Gemüseanbau auf ungenutzten Stadtflächen

Erfurts Stadtgemüsefarm

Immer mehr Menschen ziehen in Städte und städtische Flächen werden immer knapper. Gleichzeitig steigt der Bedarf nach frischen und regional angebauten Lebensmitteln. Dabei bleiben viele urbane Flächen, vor allem Flachdächer, ungenutzt, wovon allein im vergangenen Jahr in Deutschland 80.000.000 m² neu errichtet wurden. Hierin steckt laut Gründerin Anna Meincke riesiges Potenzial: Diese ungenutzten Flächen auf Dächern, aber auch Brachflächen in Städten, könnten dank ihres Start-ups Dachgemüse für den Gemüseanbau genutzt werden, um die Lebensmittelproduktion wieder dorthin zu bringen, wo die Lebensmittel auch verbraucht werden. Im Sommer 2021 ist die gebürtige Erfurterin mit ihrem Business gestartet. Anna möchte neben der Förderung des lokalen Gemüseanbaus und der Aufwertung durch die damit einhergehende Begrünung von Städten auch mittels Workshops für die Potenziale des Urban Gardenings auf Dächern, Balkonen oder dem häuslichen Fensterbrett in der Mietwohnung sensibilisieren.

Foto: Susan Schaper

Wie kam es zur Gründung von Dachgemüse?

Nach dem Studium verschlug es mich ins Ruhrgebiet, wo ich einige Jahre für thyssenkrupp in Duisburg arbeitete. Während dieser Zeit wohnte ich unter anderem in einer kleinen 2-Zimmer-Mietwohnung. Der einzige Vorteil: Eine 40 Quadratmeter große Dachterrasse. Da ich keinen eigenen Garten hatte, beschloss ich kurzerhand, mir dort mein eigenes Gartenparadies zu schaffen. Ich stellte die Dachterrasse mit Kübeln voll, in denen ich Gemüse anbaute. Davon machte ich Fotos und berichtete darüber auf meinem Blog.

Da mir durch meine Familie grünes Blut in den Adern fließt – meine Mutter ist Floristin und meine Großeltern Gärtner – kannte ich mich mit dem Anbau und der Pflege gut aus. Das Wissen teilte ich mit meiner kleinen Community, die schnell anwuchs. Ich bekam viel positive Resonanz, sogar ein TV-Sender fragte mich wegen eines Berichts an, und meine Followerzahl auf Instagram wuchs auf zweitausend an. Bis ich mich entschloss, mich mit Dachgemüse selbstständig zu machen, vergingen fünf Jahre. Nun habe ich mein Hobby seit Juli 2021 zum Beruf gemacht und bin vergangenes Jahr wieder in meine Heimat Erfurt zurückgekehrt.

„Da mir durch meine Familie grünes Blut in den Adern fließt, kannte ich mich mit dem Anbau und der Pflege gut aus“

Was ist Dachgemüse?

Dachgemüse besteht aus drei Säulen: da ist zum einen der Online-Shop, auf dem ich Saatgut und Jungpflanzen an urbane Hobbygärtner und -gärtnerinnen verkaufe und zum anderen die Wissensvermittlung rund ums Thema Urban Gardening. Hierzu gibt es Beiträge auf meinem Blog, aber auch Workshops für Interessierte im B2B- und B2C-Bereich. So konnte ich beispielsweise auf der diesjährigen BuGa in Erfurt Workshops für Besucher und Besucherinnen abhalten.

In Zukunft möchte ich für kleinere Gruppen Kurse anbieten, in denen man alte und regionale Gemüsesorten kennen lernt, mehr über den Anbau erfährt und gemeinsam eigene Balkonkästen oder Kübel bepflanzt. Die dritte Säule besteht aus urbanen Projekten mit der Aufwertung und Umnutzung von Dächern und ungenutzten Brachflächen in Form von Stadtgemüsefarmen.

Warum sind derartige urbane Projekte nachhaltig und was nützen sie dem urbanen Raum?

Die Städte müssen in Zukunft grüner werden und dafür sollten wir ungenutzte Flächen nutzbar machen. Urbane Grünflächen haben durch ihre klimatisierende Wirkung den Vorteil, die Überhitzung der Städte im Sommer zu reduzieren. Zudem verbessern sie die Luft und wirken bei Starkregen wie ein Schwamm. Hinzu kommt: Circa 60% des Gemüses, das wir in Deutschland essen, stammt nicht aus Deutschland, sondern wird mit viel Umweltbelastung und Ressourcenverschwendung in anderen europäischen Ländern angebaut und hierher transportiert.

„Die Städte müssen in Zukunft grüner werden und dafür sollten wir ungenutzte Flächen nutzbar machen“

Durch Urban Gardening erhält man nachhaltige und lokale Lebensmittel, die nicht nur keine tausende von Kilometern unterwegs waren, sondern die auch noch besser schmecken. Ein wichtiger Aspekt ist auch ein ästhetischer und sozialer: Durch die Bepflanzung von Brach- und Dachflächen kann ich eine Stadt nachhaltig und optisch aufwerten und sie lebenswerter machen. Flachdächer müssen aus baulicher Sicht sowieso begrünt werden – dafür nimmt man meist pflegeleichte Pflanzen, wie Sedumarten oder Gräser. Die erfüllen zwar auch den Zweck das Stadtklima zu verbessern, aber wieso sollte man nicht zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen und essbare Pflanzen anbauen?

Rooftopfarm Copenhagen

Welche Projekte möchtest du speziell für Erfurt umsetzen?

Derzeit arbeite ich an einem Konzept für die Nutzung eines alten Gleisbettes am Erfurter Kontor im Norden der Stadt. Geplant ist für Anfang kommenden Jahres die Entwicklung einer Stadtgemüsefarm mit einer Größe von 1500 Quadratmetern im Hinterhof des Kreativortes. Ziel ist es, den Ort für den Gemüseanbau nutzbar zu machen und Gemüseboxen für Erfurter und Erfurterinnen anzubieten. Um meine Vision Wirklichkeit werden zu lassen, bin ich noch auf Unterstützer und Unterstützerinnen meiner Crowdfunding-Kampagne bei Startnext angewiesen, die noch bis zum 9. Dezember läuft.

Gleisbett am Erfurter Kontor

Dein Interview auf unserer Webseite?

Kontaktiere mich!

Nina Palme

Kommunikation

0151 / 1290 4638

Das könnte dir auch gefallen:

Entwicklungspotenziale mit und für Regionen erkennen und freisetzen

Im Interview mit Hannes Trettin von Herofounders

Im Portrait: Room 26

Ein Gespräch mit Berit Grosswendt

Goethe-Erlebnisweg

Mit dem Thema der liebe auf einer Reise zu sich selbst
Cookie Consent Banner von Real Cookie Banner