Music Women* Thüringen will Musik-Frauen* aus den Bereichen Business, Art, Media und Tech in der Musikszene in Thüringen vernetzen und unterstützen. Durch Networking-Events, Lesungen, Konzerte und Initiativen, fördern die Organisator:innen eine diverse und inklusive Musikszene, in der FLINTA* in allen Bereichen vertreten sind und ihre Karrieren vorantreiben können. FLINTA* steht für Frauen, Lesben, intersexuelle, nicht-binäre, trans und agender Personen. Der Stern soll laut Music Women* Thüringen auch Personen darüber hinaus einbeziehen, die ebenfalls “aufgrund ihrer Geschlechtsidentität in einer patriarchalen heteronormativen Mehrheitsgesellschaft benachteiligt werden.” Wir haben uns mit Kultur- und Projektmanagerin Anna-Lena Öhmann von Music Women* Thüringen zum Interview verabredet und mehr über ihre Arbeit im Netzwerk, Ziele und über das im Mai geplante feministische Forum “WELLEMACHEN” für die Musikbranche in Mitteldeutschland erfahren.
Worauf liegt der Fokus der Arbeit von Music Women* Thüringen?
Der Fokus unserer Arbeit liegt auf den Themen Gleichberechtigung und Vielfalt, Gemeinschaft und Netzwerk sowie Sichtbarkeit und Teilhabe. In diesem Rahmen bieten wir regelmäßige Treffen, Konzerte und Sensibilisierungsformate an. Wir wollen FLINTA* ermutigen, sich gegenseitig zu unterstützen und zusammenzuarbeiten, um gemeinsam eine starke und erfolgreiche Musikszene in Thüringen aufzubauen. Unser Ziel ist es, eine Zukunft zu schaffen, in der FLINTA* in allen Bereichen der Thüringer Musikszene selbstverständlich vertreten sind. Die Musikbranche hat das Potenzial nachhaltig vielfältiger zu werden, was sich positiv auf die Qualität der Branche und auch auf gesamtgesellschaftliche Strukturen auswirken wird.
Wie ist das Netzwerk entstanden?
Das Thüringer Netzwerk bildete sich auf Grundlage des Bundesverband Music Women* Germany mit dem Wunsch, das Thema Gleichberechtigung in der Musikbranche und generell in der Gesellschaft sichtbarer zu machen. Music Women* Thüringen wurde im vergangenen Jahr als 10. Ländernetzwerk der bundesweiten Bewegung gegründet.
„Musikschaffende haben die Möglichkeit, durch ihre Kunst das Bewusstsein für diese wichtigen Anliegen zu schärfen. Bekannte Künstlerinnen wie Beyonce und Taylor Swift können ihre Stimme nutzen, um politische Meinungen zu formen und gesellschaftliche Veränderungen anzustoßen. Sie dienen als Vorbilder in der Popkultur und inspirieren junge FLINTA*, selbstbewusst ihre Träume zu verfolgen“
Wie bist du zum Netzwerk gekommen?
Als Kulturmanagerin in Weimar bin ich seit nunmehr sieben Jahren Teil dieser inspirierenden Stadt und der hiesigen Kultur- und Musikbranche. Eine besondere Rolle spielt dabei meine langjährige Mitgliedschaft bei der diePOP. Seit mittlerweile sechs Jahren engagiere ich mich dort und organisiere unterschiedliche Formate für Nachwuchskünstler:innen im Bereich Rock, Pop und Jazz. Die Musikbranche ist ein Bereich, in dem ich besonders viele Herausforderungen im Bereich der Gleichberechtigung sehe. Als Frau in dieser Branche komme ich nicht umhin, mich damit schon seit geraumer Zeit intensiv auseinanderzusetzen. Umso mehr hat es mich gefreut, als mich vor anderthalb Jahren die Singer-Songwriterin Alin Coen auf dem Krämerbrückenfest 2022 in Erfurt ansprach und mich bat, das Bundesnetzwerk Music Women* Germany nach Thüringen zu erweitern. Daraufhin habe ich den Bundesverband kontaktiert und begonnen vor Ort mit Interessierten zu sprechen. Seit über einem Jahr setze ich mich nun aktiv dafür ein, hier ein starkes Netzwerk aufzubauen und FLINTA* eine Plattform zum Austausch zu bieten. Zusammen können wir eine starke Stimme für die Gleichberechtigung in der Musikbranche sein und Veränderungen bewirken. Ich bin stolz darauf, Teil dieser Vision zu sein.
Was hat es mit dem feministischen Forum “WELLEMACHEN” auf sich und was ist geplant?
Wir arbeiten eng mit dem sächsischen Verein Music Women* Sachsen zusammen und sind regelmäßig im Austausch. Darüber hinaus planen wir gemeinsame Veranstaltungsformate, um so viele Menschen wie möglich im mitteldeutschen Raum mit unseren Inhalten zu erreichen. Im Rahmen unserer Zusammenarbeit ist das feministische Forum „WELLEMACHEN” entstanden. Diese Veranstaltung soll nicht nur für FLINTA* zugänglich sein, sondern soll auch interessierte Musiker:innen, Veranstalter:innen und Institutionen ansprechen. Wir planen hierbei ein facettenreiches Programm am 25. Mai im Lichthauskino Weimar. An diesem Tag werden wir die Chancen beleuchten und diskutieren, die der Feminismus für eine gerechte und vielfältige Musikbranche birgt. Ab 14.00 Uhr gibt es dazu Workshops, Konzerte, eine Lesung, eine Ausstellung und ein Forum zum Mitmachen. Teilnehmer:innen können in einem Workshop mit der Politologin Lisa Yashodhara Haller herausfinden, wie die kapitalistische Wirtschaft soziale Strukturen und Geschlechterverhältnisse formt. Dabei wird auch betrachtet, zu welchen Konflikten das führt und mit welchen Strategien sie überwunden werden können.
