Zusammen ist das Gebot der Stunde – auch beim Vorantreiben von Innovationen. Warum also nicht innovativ gemeinsam mit der Branche arbeiten, deren täglich Brot das Entwickeln neuer Ideen ist? Hier setzt Cross Innovation an und bringt Kreativwirtschaft mit Akteur:innen anderer Branchen zusammen. Denn: Unterschiedliche Menschen mit unterschiedlichen Perspektiven sind das Fundament für frische Ideen und den berühmten Blick über den Tellerrand. In kuratierten Cross-Innovation-Prozessen werden auf dieser Grundlage und mit Hilfe kreativer Methoden, Ideen für aktuelle unternehmerische Herausforderungen generiert und bis zum Prototypen weiterentwickelt. Wie Cross Innovation funktioniert, wer hier wie zusammentrifft und was diese Art der Zusammenarbeit so wertvoll macht, hat uns Systemdesignerin, Prozessbegleiterin, Organisationsberaterin und Moderatorin des Cross Lab 2023 der THAK und ThEx innovativ Veronika Busch im Interview verraten.
Veronika, was ist Cross Innovation?
Cross Innovation bezeichnet eine branchenübergreifende Innovationsfähigkeit von Unternehmen aus verschiedenen Branchen mit der Kreativwirtschaft. Hierbei öffnen sich Unternehmen bewusst für das strategische Bearbeiten einer Herausforderung in Zusammenarbeit mit kreativen Akteur:innen. Deren externe Blicke sowie kreative Problemlösungsstrategien sind sehr hilfreich, um Ideen für neue Produkte, Prozesse oder Services zu entwickeln. Als Unternehmen importiert man sich also temporär kreative Fähigkeiten, die nicht Teil des Kerngeschäfts sind oder für die man im unternehmerischen Alltag keine Zeit hat.
Kooperation, Kollaboration, Ko-Kreation und Diversität sind die Gebote der Stunde, wenn es um die Lösung aktueller Herausforderungen geht.
Was ist das Besondere an der Methode?
Besonders ist das Denken aus Nutzer:innenperspektive und die Interdisziplinarität der Teilnehmenden. Vor allem die Menschen der Kreativbranche sind es im täglichen Schaffen gewohnt, gestalterisch zu arbeiten. Assoziatives und kombinierendes Denken sowie das Ausprobieren und Improvisieren sind ihre wertvollsten Qualitäten. Jene Arbeits- und Gestaltungskompetenzen sind wichtige Zutaten, damit die Rezepturen für Transformationen aller Art gelingen und um sie in den anderen Branchen und Sektoren zu etablieren.
Neue Ideen für Produkte, Prozesse und Services entstehen vor allem dann, wenn sie von unterschiedlichen Menschen mit unterschiedlichen Hintergründen und Denkweisen gemeinsam entwickelt werden.
Was sind Cross Labs?
In Cross Labs werden, je nach Format, in mehrtägigen oder auch mehrwöchigen Workshops Räume der Konzentration zur intensiven Zusammenarbeit und zum Austausch geschaffen. Als Unternehmen kann ich hier zusammen mit kreativen Köpfen aus alltäglichen Arbeitsstrukturen ausbrechen und mich in aller Ruhe langfristigen Fragestellungen widmen. Es ist wichtig, dass für das Cross Lab ein Raum außerhalb des Unternehmens gewählt wird, da unser Gehirn darauf trainiert ist, die gleichen Gedankengänge an bekannten Orten fortzuführen. Nur in einer neuartigen Umgebung kann man gedanklich alte Pfade verlassen.
Wie läuft so ein Cross Lab ab?
