Erhalten, beleben, fördern: das ist die Grundidee der Wächterhäuser in Erfurt, die lokalen Akteur:innen der Kunst, Kultur und Kreativwirtschaft erschwingliche Arbeitsräume zur Verfügung stellen. Begründet wurde der Wächterhaus e.V. 2008 aus der Idee heraus, ungenutzten Leerstand durch kreative Zwischennutzung und Eigenengagement wiederzubeleben.
Mittlerweile konnten sich über 20 Mieter:innen als selbstverwaltete Kreativgemeinschaft an zwei Standorten in Erfurt etablieren und eine langfristige Basis für ihre Arbeit schaffen. Wir haben uns mit Vereinsmitglied und Illustrator Stefan Kowalczyk zu Kaffee und Kuchen verabredet und konnten mehr über die Geschichte der Häuser, ihre Akteur:innen und Projekte sowie über die Vorteile von kreativen Symbiosen zwischen den Wächter:innen erfahren.
Welche Idee und Geschichte steckt hinter Erfurts Wächterhäusern?
Das Konzept der Wächterhäuser für die Zwischennutzung ungenutzten Leerstandes in der Stadt für bezahlbare Atelierräume, Werkstätten und Büroräume für Kreativschaffende stammt ursprünglich aus Leipzig und Halle. Hier gab es die ersten Häuser dieser Art. Als das Konzept erstmals für das Wächterhaus 1 in der Talstraße 16 in Erfurt adaptiert wurde, konnte das schon beinahe verfallene Haus durch das Engagement der ersten Wächter:innen nicht nur zwischengenutzt, sondern auch in Stand gesetzt und wiederbelebt werden. Das Kreativquartier in dieser Form bestand von 2010 bis 2018 und wurde vom Wächterhaus 3, in dem auch ich mein Büro habe, 2018 abgelöst.
Das zweite Wächterhaus besteht seit 2012 und befindet sich in der Bürgermeister-Wagner-Straße 3 in Erfurt. Durch die Unterstützung der Stadt Erfurt, der die Immobilien gehören sowie der Eigeninitiative des Vereins als Mieter konnten die Wächterhäuser als längerfristig bestehende und erschwingliche Arbeitsräume in der Stadt etabliert werden.
Wie wichtig sind derartige Räume für eine lebendige und kreative Stadt?
Bezahlbare Arbeitsräume für kreative Ideen und Visionen schaffen die Grundlage für kreatives Wirken und ihre Akteur:innen. Gibt es keine Räume für Kreativität, kann sich diese in einer Stadt auch nicht entfalten. Die Häuser bilden zudem die Grundlage für kreativen Nachwuchs: Viele der Wächter:innen arbeiten nicht nur in ihren Ateliers, sondern bieten in ihrem jeweiligen Metier regelmäßig Workshops an oder sind als Dozent:innen an Bildungseinrichtungen tätig.
Der jährlich stattfindende Tag der offenen Ateliers lädt außerdem Interessierte dazu ein, die verschiedenen Schaffensbereiche den Arbeitsalltag der Wächterinnen kennenzulernen. Übrigens bin ich selbst 2011 durch ein Praktikum bei Greatmade im Wächterhaus gelandet und später auch „Wächter“ und Mitglied des Vereins geworden.
Mit Blick auf die Möglichkeiten, die sich dadurch ergeben haben, wünsche ich mir und der Kreativszene in Erfurt mehr Quartiere, ähnlich unseren Häusern oder vergleichbaren Konzepten wie der Saline 34 im Norden oder dem gegenüberliegenden Studio C. Der Bedarf ist auf jeden Fall vorhanden.
Wer arbeitet in den Wächterhäusern und warum?
Hier kommen Menschen unterschiedlicher kreativer Profession zusammen: Von Künstler:innen, über Kunsthandwerker:innen und Kreativschaffenden. Fotografie, Illustration, Grafikdesign, Skulptur, Malerei und Keramik sind ebenso vertreten wie Textil-, Produkt- und Raumgestaltung. Dabei sind Nutzer:innen-Profile nicht vom Verein vorgeschrieben. Die Vereinsmitglieder:innen – und somit auch alle Nutzer:innen – entscheiden gemeinsam, wie potenzielle Räume ausgeschrieben und vergeben werden.
Für Musiker:innen oder Darstellende Künste sind die bestehenden Räume der Wächterhäuser eher weniger geeignet. Andere Dienstleistungsbereiche wie Vermögensberater:innen würden hingegen nicht so gut in die kreative Melange passen. In der Regel werden die Räume über mehrere Jahre hinweg vergeben, sodass Leerstand selten ist und es auch keine Möglichkeiten zur kurzfristigen Einmietung gibt – leider.
Welche Mehrwerte bietet die kreative Symbiose?
Die Wächter:innen tauschen sich nicht nur mit Materialien oder Werkzeugen aus, sondern teilen auch kreative Expertisen und Ressourcen, wie den Brennofen oder das Fotostudio. Reger Austausch auf den Fluren gehört hier genauso zum Alltag wie kreative Ruhe.
Manche nutzen die Arbeitsräume für das Erarbeiten von Konzepten, andere schwingen den Pinsel in ihrem Atelier oder nutzen ihre Büros für Meetings und Netzwerkabende mit anderen Kreativschaffenden.
Da ich ja noch das Graphit Festival organisiere, treffen wir uns zum Beispiel in meinem Büro für Festival-Orga-Meetings und Brainstormings – das ist wesentlich angenehmer und ruhiger, als ins Café zu gehen oder immer wieder nach einem Raum für unsere Treffen suchen zu müssen.
Neben der Vernetzung innerhalb der Häuser, die spannende Projekte und Austausch fördern, findet auch eine Vernetzung in die kulturelle Landschaft der Stadt statt. So wurden in den letzten Jahren Projekte und Ausstellungen für hiesige Kulturveranstaltungen entwickelt: Kreative Beteiligung seitens der Wächterhäuser zur Langen Nacht der Museen oder Kultur flaniert.
Einmal im Jahr organisieren wir zudem eine gemeinsame Werkschau. Als Verein und kulturelles Nutzungskonzept „Wächterhaus“ treten wir an die Öffentlichkeit. Als Kreativschaffende generieren wir mehr Wahrnehmung für unsere Branchen. So entstehen Mehrwerte für beide Seiten.
Kontakt
Wächterhaus Erfurt e.V.
waechterhaus-erfurt@gmx.de
www.wächterhaus-erfurt.de
Facebook: Wächterhaus Erfurt
Dein Interview auf unserer Webseite?
Kontaktiere mich!
Nina Palme
Kommunikation
np@thueringen-kreativ.de0151 / 1290 4638Das könnte dir auch gefallen: