In der alten Weimarer Münzbank wird ab Sommer 2022 ein neues Zuhause für die Thüringer Kreativszene entstehen: Die WerkBank. Das historische Gebäude in der Schubertstraße 10 bietet mit 900 Quadratmetern einen Freiraum in zentraler Lage für lokale Kreativschaffende, Initiativen und Vereine – mit Büros, einem Coworking- und Maker-Space sowie Projekträumen. Der Clou: Die Immobilie wird der Kreativ-Community über die eigens gegründete „Häuser für Alle Weimar GmbH“ selbst gehören. Damit wird die WerkBank Thüringens erster unabhängiger Kreativ-Space im kollektiven Eigentum der Mietenden. Wie kam es zu der Idee und wer steckt dahinter? Wir haben zwei der über 20 Mitgründenden der Häuser für Alle Weimar GmbH, Sebastian Kirschner und Anna Schmitz, zum Interview getroffen.
1. Wie kam es zur Idee, einen unabhängigen Kreativ-Space zu gründen?
Sebastian: Ich bin seit 2013 gemeinsam mit anderen Kreativschaffenden Mitglied des Lösungslabor e.V., einem gemeinnützigen Verein, der es sich zum Ziel gesetzt hat, die Kultur- und Kreativwirtschaft in der Region Weimar und Umgebung zu fördern und zu vernetzen. Ein Projekt des Lösungslabor e.V. ist die Kreativ-Etage am Goetheplatz 9b, wo wir bis dato Arbeits- und Denkräume zur Verfügung stellen und mit Know-How, Kontakten und Öffentlichkeitsarbeit unterstützen. Damit ist ab 2023 Schluss: Die Community muss das Gebäude am Goetheplatz 9b aufgrund von anstehenden Sanierungsplänen der Stadt verlassen.
Eine Auflösung der Gemeinschaft kam für den Großteil der bisherigen Mieter und Mieterinnen nicht in Frage und so begaben wir uns auf die Suche nach einem geeigneten Gebäude – diesmal sollte es aber uns gehören, selbstverwaltet und unverkäuflich! Ein Gebäude von und für Weimars Kreativszene. Aufgrund guter Beziehungen zum Lebenshilfe-Werk, bisheriger Eigentümer der Schubertstraße 10, bekamen wir 2021 die Möglichkeit, ein wirtschaftlich tragfähiges Nutzungskonzept für ein offenes Kreativhaus zu entwickeln und dürfen in diesem Jahr die Immobilie zum Festpreis kaufen.
2. Welche Geschichte steckt hinter dem neuen Space?
Sebastian: Die freistehende Villa in der Schubertstraße entstand zwischen 1929 und 1932 als Verwaltungsgebäude der Reichsbank. Zu DDR-Zeiten beherbergte das Bankgebäude den Kulturklub „Erich Wendt“, einer von circa 170 „Klubs der Intelligenz“, die es bis 1989 in allen größeren Städten der DDR gab und die der Öffentlichkeit mit Kunstausstellungen und Kulturveranstaltungen offen standen. Nach der Wende zog die Bundesbank ein, bis das Lebenshilfe-Werk Weimar/Apolda e.V. die Immobilie 2001 übernahm und vorwiegend als Bürogebäude nutzte.
Wir knüpfen mit unserem Nutzungskonzept wieder an die Zeiten als Klubhaus an und möchten mit der WerkBank die Geschichte des Hauses als Treffpunkt für Weimars kreative Köpfe wieder aufleben lassen.
Die WerkBank soll ein offenes Haus für Akteure und Akteurinnen der lokalen Kunst- und Kulturszene und auch für zivilgesellschaftliche Initiativen werden.
3. Was bedeutet ein derartiger Kreativort für die Stadtentwicklung Weimars?
Sebastian: Als Freiberufler weiß ich, wie wichtig Orte wie die Kreativ-Etage für die Vernetzung, Professionalisierung und den Austausch der kreativen Branche sind. Aber über gemieteten kreativen Orten wie unserer Kreativ-Etage am Goetheplatz schwebt stets ein Damoklesschwert: etwaige Sanierungsabsichten, Mieterhöhungen oder Eigenbedarf des Vermieters erlauben keine wirklich langfristigen Perspektiven.
Das werden wir mit unserem Nutzungskonzept für die WerkBank ändern und hoffentlich auch andere Thüringer Spaces zu kollektiven Eigentumsmodellen animieren. Mit meiner Beratungsagentur „Wohnprojektor UG“ habe ich bereits einigen Hausprojekten in Jena, Weimar und Erfurt in der Gründungsphase mithelfen können. Die gesammelten Erfahrungen bringe ich nun bei der WerkBank, zum Beispiel beim Gruppenaufbau, den Bankgesprächen oder der Wirtschaftlichkeitsberechnung mit ein.
