Kreative Orte von Erfurterinnen für Erfurter erschaffen und die Stadt lebenswerter machen – das war der Traum der drei kreativen Köpfe Anita Grey, Karolin Hertlein und Judith Hörnlein, die vor circa fünf Jahren das Café und den Begegnungsort Kleine Rampe am Erfurter Zughafen aus dem Boden haben sprießen lassen. Die umtriebigen Frauen gestalten seither – zusammen mit verschiedenen Netzwerkpartnern aus der lokalen Kultur- und Musikbranche – Veranstaltungen aller Art und supporten so die Thüringer Kreativwirtschaft. Nun haben sie in der Erfurter Predigerstraße einen Laden der besonderen Art eröffnet, der das Herz von Design- und Kulturinteressierten höher schlagen lässt. In der Sonderausgabe findet man von Kunstprints lokaler Künstlerinnen, über Modelabels mit nachhaltigem Background, fein kuratierte Bücher, Makramées, Weine und Designobjekte, alles, was nicht nur schön ist, sondern auch die Kleine Rampe-Denke widerspiegelt: Ein Laden von Locals für Locals, der die Stadt “bleibenswerter” machen soll.
Seit fünf Jahren gemeinsam kreativ unterwegs – Karolins, Judiths und Anitas Projekte
Fröhlich lächelt Anita Grey mit ihren lockigen Haaren durch ihre Brille, als sie bei unserem Interview vor der Erfurter Sonderausgabe von Karolins, Judiths und ihren gemeinsamen Projekten erzählt: “Ich hätte nie gedacht, dass ich mal im Einzelhandel lande”, schmunzelt sie und nippt an ihrem Kaffee vom Klara Grün Café nebenan. Anita lebt nun seit elf Jahren in der Landeshauptstadt und hat seit ihrem Studium bereits Erfahrungen in verschiedenen Jobs, unter anderem als Assistentin der Büroleitung, aber auch in einem Abgeordnetenbüro gemacht.
Ihr Leben lang hat sie die Liebe zur Gestaltung von Räumen und Orten gereizt und begeistert: “Ich liebe es, Dinge zu erdenken und Konzepte zu erarbeiten – sei es für Events an der Kleinen Rampe am Zughafen oder letzthin für den Erfurter Kultursommer auf der Predigerwiese.” Das Organisatorinnen-Team der Kleinen Rampe ist seit fünf Jahren gemeinsam kreativ unterwegs. Über die Jahre haben sich Karolin, Judith und Anita ein breites Netzwerk aus Kulturschaffenden, Musikern, Künstlerinnen und Gestaltenden aufgebaut, das sie auch bei der Umsetzung ihres brandneuen Projektes der Sonderausgabe unterstützt hat.
„Wir wollen unsere Stadt für die Menschen, die darin leben, lebenswerter gestalten“
Um- und neu gedachte Konzepte während der Corona-Pandemie
“Die Idee zu einem Laden ist durch die Corona-Pandemie entstanden. Da wir seit dem Beginn der Krise Veranstaltungen an der Kleinen Rampe am Zughafen nur noch unter erschwerten Bedingungen umsetzen konnten und der Einzelhandel weiterhin geöffnet hatte, entstand erstmals die Idee zu einem PopUp-Store. Zunächst haben wir ein paar Sachen oben am Zughafen verkauft. Das kam so gut an, dass wir uns bald nach einem passenden Ladengeschäft in der Innenstadt umgesehen haben”, erzählt Karolin Hertlein, die in Erfurt und Weimar Architektur studiert hat und viele Jahre in der Gastronomie gearbeitet hat.
“Wir kannten viele Leute aus unserem kreativen Netzwerk, die sich mit ihren Designprodukten zeigen wollten und haben schließlich durch einen guten Freund mitbekommen, dass in der Predigerstraße ein Laden frei wird und sofort zugeschlagen”, so die 34-jährige gebürtige Erfurterin. “Der Ort passt zu uns, hier sind wir mit alternativen Läden und Cafés, wie unserem Nachbarn, dem Klara Grün Café oder auch dem Moquadrat sowie Madame Pflegers Seifenlädchen in der Paulstraße in bester Gesellschaft”, fügt Anita hinzu.
Frei kuriertes Sortiment aus handgemachten Designprodukten, Vintage-Kleidung und Spirituosen mit lokalem und nachhaltigem Background
Wir schnappen unsere Taschen und betreten den Laden. Das Interieur überzeugt optisch durch eine spannende Mischung aus Design- und Vintagemöbeln, knalligen Farben und vielen grünen Pflanzen. Die Inneneinrichtung ist durch bunt bemalte Holzkisten und String-Regale modular und flexibel gehaltet, um schnell und unkompliziert neue Produkte zu integrieren. Die Präsentation ist beinah genauso kreativ, wie die Produkte selbst. “Alles ergibt zusammen ein Gesamtbild und vieles, was man hier finden und natürlich kaufen kann, hat mit kreativem Handwerk aus der Region zu tun und ist fair und nachhaltig produziert.
Die Designer, Künstlerinnen, Fotografen und Illustratorinnen, die wir hier ausstellen, kommen aus Weimar, Jena und Erfurt. Ein paar Connections haben wir auch noch zu ehemaligen Thüringern und Thüringerinnen, die mittlerweile in Leipzig oder Berlin wohnen – jedoch haben wir zu allen einen persönlichen Bezug”, erklärt Karolin, während sie uns durch die Sonderausgabe führt. Neben Paper Cut Designs von Künstler Rosi Feist, Illustrationen von MUSCHMOUCHE, dem ILLUMAT Illustrationskalender vom Erfurter Illustrator Stefan Kowalczyk, der gemeinsam mit dem Team des Illustrationsautomaten entstanden ist, finden sich hier feine Spirituosen von der Thüringer Whiskydestillerie Nikolai und Sohn sowie Makramées und stylische Brillenbänder von cuckoo handcraft.
