Was haben öffentliche Toiletten mit Nachhaltigkeit zu tun? Mehr als man denkt! Die P-Bank ist eine Vision für zukunftsfähige Städte: Sie sammelt Urin, um daraus wertvollen Phosphor zu gewinnen – ein Düngemittel, das für unsere Landwirtschaft und somit für unsere Ernährung essenziell ist. Das Projekt entstand aus der Zusammenarbeit der Designerinnen Sylvia Débit und Anniek Vetter im Rahmen eines Semesterprojekts an der Bauhaus-Universität Weimar und wurde erstmals 2019 während des 100. Bauhaus-Jubiläums in Weimar ausgestellt und genutzt. Gestalterin Sylvia Débit erzählt uns im Interview, wie sie mit ihrem Team Design, Umwelttechnik und gesellschaftliche Fragen vereinte, um ihre Vision einer nachhaltigen Toilette zu verwirklichen – und warum das Projekt aus einer verpassten Exkursion nach Kambodscha entstand.

Wie funktioniert die P-Bank und wie entstand die Idee dazu?
Die Idee zur P-Bank entstand während meines Studiums an der Bauhaus-Universität. Ich lebte damals in einer WG mit Umweltingenieuren, die mir von einer geplanten Exkursion nach Kambodscha erzählten, bei der es um nachhaltige Umwelttechnologien durch Trenntoiletten ging. Meine Freundin und Kommilitonin Anniek Vetter und ich wollten unbedingt mitfahren und diese Reise zur interdisziplinären Zusammenarbeit nutzen. Auch wenn die Reise für uns nicht zustande kam, entwickelte sich daraus eine spannende Zusammenarbeit mit zwei anderen Umweltingenieuren und einer Umweltingenieurin der Universität und unter der Leitung von Prof. Jörg Londong. Was als Designprojekt begann, wurde schnell eine tiefere Auseinandersetzung mit nachhaltigen Sanitärsystemen. Wir stellten uns die Frage: Wie können wir Bewusstsein für diese Phosphor-Problematik schaffen? Unser Produkt sollte nicht nur eine technische Lösung bieten, sondern ein Umdenken in der Gesellschaft anstoßen. Es sollte aufzeigen, wie Nährstoff- und Wasserkreisläufe geschlossen werden können und ein Bewusstsein für Alternativen schaffen. Unser Ziel: Ein Trenntoilettensystem zu entwickeln, das nicht nur funktional ist, sondern auch gesellschaftliche Akzeptanz findet.
Die Sache ist nämlich die: Beim Essen nehmen wir Nährstoffe auf, die unser Körper nur teilweise verwertet – ein Großteil davon landet im Urin. Doch statt diese wertvollen Stoffe zu nutzen, werden sie mit Trinkwasser ins Abwassersystem gespült und verursachen Überdüngung und ökologische Probleme. Besonders Phosphor, eine endliche Ressource, die weltweit nur noch in wenigen Ländern wie China, Marokko und den USA abgebaut wird, geht so verloren – obwohl die europäische Landwirtschaft dringend darauf angewiesen ist, was uns wirtschaftlich abhängig von diesen Nationen macht.
Hier setzt das Modellprojekt der “P-Bank” an: Unser Konzept basiert auf der Trennung von Urin und Fäkalien, denn Urin ist in der Regel steril und kann nach entsprechender Aufbereitung als Dünger genutzt werden. Die P-Bank-Toilette ist so gestaltet, dass zwei separate Abläufe eine intuitive Trennung ermöglichen. Zur Phosphor-Rückgewinnung testeten wir zusammen mit den zwei Umweltingenieuren Michel Riechmann und Simon Mehling und der Umweltingenieurin Stefanie Hörnlein zwei Low-Tech-Verfahren, die mit herkömmlichen, einfachen Materialien gebaut werden: Zum einen die Struvit-Fällung, bei der durch Zugabe von Magnesium Phosphor kristallisiert und schließlich als Pulverdünger nutzbar ist. Zum anderen ein Verdampfungsverfahren, bei dem der Urin durch eine kleine Anlage auf abbaubare Materialien wie zum Beispiel Leinenstoff geleitet wird. Durch das Verdampfen der Flüssigkeit bleiben Phosphor und andere Nährstoffe in diesem Material “hängen“. Die Stoffbänder können dann direkt als Dünger verwendet werden. Wir haben die P-Bank von Anfang an auch als Versuchsplattform für die Wissenschaft gesehen, um immer wieder verschiedene Verfahren der Nährstoffrückgewinnung zu testen.
„Es geht nicht nur um Produkte, sondern darum, Komplexität verständlich zu machen – und genau das ist die Stärke von Design“