Anna: Wir sehen die WerkBank auch als Investition in eine gelungene Stadtgestaltung der Zukunft, da unsere Angebote junge Kreative von den Universitäten zum Bleiben bewegen können, die hier flexibel und barrierearm einen Workspace für sich finden können. Aber nicht nur für die Kreativwirtschaft ist die WerkBank interessant. Wir möchten das Haus auch für die Zivilgesellschaft öffnen. Schüler und Schülerinnen, Studierende, Vereine und Unternehmen können sich im Maker-Space austoben oder sich im Projektraum für die Umsetzung eigener Ideen, Events und Aktionen sowie Workshops und Panels einmieten.
4. Welche Räume gibt es und welches Konzept steht dahinter?
Sebastian: Das Haus hat insgesamt circa 900 Quadratmeter Mietfläche. Im Erdgeschoss entsteht ein Coworking-Space mit 30 Schreibtischen. Die insgesamt 15 Büros in der oberen Etage werden gemeinschaftlich genutzt. Hinzu kommt ein knapp 40 Quadratmeter großer Projektraum in der “Belle Etage” inklusive großem Südbalkon. Im Keller befindet sich der eben genannte Maker-Space mit einer 50 Quadratmeter großen Werkstatt. Den alten Tresorraum im Anbau bauen wir in ein Tonstudio und Probenraum um.
Anna: Drei Schlagworte fassen unser Konzept zusammen: Freiraum, Ideenschmiede und Startbahn. Kreativität lebt von der Gemeinschaft und von gegenseitiger Inspiration. Aus diesem Grund sind die Räume stets im Sinne des gemeinschaftlichen Arbeitens gestaltet. So möchten wir neben verschiedenen kreativen Schwerpunkten wie Illustration, Grafik, Produktdesign, IT und Architektur vor allem junge Absolventen und Absolventinnen mit den “alten Hasen” der Branche zusammenbringen und zu gemeinsamen Projekten anregen. Start-ups können so von Erfahrungen profitieren und Alteingesessene von neuen und innovativen Blickwinkeln auf die jeweilige Branche. Das erste große gemeinsame Projekt steht dann gleich diesen Sommer an: Wir möchten nämlich, dass alle neuen Mieter und Mieterinnen die Räume mitgestalten und ihre Vorstellungen mit einbringen.
5. Wie kann ich Teil der WerkBank werden?
Sebastian: Die Büros in den oberen Etagen sind schon weitestgehend belegt mit Mitgliedern des Lösungslabor e.V., aber wir führen eine Warteliste für Interessierte. Gerade im Coworking Space gibt es noch jede Menge freie Schreibtische, wenn wir im Sommer 2022 eröffnen. Dann heißt es kennenlernen, Mitglied werden, anpacken, einziehen.
Doch zuerst muss die Kuh vom Eis. Denn Kauf und Umbau der WerkBank kosten circa zwei Millionen Euro, davon können wir 90% über Bankdarlehen, Fördermittel und das Stammkapital der Häuser für Alle Weimar GmbH finanzieren. Nun fehlen uns noch Eigenmittel in Höhe von 10%, also 200.000 Euro, die wir über sogenannte Direktkredite über unser Netzwerk an Unterstützenden einholen wollen. Wer möchte, kann über diesen Weg helfen, einen dauerhaften Freiraum für Weimars Kunst- und Kulturschaffende, kreative Start-ups und gemeinnützige Initiativen zu sichern. Wie das geht, erklärt unsere Website.
Anna: Und wer die WerkBank lieber live erleben möchte, kann am 1. April um 13.30 Uhr zu unserer Führung vor Ort kommen. Anmelden kann man sich hierfür über unser Kontaktformular auf der Website.
6. Was ist für 2022 noch geplant?
Anna: Die Eröffnung ist voraussichtlich für Juli geplant, wo wir ein großes Fest inklusive Live-Musik, vegetarischem Bratwurststand, Vorträgen und einer Zukunftswerkstatt planen. Ansonsten steht von Juli bis September das Projekt UP Thüringen im Fokus: die WerkBank wird „UP Spot“ und bietet vergünstigte Arbeitsplätze und Mentoring explizit für lokale Gründer und Gründerinnen und Start-ups. Begleitend hierzu wird es Infoveranstaltungen, Workshops und vieles mehr geben. Allgemein freuen wir uns, dass es im Sommer endlich losgeht und ein wunderbarer kreativer Ort gemeinsam für Thüringens Kreativwirtschaft entstehen kann.
Kontakt
WerkBank
Sebastian Kirschner
Tel.: 03643-4480299
Mail: post@werkbank-weimar.de
www.werkbank-weimar.de
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