Der facettenreiche Alltag im Thüringer Fachverlag

Im Interview mit Juliane Keith

Seit September 2020 ist Juliane Keith geschäftsführende Gesellschafterin des Fachverlag Thüringen, der im Kerngeschäft derzeit drei Titel verlegt – Wirtschaftsspiegel, WiYou.de und Karriereheimat. Wie gestaltet sich der Alltag in einem Verlag, wie ergeben sich passende Inhalte und wie wichtig ist der Vertrieb eines Magazins? Wir haben die Nachfolgerin des Verlagsgründers Jürgen Meier zum Interview getroffen und mehr über das Arbeiten in einem Medienunternehmen erfahren.

Wie gestaltete sich dein persönlicher Werdegang bis zur geschäftsführenden Gesellschafterin des Thüringer Fachverlags?

Ich habe immer mit Menschen gearbeitet. Ich startete meine Ausbildung in der Hilton Gruppe, habe schnell den Weg in die Selbstständigkeit gesucht und eine Brasserie & Bar eröffnet, die fünf Jahre der junge Szenetreffpunkt in einer Altstadt von Arnstadt war. Es waren verrückte Jahre mit viel Arbeit, vielfältigen Veranstaltungen, edlen Caterings, viel Musik und langen Nächten – ein Job, den man nicht ewig machen kann. 

Deshalb hing ich die Gastronomie an den Nagel und begann ein Betriebswirtschaftsstudium, mit dem ich die kaufmännische Leitung der Galerie „Feine Thüringer Art“ des ehemaligen Thüringer Innenministers Willibald Böck übernehmen konnte. In der Galerie lernte ich unwesentlich später den Verlagsgründer Jürgen Meier kennen. Ich war eine der ersten Personen, die im März 2005 den ersten Wirtschaftsspiegel Thüringen in die Hände bekam. Das hat mich fasziniert. Aus unterschiedlichen lokalen Unternehmungen Nachrichten, Wissen und Entwicklungen in ein Magazin gegossen, ergab einen vollkommen neuen Blickwinkel auf unsere Wirtschaftsregion. Sowas gab es bis dato nicht. Da wollte ich dabei sein.

„Als Nachfolgerin des Verlagsgründers Jürgen Meier trage ich die Gesamtverantwortung für das Medienunternehmen“

Juliane Keith als Nachfolgerin des Verlagsgründers Jürgen Meier.

Was ist der Wirtschaftsspiegel und welche Themen beinhaltet dieser?

Der Wirtschaftsspiegel ist heute ein Wirtschaftsmagazin, das über die Berichterstattung zu Forschung und Entwicklung, Innovationen, aber auch Unternehmens- und Standortentwicklung die Menschen in Wirtschaft, Wissenschaft und Politik informiert und vernetzt. „Wir schaffen Verbindungen.“ – das ist der Claim seit Tag eins. 

Der Wirtschaftsspiegel berichtet über wertstromoptimierte Produktionslösungen, neue Geschäftsmodelle in einem sich ändernden Wertschöpfungskreislauf, das weite Feld der an die heutige Arbeitskräftesituation angepassten Arbeitswelten. Der Fokus liegt aktuell auf den Menschen im Mittelpunkt der Unternehmen, antriebsoffenen Mobilitäts- und Logistiklösungen aber auch die Berichterstattung über Hidden Champions und die Erfolgsgeschichten im Hintergrund sind fester Bestandteil. Deshalb ergänzen wir heute: „Wir schaffen Sichtbarkeit.“ 

Was bedeutet es, ein Magazin zu leiten? Wie ergeben sich die Inhalte?

Dafür müsste ich zunächst einen Schritt zurückgehen: Im Zuge des Nachfolgeregelung haben wir redaktionelle Leitlinien auf Basis des Pressekodexes für unsere Titel entwickelt und festgeschrieben. Will sagen, dass wir eine klare Trennung zwischen kaufmännischer und redaktioneller Verantwortung im Unternehmen leben. Die Chefredaktion, in unserem Fall Torsten Laudien für den Wirtschaftsspiegel und Sandra Böhm für die WiYou.de, bestimmt die Themen und Inhalte, verantwortet die Berichterstattung, die das Redaktionsteam erarbeitet. Als Herausgeberin habe ich ein Vorschlagsrecht. Wir haben das gesamte Medienhaus so umgebaut, dass alle – vom Azubi bis zur Chefin – Nachrichten oder Informationen an die Redaktion herantragen dürfen – die Mitarbeitenden dort wählen im Sinne des jeweiligen Titels die Inhalte aus.

Die Inhalte selbst ergeben sich zum einen aus dem, was in Thüringen und den angrenzenden Regionen passiert und dem, was die Leser:innen interessiert. Forschungsergebnisse, Projektstarts- oder -ergebnisse, Handlungsempfehlungen für die täglichen Herausforderungen in Unternehmen, Einblicke in die Produktion, zahlenmäßige Entwicklungen im Mittelstand, Unternehmensübernahmen, -aufgaben, Fusionen oder neue Entscheidungspersonen. Wettbewerbe im Innovations- oder Gründungsökosystem sind immer ein schöner Anlass zur Berichterstattung, auch das Vorstellen neuer Gründungen. Zum anderen bringen wir über Fachbeiträge von Expert:innen Wissen und Impulse aus Hochschulen oder Unternehmen anderer Regionen ein – um die hiesigen Leser:innen zu informieren. Nicht zuletzt stellen wir lokale Wirtschaftskerne vor und informieren darüber, welche Kompetenzen, Produkte und Leistungen in der „Nachbarschaft“ entstehen – hier sehen wir immer wieder erstaunt, dass viele wissen, was aus Übersee kommt, aber nicht was der Nachbar/die Nachbarin produziert. Im Sinne von Nachhaltigkeit und verlässlichen Lieferketten ein wichtiger Fakt. 

