Mangelware Fachkraft

Rückblick auf die konTHAKt #Apolda

Fachkräftemangel kann viele Ursachen haben. Von geburtenschwachen Jahrgängen, über ein fehlgeleitetes Bildungssystem bis hin zu übersteigerten Anforderungen an die eigenen Mitarbeiter. Entscheidend ist, die passenden Mitarbeiter zu finden. Mit ihrem hohen Qualitätsanspruch haben sich Thüringer Unternehmen ein gutes Renommee erarbeitet und gelten als verlässliche Partner innerhalb der Wertschöpfungskette. Doch die Zeiten, in denen sich die Unternehmen den besten Kandidaten aus rund zweihundert Bewerbern aussuchen konnten, gehören mittlerweile in vielen Branchen der Vergangenheit an. Die Situation auf dem Fachkräftemarkt verschärft sich zusehends. “Es ist Zeit, sich branchenübergreifend darüber auszutauschen, mit welchen Methoden und Strategien die einzelnen Unternehmen diese Herausforderungen angehen und bewältigen. Daher haben wir uns dem Thema angenommen”, sagt Anne Märtens, Branchenexpertin für Vernetzung und Innovation bei der Thüringer Agentur für die Kreativwirtschaft (THAK).

„Wir wollen eine sinnvollere Vernetzung der Kreativbranche mit branchenfremden Unternehmen“

So lud die THAK am 31. Mai zur branchenübergreifenden Netzwerkveranstaltung konTHAKt #Apolda mit dem Thema „Mangelware Fachkraft. Herausforderungen. Bewältigen“ in das Kunsthaus Apolda ein.

Bei diesem Titel hätte man sich auch eine stillgelegte und umgewidmete Werkshalle vorstellen können, deren Ausstrahlung den drängenden und zugleich mahnenden Charakter dieses wichtigen Themas untermauern würde: Kümmert euch um qualifiziertes Personal, sonst ergeht es euch, wie dem Unternehmen, das früher in dieser Halle produziert hat. Stattdessen fiel die Wahl auf das Kunsthaus. Ein bewusst gesetzter Kontrapunkt zum knallharten Geschäftsalltag? Mitnichten, denn die aktuelle Ausstellung war dem Schaffen des Pop-Art-Künstlers Andy Warhol gewidmet. Mit seiner Factory in New York, dem Treffpunkt der kreativsten und inspirierendsten Persönlichkeiten seiner Zeit und dem seriellen Produzieren von Kunstwerken, prägte und erweiterte Andy Warhol den Kunstbegriff im 20. Jahrhundert. Ohne seinen Mitarbeiterstab hätte es der Künstler dauerhaft nicht so weit gebracht. Entscheidend war auch der Austausch weit über die eigene Branche hinaus, neue Wege zu beschreiten und unterschiedliche Gewerke zusammenzuführen. Gleichzeitig fungierte Andy Warhol als Marke, er war eine Unternehmerpersönlichkeit.

Das sind alles Eigenschaften, die umgemünzt auf das eigene Geschäftsmodell eine inspirierende Kraft entfalten können. Umrahmt von den Werken des Pop Art Künstlers eröffnete Rüdiger Eisenbrand, Bürgermeister der Stadt Apolda, den Nachmittag: „Wir wollen eine sinnvollere Vernetzung der Kreativbranche mit branchenfremden Unternehmen. Wir möchten Synergien entstehen lassen, wo es möglich und nötig ist.“

Auf dem Podium nahmen vier erfolgreiche Thüringer Unternehmer Platz:

  • Alexander Frank ist Geschäftsführer bei Frank und Haueis, einer Agentur für Marke und Kommunikation aus Erfurt.
  • Christian Otto Grötsch ist Geschäftsführer der Full-Service-Digitalagentur dotSource GmbH aus Jena.
  • Volker Herrmann ist Ausbildungsleiter bei der Ospelt food GmbH, Hersteller für Nahrungsmittel im Tiefkühlbereich aus Apolda.
  • Wiebke Schorstein ist Business Coach aus Erfurt.

Auf Augenhöhe mit den Bewerbern

Von Beginn an herrschte eine vertrauensvolle Atmosphäre zwischen den vier Gästen. Offen und ehrlich erzählten sie von ihrem Alltagsgeschäft und ihren Herausforderungen Auszubildende zu suchen und erfolgreich an ihr Unternehmen zu binden. Mit ihrem Einblick als Business Coach in zahlreiche Unternehmen setzte Wiebke Schorstein wichtige Impulse für die Diskussion. Ihre Erfahrungen und Einschätzungen deckten sich mit den Erlebnissen der drei Geschäftsführer. „Die Zeiten haben sich geändert. Früher mussten sich die Bewerber interessant machen und sich positionieren. Jetzt ist es genau anders herum“, so Wiebke Schorstein. Der Marketingexperte Alexander Frank pflichtete ihr bei, „das Unternehmen muss Einblicke gewähren. Für welche Werte steht es, und was für eine Firmenphilosophie herrscht vor?“

