Im Portrait: Leergut-Agenten

Thüringer Netzwerk für Belebung von Leerstand

Die LeerGut-Agenten wollen Initiatorinnen und Initiativen bei der Entwicklung, Um- und Neunutzung, Sanierung und dem Umbau leerstehender oder nicht genutzter Häuser in Thüringen unterstützen – von der Idee zum Projekt. “Leerstand ist Ressource und daher ‘LeerGut’”, so das Netzwerk aus Experten und Expertinnen sowie Ansprechpersonen vor Ort, die Interessierte, Aktive, Wissende und Gebäude miteinander verbinden. Katrin Hitziggrad ist Koordinatorin bei den LeerGut-Agenten und unter anderem für die Projektberatung mit den Schwerpunkten Raumprogramm, Zwischennutzung und Leerstandsmanagement zuständig. Wir wollten mehr über die Intention der Gründung des Netzwerkes, die aktiven LeerGut-Agenten und -Agentinnen sowie die Potenziale einer Wiederbelebung von Leerstand in Thüringen erfahren und haben sie zum digitalen Austausch getroffen.

Katrin Hitziggrad, Foto: Heidi Gumpert

Die LeerGut-Agenten setzen auf die aktiven Menschen als Motoren für eine nachhaltige Entwicklung im ländlichen Raum Thüringens

“Ich liebe an meiner Arbeit das Zusammenbringen von strukturellen, ökologischen, sozialen und kulturellen Komponenten und den Menschen, die Leerstand beleben und entwickeln möchten. Den Kreislauf des Verfalls zu durchbrechen, ist meine größte Motivation”, so Katrin Hitziggrad, die neben ihren koordinatorischen Aufgaben, auch das Projektmarketing bei den LeerGut-Agenten betreut. Die umtriebige Thüringerin hat sich gemeinsam mit den Akteuren und Akteurinnen des Netzwerkes zum Ziel gesetzt, den “Menschen wieder in den Fokus von Räumen und Orten” zu rücken.

„Es muss Veränderung auf dem Land geben und Menschen, die den Mut und die Motivation haben, etwas zu verändern“

Kulturelle Orte, lebenswerte Städte, Möglichkeiten sich beruflich und kreativ zu entfalten, wohnen, leben, Infrastruktur – all’ dies könne besonders für die ländlichen Regionen sehr spannend sein. “Es muss Veränderung auf dem Land geben und Menschen, die den Mut und die Motivation haben, etwas zu verändern.” Initiativen wie die LeerGut-Agenten seien wichtig, um zunächst auf den Leerstand und seine Potenziale aufmerksam zu machen.

Die LeerGut-Agenten rücken den Gebäudebestand und den Leerstand als wertvolle Ressourcen für die Regional- und Immobilienentwicklung in den Mittelpunkt

Gegründet haben sich die LeerGut-Agenten 2018 als Initiative der internationalen Bauausstellung Thüringen (IBA). Seit dem Start haben sich Akteure und Akteurinnen aus verschiedenen Bereichen für die Ideenentwicklung, Beratung, die gemeinwohlorientierte Immobilienentwicklung zu einem aktiven Netzwerk zusammengefunden. Auch Architekten und Unterstützerinnen aus Verwaltung, Wirtschaft und Zivilgesellschaft haben sich angeschlossen. Mittlerweile besteht das Netzwerk aus über 40 aktiven Mitgliedern und 280 Followern.

Die LeerGut-Agenten sensibilisieren durch ihre öffentlichkeitswirksamen Aktivitäten in ganz Thüringen für den Leerstand als wertvolle Ressourcen für die Regional- und Immobilienentwicklung. Dafür gilt es den Baubestand zu analysieren, Ideen für leere Häuser und Brachen zu generieren, die Machbarkeit und Alternativen zu prüfen, Nutzer und Nutzerinnen anzusprechen, Gruppen zu moderieren, sich in der Region zu vernetzen und Unterstützende zu gewinnen. Diese Vorarbeit wird bisher nicht honoriert. Die meisten Förderprogramme setzen erst bei der Bauplanung und Sachinvestition ein. “Geplant ist, dass es in den nächsten Jahren entsprechende Förderprogramme für LeerGut-Projekte geben wird. Ziel ist es, auch unsere Beratungsangebote zu professionalisieren.

