.
Viele Arbeitnehmer in Deutschland sind wechselbereit, was ihre Arbeitsstelle betrifft. Das wissen auch die HR-Abteilungen. Dennoch sind sie nicht aktiv auf der Suche. Besuch von Online-Stellenbörsen – Nööttt! Karriereseiten auf Unternehmenswebsites aufrufen – Nöööttt! Bei der Arbeitsagentur nach Angeboten fragen – Doppel-Nöööttt! Kaum jemand wird aktiv und so wird aus der Pull-Kommunikation eine Push-Kommunikation. Die willigen Arbeitnehmer da draußen müssen auf die verfügbaren Stellen aufmerksam gemacht werden. Man muss ihnen die Info vor das Gesicht halten – Werbung! Die muss in kürzester Zeit den Arbeitgeber schmackhaft machen und einen Eindruck vermitteln, wie es da so ist, an der neuen Arbeitsstelle. Video hat dabei die Nase vorn.
Recruitmentvideos erleben so einen Hype, der, wie auch bei anderen Formaten üblich, zu einer Art Standardisierung von Inhalt, Aufbau und Stil führt. Häufig wurden und werden aktuelle Mitarbeiter des Unternehmens portraitiert. Sie erzählen von sich, den Vorteilen des Unternehmens und geben gern einen Schuss Privatleben dazu. Da fällt häufig der Satz “In meiner Freizeit…”. So schnell wie die Standardisierung Einzug hält, kommt auch die Langeweile bei den Zuschauern. Die Filme unterscheiden sich nicht von denen anderer Unternehmen. Ziel sollte es also stets sein, zumindest so viel Kreativität und Individualität zu beweisen, dass man sich nicht nahtlos einreiht.
„Im Gegensatz zu reinem Text oder ein paar Fotos, fühlen sich die Zuschauer wie bei einer Besichtigung – als wären sie schon mal vor Ort gewesen“
Wie funktioniert ein Video zum Recruiting?
Die Frage, wie gut ein Recruitmentfilm welche Aufgabe erfüllen kann, muss im Zusammenhang und Vergleich zu anderen Maßnahmen des Personalmarketings gesehen werden. Potentielle neue Mitarbeiter sind ähnlich wie potentielle Kunden – zumindest aus Marketingsicht. Nehmen wir das jetzt mal so an und nehmen wir auch an, dass folglich die typische Consumer-Journey betrachtet werden kann.
“Susi” ist jetzt unsere zukünftige neue Mitarbeiterin. Sie weiß noch nichts vom Unternehmen “Schlaraffenland”. Heute Morgen war sie bei Youtube unterwegs, um sich beim Frühstück eine Folge ihrer Lieblingswebserie zu gönnen. Als Pre-Roll-Werbung wurde ihr das Recruitmentvideo von Schlaraffenland ausgeliefert. Wenige Sekunden hätte sie nur zuschauen müssen, bis die Möglichkeit zum Skippen gegeben wäre. Der Clip startete aber zum einen kreativ und dann war auch direkt vom “neuen Job in der Nougatproduktion” die Rede. Für Susi war das, was sie da sah relevant, da sie schon mit dem Gedanken gespielt hatte in die Nougatproduktion zu wechseln. Das Video zeigte dann in aller Kürze einige Keyfacts zum Unternehmen und zu der offenen Stelle. Sicherlich war Susi nicht vollumfänglich informiert, doch sie hatte zumindest angebissen.
Statt mit der Webserie loszulegen, folgte sie dem Link, der zur ausführlichen Stellenanzeige auf der Firmenwebsite führt. Dort ging es unter anderem um das Arbeitsklima, die Unternehmenskultur, die Work Life Balance Maßnahmen, die Weiterbildungsmöglichkeiten, die Kinderbetreuungsmöglichkeiten und die weiteren Karrierechancen.
Keine Angst, wir möchten das hier nicht zu rosig gestalten. Susi hat die Anzeige nur überflogen und nicht gleich den Vertrag unterschrieben. Aber es passte alles soweit zusammen, dass ihr im Laufe des Tages immer wieder Gedanken zum möglichen Wechsel durch den Kopf gingen. Am Abend besuchte sie die Website noch einmal. Vielleicht einfach so oder weil ihr das Video noch einmal ausgeliefert wurde (Retargeting). Nun las sie die Stellenanzeige genau und schaute sich das knackige Drei-Minuten-Unternehmensvideo an: eine stellenweise abgewandelte Version des Imagefilms, die direkt auf Fachkräftegewinnung zugeschnitten wurde. Susi war begeistert und machte sich an einem der nächsten Tage daran, die Unterlagen zur Bewerbung hochzuladen.