Derzeit erweitern wir unseren Verbreitungskanal um die Zielgruppe von Fach- und Arbeitskräften, aber auch Absolvierenden von Fach-, Hochschulen oder Universitäten. Wir gehen aktiv auf Personalmessen und Firmenkontaktbörsen und informieren die Interessierten zum Berufsein- oder umstieg. Der Zuspruch ist groß, denn mit unserer Berichterstattung werden die Menschen auf Unternehmen aufmerksam, die sie vorher nicht kannten. Nicht wenige, die verblüfft sind, was Thüringer Unternehmen zu leisten im Stande sind.              

   

Wie gestaltet sich der Alltag in einer Redaktion?

Oh, das kann ich nicht beantworten. Ich habe natürlich Einblicke in die Tätigkeiten der Redakteur:innen, ob fest oder freischaffend, der Fotograf:innen und in das Zusammenspiel mit den Kommunikationsmitarbeitenden wie PR-Texter:innen oder Content Manager:innen. An den Schnittstellen, in Redaktionskonferenzen und während der Magazin- oder Onlineplanung, bekomme ich meist organisatorische Informationen mit. 

Aber ehrlich? Ich liebe es mit Menschen zu arbeiten und beobachte sie beim Brainstormen, Konzipieren, Interviews führen, auch mal beim „laut vor sich hindenkenden Überschriften finden“ oder beim kreativen Laufen durch den Studiopark. Manchmal braucht es auch einen guten Kaffee und einen Zuhörer/eine Zuhörerin, um klar formulieren zu können – dann bin ich gern zur Stelle. 

Was ist wichtig, um ein Magazin bekannt zu machen?

Zunächst erst einmal ein gutes Magazin an sich. Qualitätsjournalismus, exklusive Interviews, reduziertes, ansprechendes Design, zertifiziertes Papier aus nachhaltigem Anbau. Gutes Storytelling über die Onlineplattformen, gezieltes, seriöses Management der Formate auf den Websites in enger Abstimmung mit exklusiven Printinhalten. Die Magazine sind ja keine reinen Druckausgaben mehr – obgleich es sie auf absehbare Zeit weiterhin geben wird. Wir bieten unseren Leser:innen die Wahlmöglichkeit von Heft über ePaper bis LinkedIn-Kanal. In einer der letzten Umfragen haben wir altersunabhängig festgestellt, dass alle Formate ihre Berechtigung haben. Wir lassen die Leserschaft entscheiden, wie, wo und wann sie unsere Inhalte aufnehmen und teilen.  

Um die Marke, den Namen, den Bekanntheitsgrad des Titels und seine Reichweiten zu stärken arbeiten wir multimedial, bleiben dabei aber authentisch. Keine Abo-Aktionen oder Gratislesewochen. Wir punkten mit guten Geschichten und sind vor Ort. Mit mittlerweile über 30 Eventpartnerschaften stehen wir für echte Kommunikation – im beiderseitigen Interesse. So supporten wir Wettbewerbe, Foren, Kongresse und Messen in ganz Mitteldeutschland. Vor wenigen Wochen hatte wir unsere Premiere: gemeinsam mit weiteren Unternehmerinnen und Führungspersönlichkeiten haben wir unsere erste eigene Konferenz ausgerichtet: die Future Leadership Conference Anfang Juli in Erfurt.

Aftermovie Future Leadership Conference 2023 (Quelle: YouTube)

Wir konnten Bestsellerautorin Fränzi Kühne und Future Leadership Vordenkerin Constanze Buchheim als Impulsgeberinnen gewinnen und organisierten einen starken Tag voller Impulse und Wissenstransfer aus den Bereichen Digitalisierung, Interkulturelles Management, agile Arbeitsgeber:innen, Gründen und Nachfolgen. Zum Thema Finanzen konnten wir Astrid Zehbe und Daniela Meyer vom Magazin Finanzielle nach Erfurt holen. Es war ein voller Erfolg, der Auftakt ist gemacht.           

Wie geht es weiter?

Wir stecken mitten in der Transformation vom Verlags- zum Medienhaus, was an vielen Stellen spannend, aber auch herausfordernd ist. Wir sind nachrichtengetrieben, die Veröffentlichungskanäle sind volatil und wir haben vor allem im Berufswahlmagazin WiYou.de eine sich permanent erneuernde Zielgruppe – was bedeutet, dass wir dort veröffentlichen, wo sich die jungen Menschen, aber auch ihre Eltern, Großeltern und die Lehrerschaft medial bewegen. 

„Ich liebe es mit Menschen zu arbeiten und beobachte sie beim Brainstormen, Konzipieren, Interviews führen“

Kontakt

Juliane Keith
Fachverlag Thüringen
info@fachverlag-thueringen.de
Instagram: @wiyoumagazin
Facebook: WIRTSCHAFTSSPIEGEL Thüringen

Beitragsbild: Sandro Jödicke (whitedesk)

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