Im GeistRaum in Erfurt verbinden sich Technologie und Glauben

Ein Interview mit Medientheologe Karsten Kopjar

Dr. Karsten Kopjar aus Erfurt ist Medientheologe. In seinem täglichen Tun bewegt er sich im Spannungsfeld zwischen Kirche, Gesellschaft und Medienwelten. Mit seinen Expertisen hat er bereits zahlreiche Projekte zum Thema digitale Kirche und Mixed-Reality-Anwendungen umgesetzt. Im Fokus seiner Arbeit stehen stets die Vermittlung von theologischen und geschichtlichen Themen sowie die Auseinandersetzung mit aktuellen Fragestellungen. Mit dem GeistRaum im Loop hat er nun zusammen mit Kreativen und Netzwerkpartner:innen aus Kirche und Theologie einen Experimentierraum für ganzheitlich immersive Erfahrungen in virtuellen Welten initiiert. Wir wollten mehr erfahren.

Fotos: GeistRaum

Dr. Karsten Kopjar aus Erfurt hat im August 2024 das Projekt GeistRaum gestartet.

Karsten, du leitest ein spannendes VR-Projekt im kirchlichen Bereich, das unter dem Namen GeistRaum bekannt ist. Was genau steckt dahinter?

Karsten: GeistRaum ist eine Initiative von Menschen, die glauben, dass virtuelle Realität eine reale Auswirkung auf unsere Gesellschaft haben wird und deshalb darüber nachdenken, wie wir Menschen auf dem Weg in digitale Welten gut begleiten können. Gleichzeitig stellen wir uns ganz ehrlich die Frage, wie Kirche Teil dieser neu entstehenden Realität sein und wie man diese ganzheitlich integrieren kann. Seit August 2024 gestalten wir deshalb mit ein paar festen Mitarbeitenden, einigen Netzwerkpartner:innen und zahlreichen engagierten Mitdenkenden den GeistRaum. Ein Experimentierraum, in dem wir Besucher:innen die Möglichkeit bieten, immersive VR zu erleben, die nicht nur den Verstand anspricht, sondern auch den Körper und die Seele einbezieht. Anders als bei unseren früheren Projekten geht es diesmal darum, das VR-Erlebnis ganzheitlich zu erfassen und die Menschen auf einer tieferen Ebene zu berühren.

Wer ist an diesem Projekt beteiligt?

Unser Team ist sehr vielfältig. Zusammen mit Lutz Zieger, dem Chef vom CVJM, gestalte ich die Veranstaltungen im GeistRaum. Lisa Barouk, unsere Medienpädagogin, bringt ihre Expertise ein und sorgt dafür, dass Kopf, Herz und Hand gleichermaßen angesprochen werden. Außerdem haben wir Lena Schuldt, eine studentische Hilfskraft, die unsere Social-Media-Kanäle betreut und die ich beim Erfurter Medienbarcamp des MENT kennengelernt habe. Ansonsten arbeiten wir eng mit Partner:innen aus verschiedenen Branchen und Bereichen zusammen, darunter die evangelische Jugend in Erfurt, das Institut Spawnpoint der Uni Jena, das Bibellabor in Berlin und die Kreativagentur KIDS interactive aus Erfurt, mit der wir im wertvollen Austausch für VR-Formate sind. 

Was können die Besucher:innen konkret in diesem Raum erleben?

Unsere Angebote sind nicht auf Single-Player-Games beschränkt, sondern fördern vor allem das kollektive Erlebnis. Erste Versuche zu unserem GeistRaum-Projekt starteten wir während des diesjährigen Katholikentags in Erfurt, bei dem wir Besucher:innen die Möglichkeit gaben, sich beim „Gott-Simulator“ DeiSIM auszuprobieren. Hierbei konnten sie über die Macht Gottes und ihre eigene nachdenken und auf diese moderne Art und Weise ihren Glauben hinterfragen. Das Feedback war unglaublich positiv und hat uns nochmal mehr dazu ermutigt, weiterhin innovative Ansätze für die digitale Kirche und das Erleben in der Gemeinschaft zu verfolgen. 

Die Veranstaltungen im GeistRaum sind sehr vielseitig. Jeden Donnerstag von 17.00 bis 19.00 Uhr laden wir Menschen in das Loop ein, das sich im CVJM-Haus neben der Lutherkirche in Erfurt befindet, um dort die Möglichkeiten von VR auszuprobieren. Hier können sie in immersiven Welten auf “spirituelle Suche” gehen, “einfach mal zocken” oder  bei der “Creator Challenge” selbst ins Machen kommen – zum Beispiel indem sie zum Erntedankfest eine digitale Welt bauen, für die sie dankbar sind. Es geht uns darum, die Menschen für die Möglichkeiten der VR-Welten zu sensibilisieren. Ihnen Lust darauf machen, die Technologie auszuprobieren – ohne dabei überfordert zu sein. 

Wir gestalten im GeistRaum zudem gemeinsame Veranstaltungen mit Gästen: Am 29. August kommt beispielsweise Gofi Müller, ein Künstler aus Marburg, der live im VR-Raum zeichnen wird. Mit seiner VR-Aktion wollen wir über Kunst und das schöpferische Tun ins Gespräch kommen. Wir öffnen diesen Raum bewusst für andere, um gemeinsam neue Ideen zu generieren – sei es für Apps, digitale Formate oder speziell etwas Neues für die Kirche. Dabei geht es auch darum, der Kirche Hinweise zu liefern, welche Materialien und Techniken sich in der digitalen Welt etabliert haben und was bei den Menschen gut ankommt. Unser Ziel ist es, das Netzwerk der Kirche zu erweitern, indem wir Kreative und Menschen aus anderen Bereichen einbeziehen.