“Das Sortiment ist von uns frei kuratiert und umfasst nur Dinge, die wir selber gut finden und die uns am Herzen liegen. Wie auch zum Beispiel auch das Sortiment an Vintage-Kleidung, die wir extra für unseren Laden auswählen.” Die drei Initiatorinnen von der Kleinen Rampe verfolgen hierbei kein sklavisches Laden-Konzept. Der Ort und die Angebote entwickeln sich “organisch” mit ihnen mit.
Die Stadt lebenswerter machen mit mehr Orten von Locals für Locals
Ein großes Thema ist für alle drei auch die kreative Mitgestaltung ihrer Stadt: “Es gibt so viele Gastronomien und Läden in der Innenstadt, die ausschließlich für die Touristen und Touristinnen existieren. Im Vergleich dazu jedoch nicht viele Orte, die von Erfurtern für Erfurterinnen geschaffen wurden, wie zum Beispiel das Kurhaus Simone von Sebastian Hilgenfeld und Thomas Schmidt am Wenigemarkt in Erfurt. Das sind wichtige Begegnungsstätten, wo Locals zusammenkommen, sich austauschen, Kaffee trinken – so einen Ort wollten wir neben der Kleinen Rampe am Zughafen auch in der Innenstadt erschaffen. Wir wollen unsere Stadt für die Menschen, die darin leben, lebenswerter gestalten”, fasst Anita zusammen, während sich in ihren Augen die Leidenschaft für das, was sie tut, widerspiegelt.
Mittlerweile ist sie Vollzeit für die Projekte der Kleinen Rampe unterwegs und hat ihre Nebentätigkeiten aufgegeben. Es gäbe tolle Flächen im Erfurter Stadtkern, die viel mehr von lokalen Playern besetzt werden sollten. “Die Stadt könnte die besonderen Läden, die eher in den Seitengassen versteckt sind oder vielmehr in die Seitengassen verdrängt werden, durchaus mehr supporten: Mit Hinweisschildern oder alternativen Stadtkarten”, wirft Karolin ein, die sich mit einem neuen frischen Kaffee vom Klara Grün Café wieder dazu gesellt hat. “Wenn es solche Läden bald nicht mehr gibt, gibt es nämlich auch für uns keinen Grund mehr zu bleiben.”
Wir verlassen den Laden, während Judith an der Kasse die Stellung hält. Die Stimmung verändert sich von enthusiastisch zu nachdenklich, während der heiße Kaffee mittlerweile in der herbstlichen Erfurter Nachmittagsluft langsam erkaltet. Gelb-goldene Blätter säumen die ruhige Predigerstraße, immer wieder kommen Bekannte von Judith, Karolin und Anita vorbei, die freundlich grüßen.
Die Krise stärkt einen starken Kollektivgedanken
Als wir fragen, was die Frauen am kreativen Wirken in der Landeshauptstadt spannend finden und was sie hier hält, kommen wir dann noch auf kreative Visionen zu sprechen: “In Berlin oder Leipzig hat so ein Laden keinen Sinn, da es dort schon viele Läden solcher Art gibt. Hier stechen wir mit unserem Konzept heraus und können so den Leuten aus der Region etwas Besonderes bieten”, so Anita. Auch Karolin möchte sich an dem Ort, an dem sie lebt für ein kreatives Miteinander einsetzen: “Wir haben hier keinen Leistungsdruck, wir können uns auf unserer ‘kreativen Spielwiese’ in der Sonderausgabe gut und selbstbestimmt entfalten und Spaß daran haben, was wir tun. Natürlich möchten wir auch mit den Produkten Geld verdienen und haben bereits Ideen, wie wir über den Laden hinaus die Sonderausgabe zu einem Ort der Begegnung machen können. Hierzu sind Events, wie Lesungen oder Weinverkostungen geplant.”
Die Corona-Pandemie hätte ihnen oft den Wind aus den Segeln genommen, so Karolin, aber aufgegeben hätten sie nie. In nächster Zeit sei auch ein Webshop für die Sonderausgabe geplant, um noch mehr Menschen mit ihren besonderen Produkten zu erreichen. “Was uns die Krise gezeigt hat, ist, dass man sich keine Pläne machen, dass sich alles von einen Moment auf den anderen verändern kann. Sie hat aber auch neue Achtsamkeit und einen starken Kollektivgedanken hervorgebracht, der zeigt, dass man mit vereinten Kräften einfach mehr erreichen kann. Zusammen können wir unsere Stadt lebenswerter machen und wir freuen uns über jeden, der Lust hat, uns auf dieser Reise zu begleiten!”
Wir verabschieden uns nach einem kurzen Fotoshooting im Laden von Anita, Judith und Karolin und gehen mit dem Gefühl im Bauch, dass dort in der Predigerstraße noch so einiges an coolen Ideen und Potenzialen für die Landeshauptstadt schlummert.
Kontakt
SONDERAUSGABE
Mo-Fr 12.00-18.00 | Sa 11.00-18.00
Predigerstr.12, 99084 Erfurt
@sonderausgabe.shop
Fotos: THAK
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