In Cross Labs wird (nach einer Recherche-Phase mit Befragungen von Kund:innen und Co zur gestellten Herausforderung) in unterschiedlichen Gruppen gearbeitet, die jeweils aus Akteur:innen der Kreativwirtschaft und Vertreter:innen des Unternehmens zusammengesetzt sind. Wichtig ist eine möglichst große Diversität der Rollen im Unternehmen: Von dem/der Marketingverantwortlichen, über Service-Mitarbeitende bis hin zur Geschäftsleitung – jede Perspektive bietet wertvolle Hinweise für das Erarbeiten möglicher Lösungen von Problemstellungen.
Zunächst beginnt das Unternehmen mit der Darlegung des Problems. Die Kreativen, meist von mir entsprechend der Herausforderung bewusst ausgewählt, stellen im Anschluss kritische Fragen, um ein Verständnis für die Herausforderung zu bekommen. Auf dieser Basis entstehen erstmals rudimentäre Lösungsansätze, die durch Prototyping auf den Prüfstand gestellt werden. Das gemeinsame Basteln von möglichen Lösungen und Innovationen liefert schließlich wertvolle Erkenntnisse darüber, was zukünftig für das Unternehmen am besten funktionieren kann, sowie neue Impulse und Inspiration.
Das Schönste daran: Es entstehen im Cross Lab immer handfeste und realistische Lösungen, die unmittelbar danach vom Unternehmen angewendet werden können. Es kamen schon oft Unternehmer:innen nach den Workshops auf mich zu und waren sehr dankbar für die Innovationen, die wir zusammen erarbeitet hatten.
Was ist deine Rolle als Prozessbegleiterin in den Cross Labs?
Ich habe die Moderation inne und stecke den zeitlichen Rahmen ab. Das sogenannte “Time Boxing“ spielt eine zentrale Rolle für einen gelungenen Cross-Innovation-Prozess, da sich Kreative in ihren Gedanken schnell verlieren, wohingegen Unternehmen anderer Branchen ihren gedanklichen Raum aus einem Effizienzgedanken heraus oftmals kleiner halten. Um gelungene Zusammenarbeit zu garantieren, ist eine zeitliche Synchronisation der Gruppen wichtig. Ich prüfe zudem, ob die Tools aus dem Design Thinking richtig angewendet werden, stoße den Abbau von Denkblockaden mit kritischen Fragen an und bin dafür da, dass die Methode auch richtig gelebt wird.
Von der Fragestellung bis zum Prototypen: Im Cross-Innovation-Prozess entstehen neue Ideen durch Synergien – durch kreative Methoden und eine Zusammenarbeit unterschiedlicher Menschen mit unterschiedlichen Hintergründen auf Augenhöhe.
Hast du ein Best-Practice-Beispiel, bei dem die Methode bereits erfolgreich angewendet wurde?
Ein gelungenes Beispiel ist ein Cross Lab mit Kreativen und einem Steuerberatungsbüro, in dem wir gemeinsam eine Innovation für die Branche erarbeiten konnten. Das Problem, das gelöst werden sollte, war zunächst komplex: Es ging darum, dass Steuerbüros zu einem Wirtschaftszweig gehören, der im Zuge der Digitalisierung, in dem Menschen ihre Steuererklärung mehr und mehr per Knopfdruck über Handy-Apps erledigen, in Zukunft überflüssig werden.
Wie kann ich mich als Unternehmen in diesem Bereich am Markt halten? Im Cross Lab wurde zunächst gefiltert, welche Branchen und Bereiche weiterhin, trotz Digitalisierung, auf derartige Fachkräfte angewiesen sind. Die Erkenntnis: Kleinunternehmer:innen, die sich keine eigene Bürokraft für die “Zettelwirtschaft” leisten können und denen bares Geld durch die Lappen geht, wenn sie ihre Zeit immer wieder für Papierkram verschwenden. Das Ergebnis: Das Steuerbüro schuf neue Stellen, die der “Zettelfeen”, die sich pro Woche für ein paar Stunden um die bürokratischen Themen mehrerer Kleinunternehmer:innen gleichzeitig kümmern. Die betreuten Unternehmer:innen haben somit Zeit für das Wesentliche, fühlen sich wohl und die Lösung befriedigt die Bedürfnisse beider Parteien gleichermaßen.
