Illustratorin und Concept Artist Pauline Voss arbeitet für internationale Firmen wie Marvel, Wizards of the Coast, Netflix, Disney und Sony. Ihre Werke schmücken unter anderem die weltweit bekannten Magic:The Gathering-Karten. Von Thüringen hinaus in die Welt: Wie Pauline den Sprung zur gefragten Illustratorin auf dem internationalen Markt geschafft hat, haben wir die lebhafte Kreativschaffende in ihrem Atelier im Wächterhaus in Erfurt gefragt. Im Gespräch teilt sie ihre Erfahrungen zum Thema Selbstmarketing, dem Umgang mit internationalen Kund:innen und teilt wertvolle persönliche Erfahrungen, die Kreative aus Thüringen für den Schritt in die globale Szene motivieren könnten.

Wie bist du zur Kunst gekommen und wie hat sich dein Weg in die Selbstständigkeit gestaltet?
Ich wollte schon immer “etwas mit Kunst” machen – letztendlich auf eine moderne Art, die Zukunft hat und mit dem verbunden ist, was mich begeistert. Games haben mich schon immer interessiert. Ich denke, daher kommt unter anderem auch der Fantasy-Einschlag in meinen Bildern. Schon als Kind habe ich viel mit meinem Vater gezockt, also entschied ich mich 2009 für ein Game-Design-Studium in Berlin – hier konnte ich meine Leidenschaften verbinden. Als Studentin im damals ersten staatlichen Studiengang dieser Art in Deutschland hatte ich eine sehr experimentelle Zeit mit 3D-Modelling, Informatik, Psychologie und Programmieren. Dort entdeckte ich auch die digitale Kunst für mich: Kunst, die nicht nur in Galerien hängt, sondern in Serien, Games oder als angewandte Kunst genutzt wird und auch Teil meiner eigenen Kindheitsfandoms war. Die Zeit während des Studiums war ein echter Augenöffner für mich. Ich habe das erste Mal mit einem digitalen Grafiktablet gearbeitet – davor hatte ich nur mit Paint rumprobiert. Nach einem Praxissemester bei Deck13 in Frankfurt bin ich als 3D-Generalistin in ein Berliner Start-up eingestiegen. Mein damaliger Chef hat mich extrem gefördert, weil er gesehen hat, dass Concept Art und Illustration voll mein Ding waren und ich das noch weiter ausbauen kann. Dafür bin ich ihm heute noch dankbar.
Als die Firma pleite ging, hab ich mithilfe der Förderung “Gründerzuschuss” der Agentur für Arbeit den Sprung in die Selbstständigkeit gewagt.
Später haben mir Events wie “Playgrounds: The Art Department” in den Niederlanden oder “Lightbox Expo” in Los Angeles in mir Inspirationsexplosionen ausgelöst und mir gezeigt, dass es da draußen einen Platz für mich gibt. Dort traf ich auch die Koryphäen der Szene: Illustrator:innen, Designer:innen, Concept Artists, die Teil meiner Kindheit- und Jugendwelten wie “Disney” oder “The Witcher” waren und habe neue Freundschaften fürs Leben gefunden. Zu der Zeit war ich in Berlin auch regelmäßig Teil der Veranstaltungen von “Drink and Draw“, wo wir uns zum unkonventionellen Aktzeichnen getroffen haben. Das Niveau dort war sehr hoch und durch den Austausch mit den anderen habe ich in kurzer Zeit geschafft ausreichend gut für den Einstieg in die Branche zu werden.
2018 bin ich zurück nach Erfurt. Das war eigentlich nur als Zwischenstation gedacht. Aber ich habe mich verliebt und so bin ich hier geblieben. Bereut habe ich es bis heute nicht – hier habe ich meine eigene Familie gegründet.


Was ist dein Daily Business?
Aktuell bin ich hauptsächlich als Auftragsillustratorin für Disney und Wizards of the Coast unterwegs. Ich illustriere zum Beispiel Karten eines Spiels Namens Magic:The Gathering. Das wurde schon damals zu meiner Schulzeit von den älteren Schüler:innen in der Cafeteria gespielt. Nebenbei entstehen auch digitale Illustrationen für verschiedene Concept Art-Projekte. Ich habe auch viel in Studios für Film- und Serienproduktionen gearbeitet – vor allem für PC-Games und Animationsserien, Umgebungen, Charaktere und Requisiten entworfen und an der gesamten Ästhetik der Welten mitgearbeitet. Momentan arbeite ich an einem Ausmalbuch für Erwachsene – ich liebe das Konzept, denn, was es so auf dem Markt gibt hat ästhetisch oftmals noch Luft nach oben.
Meine Kund:innen kommen übrigens vor allem aus Großbritannien, Australien und den USA. Die meisten meiner Auftraggebenden finden mich über Social Media, aber kommen auch durch persönliche Empfehlungen oder frühere Begegnungen auf Events auf mich zu. Manchmal generiere ich Aufträge über befreundete Kolleg:innen.