Arbeitszeit ist Lebenszeit, da möchten Fachkräfte sich im Vorfeld über den möglichen zukünftigen Arbeitgeber informieren. Eine neue Qualität hierfür bieten Bewertungsportale. Darauf mussten sich die Unternehmer erst einmal einstellen. „Die bleiben ja immer für alle sichtbar, darauf haben wir reagiert“, so Christian Otto Grötsch und weiter, „die Mitarbeiter, die bei uns die Bewerbungsgespräche führen, müssen also auch gut vorbereitet und ausgebildet sein. Damit sind Bewerber mittlerweile auf Augenhöhe.“ In seinem Unternehmen legt er wert auf einen fairen und zuvorkommenden Umgangston. Das hat sich rumgesprochen. Die dotSource GmbH zählt deutschlandweit zu den fünfundzwanzig größten Digitalagenturen mit über zweihundert Mitarbeitern, davon sind vierzig Auszubildende.

„Die Zeiten haben sich geändert. Früher mussten sich die Bewerber interessant machen und sich positionieren. Jetzt ist es genau anders herum“

Ein Sprichwort sagt: Die Leute gehen zur Arbeit wegen der Firma und verlassen sie wegen der Führungskraft. „Auch heute herrscht manchmal noch eine „Brüllkultur“”, meint Wiebke Schorstein. „Mit dem Abwandern einer Fachkraft verliere ich auch Kunden, die mitziehen. Zusätzlich muss ich wieder neues Personal akquirieren und einarbeiten“, so Alexander Frank. Diese Mehrkosten haben die wenigsten auf dem Schirm. So legt Christian Otto Grötsch großen Wert darauf, dass die Menschen nach der mehrjährigen Ausbildung bei dotSource auch bei ihm bleiben.

Azubis finden und binden

Doch wie findet man die richtigen Auszubildenden und Fachkräfte? Mit einem Aushang an der Universität oder an der Schule allein ist es nicht getan. Vor allem muss man authentisch sein und verschiedene Kanäle nutzen, so Alexander Frank. Bei der regionalen Suche ist der persönliche Kontakt entscheidend. Die dotSource GmbH setzt hierbei auf Sponsoring von verschiedenen Sportvereinen und sozialen Projekten. Das bringt die Unternehmensmarke nach vorne.

Volker Herrmann, Ausbildungsleiter bei der Ospelt food GmbH hat schon frühzeitig angefangen, sich auf dem internationalen Markt umzusehen. Die Hälfte seiner Arbeitszeit ist er mit der Akquise beschäftigt. Marketingstrategien und Imagekampagnen müssen geplant und durchgeführt werden. „Obwohl die Lebensmittelbranche nicht die lukrativste Branche ist, haben wir das klare Ziel zehn Prozent Azubis zu beschäftigen. Wir haben über zehn Nationen bei uns in der Ausbildung, da ist es wichtig, dass wir uns um sie kümmern,“ so Volker Herrmann. Wenn es um die Gestaltung von Freizeitangeboten, Behördengänge und Weiterbildungen wie Sprachschule geht, dann ist Volker Herrmann immer für seine Auszubildenden ansprechbar. Das verbindet und das schätzen sie an dem dynamischen Ausbildungsleiter. So etwas ist nur unter extrem hohen persönlichen Einsatz möglich. In der Region hat es sich rumgesprochen, dass bei der Ospelt food GmbH eine gute Ausbildung stattfindet.

Überregional setzen die Unternehmen verstärkt auf digitale Kanäle. Mit virtuellen Rundgängen durch das Unternehmen und kurzen Videos, in denen die Mitarbeiter von der Arbeit und der Atmosphäre im Unternehmen berichten. Das sind erfolgversprechende, niedrigschwellige Angebote, die identitätsstiftend sind und Aufmerksamkeit bei neuen Fachkräften generieren.

Mehrwert in Thüringen

Emotional wurde es in der Diskussion rund um das Thema Leistungsbereitschaft bei den Mitarbeitern. Brauchen sie stetig harte Ziele, oder fördern gar agile Methoden und ein Wohlfühlklima die Produktivität und Weiterbildungsbereitschaft der einzelnen. „Wenn man wachsen will, muss man Gewinn machen. Da müssen alle auch Leistung erbringen, d.h. aber auch, sich bei seinen Mitarbeitern zu bedanken“, so Christian Otto Grötsch. Neben einem Bonusprogramm für engagierte Mitarbeiter, setzt der Unternehmer auf softe Faktoren, wie Gratisgetränke und -obst sowie eine offen gestaltete Innenarchitektur. Das fördert das gute Arbeitsklima. Die Lebenshaltungskosten sind in Thüringen vergleichsweise niedrig und die Lebensqualität ist sehr hoch. Trotzdem müsse man immer wieder neue Anreize schaffen und dürfe die Trends nicht verschlafen. „Alles Weitere regelt die Marktwirtschaft“, resümierte Christian Otto Grötsch die Veranstaltung.

Text: Michael Krömer

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