“Cross Innovation kann dabei helfen, tradierte Geschäftsmodelle zu hinterfragen und ihre Entwicklungsfähigkeit neu zu überdenken”
Für welche Branchen und Bereiche ist Cross Innovation besonders interessant?
Grundsätzlich sind Open-Innovation-Prozesse für alle Arten von Unternehmen interessant: Vom kleinen Steuerbüro, Kommunen und Städten bis zu großen Konzernen. Vor kurzem habe ich beispielsweise im Zuge eines Cross Labs in einer Industriebrache in Loitz/Vorpommern zusammen mit Vertreter:innen der Stadt und Kreativen an einem Regionalentwicklungsprojekt gearbeitet, das Ideengenerierung für die Nutzung der Brache als Kreativort zum Ziel hatte.
Wenn ich mich als Unternehmen also frage, wie und welche neuen Geschäftsmodelle oder Dienstleistungen ich implementieren kann, wenn ich auf der Suche nach neuen Fachkräften bin oder wenn ich mich von Abhängigkeiten befreien möchte, dann ist Cross Innovation auf jeden Fall sinnvoll. Der Markt ist in allen Bereichen im Wandel und jede Branche muss sich neu erfinden, um zukunftsfähig zu sein. Cross Innovation kann dabei helfen, tradierte Geschäftsmodelle zu hinterfragen und ihre Entwicklungsfähigkeit neu zu überdenken.
Was fasziniert dich denn so sehr an der Kreativmethode Cross Innovation?
An Cross Innovation fasziniert mich am meisten die langfristige, soziale Innovation. Wenn wir unseren Planeten nicht an die Wand fahren wollen, dann müssen wir die Wirtschaft neu denken. Und das geht vor allem dann, wenn wir kreative Ideen und Herangehensweisen als integrale Bestandteile in althergebrachte Geschäftsmodelle implementieren. Ich freue mich schon sehr darauf, gemeinsam mit den Teilnehmenden des Cross Labs der THAK und von ThEx innovativ vom 23. bis 26. Oktober in Erfurt die kreative Methode erlebbar zu machen und Ideen für zukunftsfeste Unternehmen zu erarbeiten.
Veronika Busch ist System-Designerin und unterstützt seit 2012 Gruppen dabei, Veränderungsprozesse zu gestalten. Sie hilft als Prozessbegleiterin und Organisationsberaterin, die Innovationsfähigkeit sowie Kreativität in Arbeits- und Lebenskulturen zu stärken. Veronika ist Absolventin der School of Design Thinking am Hasso-Plattner-Institut in Potsdam und hat seit 2012 EU-weit vielfältige Design-Thinking- und Veränderungsprozesse konzipiert, begleitet und durchgeführt.
Sie hat einen Master of Public Policy der Humboldt-Viadrina School of Governance in Berlin, einen Abschluss als Betriebswirtin der Dualen Hochschule Karlsruhe und fünf Jahre berufliche Erfahrung bei einem Pharmakonzern in Basel gesammelt, zwei davon im Bereich strategische Sozialverantwortung. Veronika ist geschäfts- und personalführendes Vorstandsmitglied des fint e.V. und für die strategische Entwicklung sowie die Konzeption und das Design neuer Programme, Projekte und Kooperationen zuständig. Dabei ist der von ihr (mit-)gegründete Coworking Space projekt:raum im Warnow Valley in Rostock Ankerpunkt und Inspiration für ihr tägliches Schaffen.
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Du hast Lust bekommen, noch mehr über Cross Innovation zu erfahren? Dann höre doch mal in die Folge 006 unseres Podcast Kreativfunk Thüringen rein – unsere Kollegin Claudia Köhler führte ein anregendes Gespräch über Cross Innovation mit Projektleiterin des Cross Innovation Hub der Hamburg Kreativ Gesellschaft Raffaela Seitz.
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