Welche Tipps hast du für Kreative, die von Thüringen aus international arbeiten möchten?
Es ist wichtig seine eigene Bubble zu finden, in der man sich wohl fühlt, wo man zwischen Leuten ist, die mit einem matchen: im Wesen, in der Denkweise, in den Ambitionen. Das muss aber nicht immer vor Ort sein.
Das, was absolut mein Leben verändert hat und auch maßgeblich meinen Weg geprägt hat, war das Besuchen von Workshops, Konferenzen und Events meiner Branche, denn genau dort findet man Menschen, die einen weiterbringen, total konzentriert auf einem Fleck. Dieses sogenannte „Networking“ ist nicht zu unterschätzen, aber nicht nur, um beruflich weiterzukommen, sondern für die Mehrwerte des echten Austauschs. Hieraus ergeben sich neue Möglichkeiten eröffnen, zum Beispiel für gemeinsame Projekte oder gegenseitige Empfehlungen.
“Es ist wichtig seine eigene Bubble zu finden, in der man sich wohl fühlt, wo man zwischen Leuten ist, die mit einem matchen im Wesen, in der Denkweise, in den Ambitionen”


Ein anderer wichtiger Aspekt von diesen Events sind natürlich auch die Weiterbildungsmöglichkeiten. Ganz konkret: das Erlernen neuer Techniken und frischer Input durch Portfolio-Feedback-Gespräche. Daneben gibt es so viele Angebote da draußen, die inzwischen bezahlbar sind. Niemand muss heutzutage noch 60.000 € für einen privaten Studiengang irgendwo bezahlen, der einem nichts garantiert. YouTube-Tutorials for free, günstige Kurse von Plattformen wie Skillshare oder Cubebrush, Online Schools wie Schoolism, kann ich sehr empfehlen.
Etwas, das meiner Meinung nach ebenfalls auf dem Weg zum Erfolg und in Zeiten des ständigen und rasanten Wandels entscheidend ist, ist die eigene künstlerische Stimme zu finden. Als ich angefangen habe, habe ich schnell bemerkt, dass es zwei grundsätzliche Ansätze gibt: Da waren zum einen die Künstler:innen, die sich darauf spezialisiert haben, möglichst viele verschiedene Stile zu imitieren und diese auch in ihrem Portfolio anzubieten. Und dann gab es diejenigen, die gezielt ihren eigenen Stil entwickelt und damit eine klare Marke aufgebaut haben.
Die erste Gruppe wurde – wenn überhaupt – von kleineren Studios engagiert, die zum Beispiel ein Spiel herausbringen wollten, das aussieht wie Fortnite. Sie haben dann gezielt Leute gesucht, die genau diesen Stil kopieren können – quasi als Copycats. Das Problem: Genau diese Künstler:innen waren die ersten, die ihre Jobs an die KI verloren haben.
Die zweite Gruppe war mutiger. Sie haben bewusst Aufträge abgelehnt, die nicht zu ihrer künstlerischen Vision passten, und ihr Portfolio ausschließlich mit Arbeiten gefüllt, die sie wirklich machen wollten. Sie haben sich dadurch Wiedererkennungswert geschaffen und sich unersetzlich gemacht.