Das klingt nach einem spannenden Ansatz, der Technologie und Spiritualität noch mehr verbinden könnte. Welche weiteren Pläne habt ihr für die Zukunft des GeistRaums?

In Zukunft möchten wir den Donnerstag als festen VR-Tag anbieten, das Loop als zentralen Ort für die VR-Szene etablieren und unsere Formate kontinuierlich erweitern. Unser Plan ist es, VR in den christlichen Alltag und in die Kirche mehr und mehr zu integrieren. Eine Idee ist beispielsweise ein Format zum Ewigkeitssonntag Ende November, an dem man in einer virtuellen Welt eine Andacht feiert und auch den Toten gedenkt, um Themen wie Tod und Auferstehung durch Gaming eine neue Perspektive zu geben. Zudem planen wir, an den Wochenenden spezielle Veranstaltungen wie Network-Events anzubieten, um Menschen aus unterschiedlichen Bereichen zusammenzubringen. Vor allem an Akteur:innen aus der Kreativwirtschaft sind wir interessiert. Mit ihren Expertisen können wir die digitale Kirche weiter voranbringen und immersive Erlebnisse und Räume schaffen, in denen Menschen nicht nur virtuelle Welten erkunden, sondern auch ihren Glauben – wie auch immer der aussieht –  mit Bezug auf aktuelle Fragestellungen spielerisch ausleben können. Dazu planen wir virtuelle Kunstworkshops oder Konzerte, die in Zusammenarbeit mit Kreativen angeboten werden könnten. Unser Ziel ist es, mit dem GeistRaum einen Erprobungsraum zu schaffen, in dem Menschen mit unterschiedlichen Hintergründen und Interessen zusammenkommen können, um die Möglichkeiten der digitalen Kirche zu erkunden – ohne dass es sich wie ein traditionelles Kirchenprojekt anfühlt. 

„Die Kernkompetenz der Kirche bleibt die Seelsorge, auch in der digitalen Welt. Doch durch kreative Projekte in VR und die Bereitschaft, sich auf Neues einzulassen, kann die Kirche auch in der digitalen Zukunft eine integrative und schöpferische Rolle spielen“

Welche Herausforderungen siehst du bei der Umsetzung des GeistRaums?

Die größte Herausforderung ist es, Menschen zu finden, die bereit sind, sich auf diese neuen Wege einzulassen und die wir fürs Mitwirken begeistern können. Es braucht Leute, die sagen: “Wow, das finde ich so spannend, das möchte ich gerne mitgestalten.“ Die Kirche ist immer integrativ, besonders wenn es um Gemeinschaft und Kreativität geht. Wir können uns vorstellen, dass jemand kommt und sagt, er oder sie möchte ein Format in VR gestalten – vielleicht auch nur für ein paar Monate. Derzeit laden wir die Menschen ein, einfach vorbeizukommen und sich ohne Anmeldung auszuprobieren. 

Wie siehst du die Zukunft der digitalen Kirche und der Nutzung von VR im kirchlichen Kontext?

Die Kernkompetenz der Kirche bleibt die Seelsorge, auch in der digitalen Welt. Doch durch kreative Projekte in VR und die Bereitschaft, sich auf Neues einzulassen, kann die Kirche auch in der digitalen Zukunft eine integrative und schöpferische Rolle spielen. Die Kirche hat während der Pandemie einen enormen Schritt nach vorne gemacht, besonders im Bereich der digitalen Kommunikation. Virtuelle geistliche Gemeinschaften und Zoom-Gottesdienste haben sich schnell entwickelt. In zehn Jahren könnte es ganz normal sein, dass ich von meinem Wohnzimmer aus einen virtuellen Gottesdienst in meiner Heimatdorfkirche besuche – oder dass andere Orte für die digitale Gemeinschaft genutzt werden.

Ich glaube, dass VR und immersive Welten der nächste Schritt in der Evolution der digitalen Kirche sind. Sie bieten uns die Möglichkeit, Veranstaltungen zu schaffen, die die Gläubigen auf eine völlig neue Weise ansprechen und berühren können. Wenn die Kirche heute schon darüber nachdenkt, wie sie morgen in virtuellen Welten präsent sein kann, öffnet sich ein spannender Experimentierraum für neue Möglichkeiten und somit eine größere Reichweite und Teilnahme. Es entsteht eine Verbindung zwischen Tradition und Innovation, die den Glauben lebendig hält und zugleich mit den Bedürfnissen der heutigen Zeit verschmilzt. Erfurt ist der ideale Standort, um diese Vision umzusetzen, und wir sind gespannt darauf, gemeinsam mit unserer Gemeinschaft die Zukunft der Kirche zu gestalten. 


Kommende Veranstaltungen

  • Do, 22.8. – Creator Challenge, 17.00-19.00 Uhr im Loop (Magdeburger Allee 46, Erfurt)
  • Di, 27.8. – Salongespräch der eeb Sachsen-Anhalt, 19.00 Uhr in Magdeburg 
  • Do, 29.8. – Schulterblick ins Kunstatelier, 17.00-19.00 Uhr im Loop (Magdeburger Allee 46, Erfurt)
  • Sa, 31.8. – Workshop „Wie real ist virtuelle Gemeinschaft?“ beim CVJM-Tag, 14.30 Uhr in der Gerberstr. 14a, Erfurt 
  • 19./20. Oktober – Medien-Barcamp, Erfurt 
  • jeden Do – Programme, 17.00-19.00 Uhr im Loop (Magdeburger Allee 46, Erfurt)  

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