Öffentliche Orte sind soziale, kulturelle und politische Spielräume, in denen Menschen unabhängig von Herkunft, Bildungsgrad oder Alter zusammentreffen. Der dort entstehende Meinungsaustausch ist ein wertvolles Element jeder nachhaltigen Stadtgestaltung, aber auch einer lebendigen Demokratie und offenen Gesellschaft. Wie können Menschen an öffentlichen Orten aktiv in gestalterische Prozesse eingebunden werden? Wie kann Architektur im öffentlichen Raum zum Meinungsaustausch beitragen? Mit diesen Fragen beschäftigt sich die Bürogemeinschaft TAKTAK mit Sitz in Schwallungen und Vilnius.

Kreativschaffende, von Architekt:innen über Künstler:innen bis zu Designer:innen, haben eine Vielzahl von Werkzeugen, um Menschen in Meinungs- und Dialogprozesse einzubeziehen. So auch Robert Ilgen und Rasa Patalauskaitė vom Büro TAKTAK. Die beiden Architekt:innen gestalten mit einer Mischung aus Architektur und Szenografie temporäre Installationen in öffentlichen Räumen als Plattformen für Begegnung und Diskussionen – und das europaweit. „Unsere Installationen und Aktionen sollen zum Nachdenken anregen und eine Erzählung in Gang bringen, in der jede:r mit ihrem oder seinem spezifischen Hintergrund zu Wort kommen kann. Es geht darum, den öffentlichen Raum über die Meinungen und Kommentare seiner Bewohner:innen sichtbar zu machen – denn ohne die Anwesenheit sozialer Akteur:innen ist Raum nur eine leere, eigenschaftslose Hülle“, so TAKTAK.
Wie also lassen Robert und Rasa Menschen mit ihren Installationen zu Wort kommen? 2019 gründeten sie im Rahmen des sechsmonatigen Residenzprogamms „Oh My Goethe!“ des Goethe-Instituts und der Métropole du Grand Nancy im französischen Nancy gemeinsam mit Grafikdesignerin Janine Schlimpert das Projekt „Pop Up Ma Parole“. Darin vereinen sie ihre jeweiligen Stärken aus Architektur und Grafikdesign, um gemeinsam temporäre Meinungsplattformen zu konzipieren und zu realisieren. Diese verwandeln öffentliche Räume in Treffpunkte, laden zur visuellen Kommunikation ein und regen zum öffentlichen Diskurs an.
„…ohne die Anwesenheit sozialer Akteur:innen ist Raum nur eine leere, eigenschaftslose Hülle“


Noch im selben Jahr fand das Konzept seine erste Umsetzung. Kreativschaffende waren von der Stadt Nancy dazu eingeladen, sich mit einem öffentlichen Platz auseinanderzusetzen. Die Idee des Kollektivs: wiederverwendbare mobile Strukturen mit Pop-up-Charakter, die Menschen dazu motivieren, ihre Meinung zum Platz zu äußern. Auf einem Pavillon und einer Galeriewand konnten Teilnehmende und Passant:innen eine Kommunikationsform nutzen, die ihnen aus dem Internet vertraut ist: mit Hilfe von Fahnen setzten sie Posts ab, kommentierten andere Posts und verteilten Emojis – barrierearm durch haptische Materialien. Damit ermöglichten die Kreativen den Menschen einen möglichst einfachen Zugang zu komplexen Themen.
Auch in Luxemburg bewies das Team 2022 im Auftrag der damaligen Europäischen Kulturhauptstadt Esch-sur-Alzette Innovationsgeist: Im Stadtteil Belval animierten sie Besucher- und Bewohner:innen zur kreativen Aneignung öffentlicher Räume auf dem Areal einer ehemaligen Stahlfabrik, das zum Standort für Lehre, Wissenschaft, Wirtschaft und Kultur umtransformiert wurde. In der temporären Installation „Mixer“ wurden Mixgetränke in einer öffentlich zugänglichen Stahlstruktur „verkauft“ – angereichert mit einer Prise Bürger:innenmeinung, die den Dialog über den gemeinsamen Lebensraum, heruntergebrochen von Europa, Luxemburg bis zum Stadtteil Beval, belebte. Besucher:innen zahlten ihre Getränke jedoch nicht mit Geld, sondern mit ihren Meinungen. Diese riefen sie über ein Megaphon laut aus, bevor sie aufgeschrieben auf ein Blatt Papier an der „Thekenwand“ für alle sichtbar wurden.



In diesem Jahr ist TAKTAK, im Kollektiv mit Janine Schlimpert, Teil der Kulturhauptstadt Chemnitz. Von August bis September 2025 steht der „KIOSK DES UNWISSENS“ im Chemnitzer Stadtteil Makersdorf: eine temporäre Installation im öffentlichen Raum, die Unsichtbares sichtbar machen will – und das in einem Wohngebiet, das einst als größtes Neubaugebiet der DDR, nun von Wegzug und Abriss gezeichnet ist. Im Kiosk wird die Frage gestellt: „Wie können wir aus unterschiedlichen Perspektiven gemeinsam unser Verhältnis zu Unbekanntem und Verborgenem verstehen und sichtbar machen?“ Menschen dürfen probieren, sich informieren, konsumieren und gefragt werden.
Wie können wir aus unterschiedlichen Perspektiven gemeinsam unser Verhältnis zu Unbekanntem und Verborgenem verstehen und sichtbar machen?
TAKTAK schafft mit diesen Projekten temporäre Orte und Strukturen im öffentlichen Raum, an denen Menschen zusammenkommen, erleben, wie Orte angeeignet werden können und motiviert werden, ihre Meinungen dort zu teilen, wo sie entstehen.
Ob temporäre Pop-up-Installationen, Kunstwerke, die zum Mitmachen einladen, künstlerische Performances oder kollaborative Kreativmethoden wie Urban Design Thinking: Die kreative Klaviatur zum Anregen von Partizipation und Meinungsaustausch in öffentlichen Räumen ist breit. Das macht Kreativschaffende wie Robert und Rasa zu wertvollen Kompliz:innen, wenn es darum geht, Anwohner:innen zu Ko-Kreator:innen von Orten zu machen oder die Barrieren bei der politischen Mitbestimmung für Menschen aller Hintergründe zu senken.
Kontakt
www.taktak.de
Instagram: @taktak.de
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Claudia Köhler
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