Wie läuft dein kreativer Prozess ab?
Übliche Aufträge von Firmen enthalten oft ein sehr detailliertes Briefing – da geht es darum, eine klare Vorstellung umzusetzen. Aber wenn es um größere Projekte geht, in denen ganze Welten entstehen, ist es ein kreatives Ping-Pong zwischen mir und dem Team. Da gibt es viel mehr Raum für eigene Ideen, spielerisches Experimentieren und Recherche. In dem Erschaffen neuer Welten gehe ich voll und ganz auf. Über die Jahre habe ich mir eine riesige digitale Inspirationsbibliothek aufgebaut – voll mit Fotos, Texturen, Texten, Musik, Skizzen und Referenzen, die ich jederzeit abrufen kann. Das hilft mir enorm, mich zu motivieren. Aber sobald ich für eine freie Ausstellung arbeite, wie jetzt gerade, merke ich, dass mich kreative Blockaden stärker treffen. Es hängt sehr viel für mich an diesen Arbeiten, emotional und ideell. Da ist es dann auf einmal sehr schwierig für mich, direkt die richtige visuelle Übersetzung meiner gefühlten Wahrheiten zu finden.
Ich würde mich übrigens freuen, wenn Interessierte zur Vernissage vorbeikommen – die Gruppenausstellung “Siehst Du Dich?” mit Kathi Böttcher, Eliza Roth, Franziska Waldner und mir, wird am 7. März, ab 20.00 Uhr im Kurhaus Simone in Erfurt eröffnet.
Wo findest du sonst noch Inspiration?
Inspiration finde ich oft in meiner eigenen Nostalgie – vor allem aus meiner Kindheit und Jugend. Von der kleinen Meerjungfrau von Sulamith Wülfing, über Sailor Moon, Herr der Ringe, Donnie Darko, natürlich Disney, Barbie, Ville Valo und Björk hat mich vieles geprägt und das spiegelt sich bis heute in meinen Bilderwelten wider. Auch andere zeitgenössische Künstler:innen begeistern mich oft mit neuen Sichtweisen, beispielsweise Olya Bossak (Reykat), Valentina Remenar oder Raman Djafari bewundere ich sehr.
Was mich auch antreibt ist der persönliche, tägliche Austausch mit Freund:innen und Kolleg:innen. Mit dem Erfurter Illustrator Stefan Kowalczyk, der auch im Wächterhaus arbeitet, tausche ich mich oft über Gott und die Welt aus. Auch Kathi Böttcher, mit der ich mir mein Studio teile, ist durch ihre mitreißende Initiative (wie die momentane Gruppenausstellung) ein wichtiger Teil meiner Community.

Wie siehst du die Zukunft deiner Branche mit KI?
Ich halte nichts von Verschwörungstheorien, aber wenn man betrachtet, was Fachleute über KI sagen, wird deutlich: Sie wird unser Leben nachhaltig in Weisen verändern, die wir uns jetzt noch gar nicht ausmalen können – das wird nicht nur die Kreativszene betreffen, sondern alle Lebensbereiche.
Sie hat seither in der Kreativbranche große Unruhe ausgelöst. Zahlreiche Menschen haben bereits ihre Jobs verloren. Zudem existiert eine Liste von Künstler:innen, deren Werke ohne Zustimmung für das KI-Training verwendet wurden – ich stand auch auf dieser Liste. Viele empfinden das als Diebstahl und das völlig zu Recht. Deshalb ist daraus auch der bisher größte Rechtsstreit in Kalifornien entstanden, mit Karla Ortiz, Sarah Andersen und Kelly McKernan an der Front.
Wenn vielleicht irgendwann alles, das wir im Alltag nutzen und anfassen, künstlich generiert ist, ist es das Menschliche, das wieder viel mehr an Wert gewinnen wird. Davon bin ich fest überzeugt und dran halte ich mich auch fest in Momenten des Zweifels. In dieser Hoffnung begründet sich auch ein Teil meiner Ruhe im Umgang mit dem Thema KI. Die andere Quelle meiner Gelassenheit ist auch eine gehörige Portion Ignoranz – ich habe für mich herausgefunden, dass es für die mentale Gesundheit unglaublich wichtig ist, die Beschallung um die Geschehnisse in der Welt mal zeitweise auszuschalten.
“In einer Zeit, in der uns die Kontrolle augenscheinlich völlig entgleitet und in der die Zukunft auf künstliche Intelligenz geeicht zu sein scheint, sind es die menschlichen Werte, die am Ende das sind, was uns bleibt und uns sogar zu etwas Besonderem machen”

Was sind deine langfristigen Ziele?
Langfristig ist es mein Traum, meine eigenen Visionen umzusetzen – meine eigene IP (Intellectual Property) zu erschaffen, meine eigene Geschichte in Wort und Bild zu erzählen. Science-Fiction, düstere Welten, fantastische Elemente – etwas, das greifbar wird. Jede Person, mit der ich gesprochen habe, die lange in der Branche arbeitet und für andere Ideen umsetzt, kommt irgendwann an diesen Punkt: Man will etwas Eigenes schaffen. Das ist nicht nur ein kreatives Bedürfnis, sondern auch wichtig für die mentale Gesundheit. Viele Künstler:innen kämpfen mit dem Imposter-Syndrom, diesem Gefühl, ein:e Hochstapler:in zu sein, der eigentlich nichts kann. Regelmäßig für sich selbst zu zeichnen, seine eigenen Projekte zu verfolgen, kann helfen, dieses Gefühl zu durchbrechen, hab ich neulich gelesen. Mut zur Authentizität ist meiner Meinung nach das Gegenmittel und das gezielte Suchen danach ist manchmal sehr schwer. Mehr machen, weniger denken.
Kontakt
skadivore@gmail.com
Instagram: @skadivore
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