Ein Highlight ist die Lesung mit der Journalistin Lena Kampf zu ihrem Buch “Row Zero – Gewalt und Machtmissbrauch in der Musikbranche“, das sie gemeinsam mit Daniel Drepper geschrieben hat. Im Gespräch mit der Journalistin Juliane Streich wird sie ergründen, welche Strukturen Machtmissbrauch in der Musik begünstigen, wie die Recherchen zu dem Thema liefen und was sich seit den Vorwürfen um Rammstein-Frontmann Till Lindemann in der Branche getan hat. Die Live-Acts Karl die Große und Deslin Ami Kaba werden im gemütlichen Garten des Lichthauskinos am Nachmittag und am Abend ihre Musik präsentieren. Daneben können sich die Gäste ganztägig in kleiner Runde mit spannenden Persönlichkeiten aus Politik und Musik vernetzen und die Ausstellung zu musicmetoo.de erkunden. Auch wir von Women* Music Thüringen und Music Women* Sachsen möchten mit den Besucher:innen ins Gespräch kommen und ihnen unsere Arbeit näherbringen. Unser Engagement ist zum Großteil ehrenamtlich und zum Teil auch gefördert. Daher fließen die Einnahmen von “WELLEMACHEN” in unsere aktivistische Arbeit.
Welche Verantwortung hat die Musikbranche im Hinblick auf eine gleichberechtigte Gesellschaft?
Eine große. Musikschaffende haben die Möglichkeit, durch ihre Kunst das Bewusstsein für diese wichtigen Anliegen zu schärfen. Bekannte Künstlerinnen wie Beyonce und Taylor Swift können ihre Stimme nutzen, um politische Meinungen zu formen und gesellschaftliche Veränderungen anzustoßen. Sie dienen als Vorbilder in der Popkultur und inspirieren junge FLINTA*, selbstbewusst ihre Träume zu verfolgen. Musik hat darüber hinaus eine einzigartige Kraft, Menschen auf einer tieferen Ebene zu verbinden. Sie kann Emotionen ausdrücken, die mit Worten oft nicht greifbar sind. Klänge sind überall präsent und begleiten uns von Geburt an und sie können von jedem Menschen wahrgenommen werden. Leider wird die Macht der Musik in den vielen Bereichen der Musikbranche missbräuchlich genutzt: Künstler:innen befinden sich noch viel zu oft in finanziellen und persönlichen Abhängigkeiten und können selten auf die gleiche Gage und Sichtbarkeit hoffen wie die männlichen Kollegen. Auf Festivals spielen im Schnitt nur 20% FLINTA* wie die Studie “Gender in Music” offenlegt. Veranstalter:innen buchen nur selten paritätisch.
Die Musikbranche ist sich oft nicht bewusst, dass FLINTA* und andere Minderheiten in der Branche diskriminiert werden. Daher ist es wichtig, dass alle Menschen die gleichen Chancen und Möglichkeiten erhalten. Nur so kann die Branche wirklich gerecht und vielfältig werden. Awareness-Programme und Sensibilisierung sind entscheidende Werkzeuge, um auf Missstände vor, auf und hinter der Bühne aufmerksam zu machen und Veränderungen herbeizuführen.
Wie sähe für dich ein Blick in eine Zauberkugel aus, in der es eine gleichberechtigte Musikbranche gibt?
Ich finde es schwierig, diese Frage zu beantworten, aber ich werde es versuchen. Ich träume davon, dass wir eine Branche schaffen, in der alle Menschen Musikerlebnisse genießen und als sicher erleben können, in der FLINTA* die gleichen Chancen und Möglichkeiten haben wie cis-Männer, in der sie sichtbarer sind und die gleiche Anerkennung und Wertschätzung erhalten wie ihre männlichen Kollegen. Wir sind uns sicher, dass die Nachwuchsgeneration nach dieser Vielfalt verlangt und es liegt an uns allen, entsprechende Künstler:innen zu fördern und ihnen eine Plattform zu bieten. Ich wünsche mir, dass die Schönheit der Musik und ihre Macht in einer Branche der Zukunft zum Ausdruck kommt und dort alle Menschen gleichermaßen vertreten sind. Wie das konkret am Ende aussieht, bleibt spannend, aber ich freue mich darauf, mich weiterhin aktiv dafür einzusetzen.
Anna-Lena Öhmann ist seit über 10 Jahren als Kultur- und Projektmanagerin in den Bereichen Organisation, Projektleitung, Kommunikation und Budgetverwaltung tätig und Teil der rheinischen und Thüringer Kulturszene – zuletzt bei der BUGA Erfurt 2021 und dem Kunstfest Weimar und aktuell in der Kulturdirektion Weimar. Das Studium an der Weimarer Hochschule für Musik FRANZ LISZT führte sie 2017 nach Mitteldeutschland und seitdem plant sie dort Konzertreihen, Partys, Festivals und Tagungen – u.a. als Teil der Musikinitiative diePOP und seit 2023 auch als Mit-Gründerin von Music Women* Thüringen.
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