Im geschilderten Fall wurden also zwei Videos eingesetzt. Ein kürzerer Spot, der im Erstkontakt Interesse wecken und Relevanz schaffen soll. Im Gegensatz zu reinem Text oder ein paar Fotos, fühlen sich die Zuschauer wie bei einer Besichtigung – als wären sie schon mal vor Ort gewesen. Im weiteren Fortgang der Consumer-Journey unterstützt dann ein längeres Video zum Unternehmen die Entscheidungsfindung. Neue Mitarbeiter, genau wie potentielle Kunden, entscheiden sich innerlich an einem gewissen Punkt. Bei Ablehnung wird sich nicht weiter mit dem Thema beschäftigt und bei Annahme werden weitere Argumente gesucht, die für die Entscheidung sprechen. Denkbar wäre es, dass noch weitere Werbemaßnahmen in diese Strategie eingewoben werden. Beispielsweise könnten all die, die den kurzen Clip gesehen haben, mit knackigen Video- oder Grafik-Bannern im Google Displaynetzwerk adressiert werden. Ein Video muss auch nicht der Erstkontakt sein. Viele Kampagnen arbeiten erfolgreich mit Großformatplakaten, die selten spezielle Stellen bewerben, sondern die gesamte Kampagne.
„Natürlich sucht man Infos und keine Werbung, aber diese verfolgen dann im weiteren Sinne auch ein Werbeziel“
Wo sollte man ein Recruitingvideo veröffentlichen?
Im Marketing unterscheidet man Push- und Pull-Kommunikation. Werbung, die jemandem vorgesetzt wird und Werbung, die man sucht. Natürlich sucht man Infos und keine Werbung, aber diese verfolgen dann im weiteren Sinne auch ein
Werbeziel. Auch Recruitingvideos lassen sich dahingehend unterscheiden. Als Beispiel gibt es den kurzen Werbespot (Push) und den Unternehmensfilm in einer Schnittfassung, die speziell auf Fachkräfte zielt (Pull). Hier nun eine Aufschlüsselung, wo was typischerweise eingesetzt wird:
Push
Social-Video-Ad bei Youtube, Facebook, Instagram & Co. | Jobmessen | Kinospot | TV-Spot | Videobanner im Displaynetzwerk von Google | Digitale Monitore (z.B. in Einkaufscentern, öffentlichen Verkehrsmitteln) | In-App-Video-Ads
Pull
Ergänzung zur Stellenanzeige auf Jobportalen | Ergänzung zur Stellenanzeige auf der eigenen Firmenwebsite | Monitore auf Jobmessen
„Erst die Unwissenden mit Push-Werbung erreichen und sie dann als Interessenten mit Pull-Werbung informieren“
Je nachdem, ob man eine Information sucht oder sie vorgesetzt bekommt, sollten sich Aufbau und Inhalt unterscheiden. Werbespots müssen zuerst einmal Aufmerksamkeit generieren und die Problematik / das Thema aufgreifen. Dann muss ein bestehender Bedarf getriggert oder ein neuer geschaffen werden, für den die Lösung präsentiert wird. Sinngemäß wird also kommuniziert: “Hallo, huhu, hier! Du suchst einen neuen Job? Du willst glücklicher sein? Dann komm doch zu uns. Bei uns profitierst du von dem und dem und jenem. Jetzt bewerben!”.
Ganz anders bei den Filmen, die bei der Informationssuche den potentiellen Mitarbeitern gezeigt werden. Diese sind meist wesentlich länger, da man sich ja sicher sein kann, dass man die Aufmerksamkeit hat. Inhaltlich geht es direkt mit der Vorstellung des Unternehmens und der Situation als Mitarbeiter los und endet auch
so. Diese Filme stehen unter dem Motto “Das sind wir und das bekommst du hier geboten.” Naheliegenderweise kombiniert man beide Arten. Erst die Unwissenden mit Push-Werbung erreichen und sie dann als Interessenten mit Pull-Werbung informieren.
Die schlussendliche Wahl welche und wie viele Kanäle man nutzt, ist recht individuell zu gestalten. Es hängt stark davon ab, wo sich die Zielgruppe herumtreibt und welches Budget zur Verfügung steht. Online empfiehlt sich häufig, da es keinen Medienbruch gibt. Wer bei Instagram eine Werbung sieht, ist nur einen Klick von der Stellenanzeige entfernt.
Titelbild: Samuel Zeller
Ralph Hölzer ist Diplom-Medienwissenschaftler, Designer, Foto- und Videograf, Regisseur, Marketingexperte, Konzeptionierer, Querdenker und Farbangeber, Ideenschmiede und, und, und. Sein Herz trägt er auf der Zunge und bringt damit absolute Ehrlichkeit und kreative Effizienz in das Projekt ein. Von wegen Konzepter und Regisseure machen nur Laber-Rhabarber – und so ein ehrlicher Ralph führt immer zu einem erfolgreichen Online-Projekt.
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