Um erste Evaluationen zu bekommen, haben wir für 2021 zehn ‘LeerGut-Scheine’ an Projekte in ganz Thüringen ‘Wider dem Leerstand’ verteilt. Es gab unzählige Einsendungen, was gezeigt hat, wie viel Bedarf an qualifizierter Unterstützung für Thüringer Leerstand vorhanden ist”, so Hitziggrad. Auf diese Weise konnten in Weimar, Neuengönna oder auch im Heldburger Ortsteil Lindenau mit Gesprächen, Ortsbegehungen, Workshops und moderierten Diskussionsrunden wichtige Fundamente für die Zukunft von leerstehenden Gebäuden gelegt werden.

Treffen der LeerGut-Agenten auf der Burg Tannroda, Foto: Thomas Müller

Im kleinen Kriebitzsch bei Altenburg wurde so auch dem fast 30 Jahre leerstehenden Konsum-Markt von Ideengeberin Maike Steuer eine neue Perspektive als “Kreativkonsum” gegeben. Er soll als Workshopraum, Begegnungsort und Coworking-Space dem Gebäude zu neuem Glanz verhelfen. Ein anderes Projekt in Taubach bei Weimar füllt den Leerstand eines ehemaligen Bürgermeisteramtes, das sich direkt in der Mitte des Dorfes befindet: “Der Ortskern ist besonders wichtig für eine kulturell belebte Stadtentwicklung.

Die leerstehende Kneipe, das brachliegende Vereinshaus – das Leben wird durch diesen Leerstand aus den Orten regelrecht herausgezogen. Umso wichtiger ist dortiger Wandel in den Bereichen gemeinschaftliches Wohnen, Arbeiten und Leben.” Die aktuelle Praxis dagegen vermag Verfall und letztlichen Abriss nicht aufzuhalten und begünstigt den Neubau auf der grünen Wiese, selbst in einem schrumpfenden Land wie Thüringen, wo sich manche Familien in ihren Gärten und Einfamilienhäusern eine Art von Isolation schaffen würden, so die Projektkoordinatorin. An Katrins tiefem Atemzug wird klar: Hier liegt noch viel Arbeit vor ihnen.

Erstberatung mit Martin Dittmann und Maike Steuer, Foto: Bertram Schiffers

Die LeerGut-Agenten streben ein breites Netzwerk auf Augenhöhe an

Klingt alles logisch und absolut mitmachenswert! Wie können Interessierte denn nun Teil des Netzwerkes werden? “Um diesen Orten und Räumen mit innovativen Konzepten eine neue Zukunft zu geben, können Interessierte aus Dörfern und Kommunen zu sogenannten Leerstandslotsen werden. Hierzu kann man sich mit uns telefonisch in Verbindung setzen und zunächst ein Erstgespräch vereinbaren. Dabei spielt es keine Rolle, ob man als Einzelperson oder als Initiative an uns herantritt – alle, die die gleichen Werte und Motivation wie wir vertreten, sind willkommen”, erklärt Katrin Hitziggrad.

Die LeerGut-Agenten streben ein breites Netzwerk auf Augenhöhe an. Denn: Nachhaltige ländliche Entwicklung braucht die Kooperation zwischen einer starken Zivilgesellschaft, einem leistungsfähigen Staat und einer verantwortungsbewussten regionalen Wirtschaft. Indem Projektaktive, Planende, Experten und Expertinnen sowie Verantwortliche aus Verwaltungen untereinander den direkten Erfahrungsaustausch pflegen, können sie Innovation und Qualität erreichen und sichern.

Um auf die aktuellen Projekte und Themen aufmerksam zu machen, initiiert Katrin zusammen mit den LeerGut-Agenten daher auch regelmäßig Netzwerktreffen an leerstehenden Orten mit Zukunftspotenzial – zuletzt in der alten Pfeifen- und Holzfabrik in Schweina. Hierzu sind nicht nur aktive LeerGut-Agenten, sondern auch potenzielle Interessierte herzlich eingeladen. Katrin Hitziggrad und das LeerGut-Netzwerk möchten sensibilisieren und darüber aufklären, was alles möglich ist: “Ich wünsche mir für die Zukunft, dass noch mehr Kommunen ‘Problemimmobilien’ als Chance begreifen, um lang- und mittelfristig lebendige Orte zu schaffen.”

Kontakt

Katrin Hitziggrad
kontakt@leergut-agenten.de
Tel.: 0176 – 83054861
www.leergut-agenten.de
@leergutagenten

Fachberatung für den Kreativkonsum, Foto: LeerGut-Agenten

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