Neues Hygieneprodukt aus recycelten FFP2-Masken

UNClean Plastics aus Weimar entwickelt Projekt gegen den Pandemie-Müll

In Straßen, an Bahnhöfen, Haltestellen, in Parkanlagen, Wäldern und Städten zeigt sich ein unschönes Bild: Achtlos weggeworfene FFP2-Masken säumen Büsche, Bäche und andere öffentliche Räume. Mit den Hygiene-Schutzmaßnahmen der Corona-Pandemie kamen Tonnen von zusätzlichem Müll durch Einwegprodukte, wie Masken, Handschuhe, Schutzkleidung und Corona-Test-Kits hinzu. Insofern diese nicht richtig entsorgt werden – und das ist augenscheinlich an vielen Orten der Fall – schaden und belasten diese Produkte massiv unsere Umwelt. Wo normalerweise noch engagierte Mitbürger und Mitbürgerinnen den Müll händisch entsorgten, sorgt der kontaminierte Masken-Müll dazu, dass alles liegen bleibt und – vom Winde verweht – sich übers Land verteilt. Die angehenden Produktdesigner Friedrich Gerlach und Felix Stockhausen von der Bauhaus-Universität in Weimar haben zusammen ein Verfahren für die Wiederverwertung des Pandemie-Mülls entwickelt. Zusammen haben sie vergangenes Jahr das Projekt “UNClean Plastics” gestartet. Welche Ziele sie hierbei verfolgen und welches Hygiene-Produkt sie aus alten FFP2-Masken herstellen, haben wir im Interview erfahren.

Wie kam es zu der Idee mit eurem Projekt UNClean Plastics?

Unser Projekt entstand aus dem hoch relevanten Thema der Umweltverschmutzung durch Hygiene-Produkte in der Corona-Pandemie heraus. Als wir uns mit Schrecken die Zahlen über 584 Millionen Tonnen zusätzlichen Plastikmülls pro Jahr vor Augen führten, wurde uns klar, dass wir als Produktdesigner eine Lösung für dieses Problem finden mussten. So entwickelten wir ein Verfahren durch das wir benutze FFP2-Masken zu einem neuen Hygieneprodukt recyclen konnten. Wir wollten ein symbolisches Produkt erschaffen, dass zunächst auf die Problematik hinweist und sind so auf die Zahnbürste gekommen.

Es ist aufgrund der Komplexität des Verfahrens bis dato kein Serienprodukt, aber die auf Grundlage der Masken entstandene Zahnbürste löst eine Konfrontation und dadurch eine Debatte zu Themen wie Sauberkeit und Ekel an sowie ein Bewusstsein für die Nutzung und den Wert von Ressourcen, die wiederverwertet und nicht verschwendet werden oder gar in der Natur landen.

„Wir wollten ein symbolisches Produkt erschaffen“

Wie entstehen die recycelten Zahnbürsten aus FFP2-Masken?

Sie entstehen aus dem sogenannten Maskenfilament, welches aus recycelten Masken hergestellt wird. Dazu werden die eingeschmolzenen Masken zu Granulat verarbeitet und ein Anteil reines Polypropylen hinzugegeben. Der Erhitzungsprozess stellt zudem sicher, dass mögliche Covid-19 Viren abgetötet werden und ein dekontaminiertes Material weiterverwendet wir. Das Polypropylen-Filament eignet sich für jeden herkömmlichen 3D-Drucker.

Die Zahnbürste aus nur einem Material herzustellen, erleichtert das spätere Recycling. Dazu wird die Zahnbürste als Monomaterial, einschließlich der Borsten, in einem Stück gedruckt.  Die Verwendung des 3D-Drucks ermöglicht die Realisierung zweier entscheidender Charakteristiken: Feste Formen und flexible faserartige Strukturen. Das erfolgreiche Arbeiten mit 3D-Druck, einem recht komplizierten und schwierigem Verfahren, zeigt die Eignung des Materials für andere Fertigungsverfahren. Bis zur Perfektionierung des Verfahrens vergingen viele Monate mit Experimenten, Tüfteln und Zahlen jonglieren in unserer Werkstatt.

Inwiefern seid ihr als Produktdesigner in Fragen der Umwelt und Nachhaltigkeit verantwortlich?

Die Gesellschaft hat noch vor der Pandemie versucht auf Einwegartikel aus Plastik zu verzichten– nun setzen sich die Leute plötzlich jeden Tag eine neue Maske auf. Diesen Rückschritt haben wir als Designer mit wachen Augen beobachtet. Wir sind in der Pflicht, Aufmerksamkeit auf Produkte, ihre Problematiken sowie deren nachhaltigen Nutzen zu generieren. Bisher ist es zwar schwer, die Plastikmüll-Ausmaße der Pandemie abzuschätzen, aber erste Zeichen und die Sensibilisierung sind gesetzt. Wir wollen durch die Zahnbürste aus FFP2-Masken zum Nachdenken um Lösungen anregen. Mögliche Ziele wären Entsorgungsstationen für die Masken und Recycling-Kreisläufe zu entwickeln. Neue Produkte, die in Serie produziert werden, sollten in die Natur zurückführbar sein oder in bestehenden Materialkreisläufen funktionieren.

Wir zeigen, was mit dem Rohstoff der FFP2-Masken alles möglich ist. Derzeit tüfteln wir an der Wiederverwertung von OP-Masken und haben schon neue Projekte mit dem Fokus Nachhaltigkeit auf dem Plan. Wir möchten unsere Expertise auch nach unserem Studium nutzen, um die Welt ein Stückchen besser zu machen und langlebige Produkte zu entwickeln.

Wir möchten erreichen, dass selbst Einwegprodukte wieder ihren Weg in den Wertstoffkreislauf zurückfinden. Ziel ist es, dass unsere Produkte Geschichten erzählen, an die sich die Menschen erinnern. Dabei appellieren wir als Gestalter nicht nur an unsere eigene Verantwortung, sondern auch an die der Gesellschaft und der Politik.

Kontakt

Friedrich Gerlach
Reichartstr. 20
99094 Erfurt
friedrich.gerlach@gmx.net
www.friedrichgerlach.de

Felix Stockhausen
Belvederer Allee 66
99425 Weimar
felixstockhausen@web.de
www.felixstockhausen.de

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Nina Palme

Kommunikation

0151 / 1290 4638

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