Wie habt ihr eure Vision umgesetzt – gestalterisch, aber auch funktional?
Uns hat besonders gereizt, dass die P-Bank weit mehr als eine Toilette ist – sie konfrontiert Nutzende direkt mit der Problematik rund um Phosphor und macht sie zu aktiven Spendenden. Uns war wichtig, den gesamten Kreislauf sichtbar und erlebbar zu machen, ohne dabei den Komfort zu reduzieren. Bereits beim Betreten der P-Bank begann die Auseinandersetzung mit dem Thema: Auf der Treppe nach oben wurden Fragen wie “Warum ist Phosphor so wichtig?“ gestellt und erklärt. Die “Phosphor-Spende“-Tür sollte Neugier wecken. Im Inneren, im “Spendennzimmer“, wurden verschiedene Technologien erklärt – etwa wie der Urin vom Rest in der Toilettenschüssel getrennt gesammelt wird. Spielerische, aber fundierte Informationen, wie die Zahl der Karotten, die man mit einer Urinspende düngen kann, haben das Thema greifbarer gemacht. Es sind übrigens circa drei große Karotten. Beim Händewaschen gab es dann keine klassische Spiegel-Selbstbetrachtung, sondern einen Durchblick in die Aufbereitungsanlage – hier konnte man direkt beobachten, wie der Urin im Reaktor verarbeitet wurde. Die letzte und gleichzeitig erste Station war der P-Bank-Garten, in dem Pflanzen mit unserem eigenen Dünger gedüngt wurden. Besuchende konnten selbst erleben, dass nachhaltige Kreisläufe funktionieren – und ja, viele trauten sich am Ende, unsere mit Urin gedüngten Tomaten und Kräuter zu probieren. Die knallgelbe Gestaltung unterstützte unsere Vision und spielte insofern eine zentrale Rolle, um das Thema aus der Nische zu holen.
Wie reagierten die Besuchende auf das nachhaltige Konzept des Modellprojekts?
Unsere Beobachtungen zeigten, dass sich Besuchende länger in den Kabinen aufhielten und bewusster die Hände wuschen – sie setzen sich also aktiv mit den von uns aufbereiteten Informationen auseinander. Gleichzeitig war es uns wichtig, dass die Nutzung der Toilette selbstverständlich bleibt. Denn genau das war unser Ziel: ein nachhaltiges Sanitärsystem salonfähig zu machen, ohne, dass es wie ein Labor wirkt. Obwohl wir technisch nicht den gesamten Urin verwerten konnten, ging es im Modellprojekt primär um Sensibilisierung. Wir wollten verdeutlichen: Es gibt Lösungen, und alle können Teil davon sein, ohne die eigenen Gewohnheiten ändern zu müssen. Berührungsängste sollten abgebaut werden, um zu zeigen, dass Urin keine “gefährliche“ Flüssigkeit ist, sondern wertvolle Ressourcen enthält.



Welche weiteren Ideen oder Visionen habt ihr für die Zukunft öffentlicher Toiletten?
Ein zentrales Zukunftsbild ist die Erweiterung der Idee hin zu “essbaren Städten”: Statt klassischer Grünanlagen könnten überall essbare Pflanzen wachsen – und genau hier würde die P-Bank ansetzen: Die Nährstoffe aus öffentlichen Toiletten könnten direkt für Urban Gardens oder innerstädtische Grünflächen genutzt werden. Dadurch würden lokale Stoffkreisläufe geschlossen und die Städte könnten sich selbst mit Nährstoffen versorgen. Dieses Konzept könnte sogar zu einem Mikro-Business werden: Städte oder Betreibende wären in der Lage, die gesammelten Nährstoffe direkt weiterzuverarbeiten und als lokalen Dünger zu nutzen, anstatt teuren Dünger extern zu kaufen.
Außerdem haben wir darüber nachgedacht, wie öffentliche Toiletten gerechter und wirtschaftlicher gestaltet werden können. Aktuell sind sie oft kostenpflichtig. Mit der P-Bank könnte man stattdessen ein Spendensystem etablieren: Wer seine/ihre “Spende“ leistet, bekommt dafür im Gegenzug einen kostenlosen Toilettenbesuch in einer sauberen, nachhaltigen Anlage.
Unsere Vision war es nie, das gesamte Sanitärsystem umzukrempeln – das wäre angesichts der politischen, wirtschaftlichen und infrastrukturellen Strukturen utopisch. Stattdessen haben wir den Fokus bewusst auf öffentliche Toiletten gelegt, denn hier gibt es realistische Möglichkeiten für Veränderung. Letztlich wollten wir einen Perspektivwechsel anstoßen. Öffentliche Toiletten sind nicht nur ein Service, sondern auch eine Ressource. Mit dem richtigen Konzept können sie ein wichtiger Baustein für nachhaltige Städte werden.

Was nimmst du dir persönlich aus diesem Projekt mit?
Vor allem, wie wertvoll interdisziplinäres Arbeiten ist. Während die Umweltingenieure und die Umweltingenieurin Nachhaltigkeit vor allem technisch betrachteten, konzentrierten wir Designerinnen uns auf die Nutzendenperspektive: Was hat das Thema mit uns zu tun? Wie kann man es greifbar machen? Unsere Recherchen reichten von der optimalen Sitzhaltung auf der Toilette bis hin zu globalen Stoffkreisläufen – ein Tiefgang, der für die Ingenieure und Ingenieurinnen manchmal überfordernd war, aber durch gemeinsame Design Thinking Workshops haben wir es geschafft, alle Beteiligten in den Prozess einzubinden.
Für mich persönlich war das eine Bestätigung, dass wir als Designende in allen Bereichen relevant sind. Mit dem richtigen gestalterischen Ansatz kann ich mich in verschiedene Themen einarbeiten und zwischen Fachdisziplinen und der Gesellschaft vermitteln. Letztlich hat mir das Projekt gezeigt: Wenn man für ein Thema brennt, kann man viel bewegen. Es geht nicht nur um Produkte, sondern darum, Komplexität verständlich zu machen – und genau das ist die Stärke von Design.
Kontakt
www.p-bank.info
Instagram: @thepbank
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