Wer genug hat von Klischee-Thrillern, seichten Nordsee-Krimis und immer gleichen Plot-Schablonen, der wird hier aufhorchen. Unsere Interviewpartnerin Verena Kolb hat als junge Thüringer Autorin keine Lust mehr auf den literarischen Einheitsbrei, der zwar gut verkauft wird, aber selten Neues wagt. Stattdessen setzt die Psychologie-Studentin aus Jena auf düstere Endzeit-Szenarien, Genre-Mix und unkonventionelle Erzählweisen, auf Geschichten, die Grenzen austesten und gängige Muster aufbrechen. Auch wenn das bedeutet, sich abseits der großen Verlage zu bewegen, die Innovation oft als Marktrisiko sehen, für sie steht fest: Kreative Ideen und frischer Wind im Thriller-Genre sind kein Nice-to-have, sondern längst überfällig. Wir wollten mehr erfahren.

Wie fing das mit dem Schreiben bei dir an?Ich habe eigentlich schon immer geschrieben. Meine erste kleine “Novelle“ habe ich mit sieben verfasst – eine wilde Geschichte mit Dinos, die ich über Jahre hinweg weitergeschrieben habe. Damals wurde sogar etwas davon in einer Zeitung veröffentlicht. In der Schule war ich immer Feuer und Flamme, wenn es ums Schreiben ging. Während andere eine Kurzgeschichte abgaben, schrieb ich gleich ein kleines Buch. Mit 17 habe ich dann mein erstes richtiges Projekt gestartet, ohne überhaupt zu wissen, dass es ein Buch werden würde. Ich habe einfach drauflos geschrieben – ganz ohne auf Satzbau oder Perfektion zu achten, einfach aus Spaß. Später wurde daraus mein erster Endzeitthriller “Gefangen im Netz der Spinne”. Dann kam “Extinctia”, ebenfalls im Dystopie-Genre. Inzwischen arbeite ich an meinem dritten Projekt, das gerade in der Testphase ist.
Welche Geschichten oder Autor:innen inspirieren dich am meisten und warum?
Ich schöpfe meine Inspiration vor allem aus dystopischen Geschichten. Schon in meiner Jugend haben mich Werke wie “Die Tribute von Panem” oder “Mad Max” fasziniert. Auch die Bücher von Ursula Poznanski haben mich geprägt, besonders “Erebos”, das damals sehr gehyped wurde. Ich liebe ihren kreativen Stil und wie spannend ihre Romane sind – egal ob für Jugendliche oder Erwachsene. Ebenso inspirierend finde ich Sebastian Fitzek. Seine Thriller sind vollgepackt mit Cliffhangern und er hat einfach seinen ganz eigenen Stil, was ich enorm wichtig finde.


Was bedeutet Innovation für dich und wie zeigt sie sich in deinem Schreiben?
Für mich bedeutet Innovation, vom Altbewährten abzuweichen oder Bestehendes auf eine völlig neue Weise zu kombinieren – wie das Mischen zweier Farben, die überraschend gut harmonieren. Es geht darum, Dinge zusammenzubringen, die bisher nicht zueinander gehörten und daraus etwas völlig Unerwartetes zu schaffen. Klar, das ist immer mit Risiko verbunden, aber genau das braucht es, um wirklich Neues zu schaffen. Viele folgen einfach bestehenden Trends, aber die spannendsten Geschichten stammen von denen, die eigene Wege gehen – wie Stephen King, der trotz zahlreicher Absagen nie aufgegeben hat. Sein handwerkliches Können und seine Beharrlichkeit sind für mich ein großes Vorbild.
„Für mich bedeutet Innovation, Dinge zusammenzubringen, die bisher nicht zueinander gehören – und daraus etwas völlig Unerwartetes zu schaffen“
Was passiert in deiner Schreibwerkstatt, wenn aus einer Idee ein echter Roman wird?
Meine Schreibwerkstatt ist ein ziemlich lebendiger Ort – chaotisch und strukturiert zugleich. Bei meinen ersten Projekten habe ich einfach drauflosgeschrieben, ohne viel Planung. Mittlerweile, beim dritten Roman, plane ich zumindest das Setting und die Figuren genauer. Ich lasse mich dabei stark von meinem Psychologie-Studium inspirieren. Menschen sind für mich einfach unglaublich spannend: wie sie fühlen, denken, warum sie handeln, wie sie handeln. Das Studium ist für mich echte Leidenschaft. Ich will alles verstehen, auch wenn ich längst weiß, dass Menschen oft selbst ihr größtes Rätsel sind. Genau das macht es so reizvoll.
Viele meiner Charaktere haben psychische Besonderheiten oder tragen innere Konflikte mit sich. Das ist nichts, was ich mir einfach ausdenke, sondern oft durch persönliche Begegnungen oder theoretischen Input geprägt. So entsteht etwas, das sich für mich nah und authentisch anfühlt.
„Ich schreibe intuitiv – bis sich aus losen Fäden ein Teppich aus Plot, Figuren und Emotionen webt“
Jedes Buch hat seinen eigenen Prozess. Aber meist schreibe ich intuitiv aus dem Bauch heraus. Die Charaktere bekommen Raum, sich zu entfalten, und irgendwann schreibt sich das Buch wie von allein. Das ist ein magischer Moment – manchmal auch gruselig, weil ich so tief in eine Figur eintauche, dass ich kurz den Realitätsbezug verliere. Etwa bei der Hälfte der Geschichte kommt dann ein Punkt, an dem ich innehalte. Ich spüre, wie sich die Fäden zusammenziehen. Dann entwerfe ich das Ende, als würde ich einen Teppich weben – mit all den Plots, Hints und Charakteren. Alles, was lose bleibt, wird noch einmal fein säuberlich überarbeitet oder herausgestrichen. Und das mache ich dann bis zu 25 Mal, weil ich jedes Detail verstehen und spüren will.

Du studierst aktuell noch Psychologie in Jena, willst aber nach dem Studium selbstständige Autorin werden. Warum entscheidest du dich bewusst für eine Arbeit in der Kreativwirtschaft?
Ich sehe das Schreiben als meine eigentliche Leidenschaft, auch wenn es kein einfacher Weg ist. In dieser Branche geht es nicht primär ums Geldverdienen. Natürlich gibt es Modelle, bei denen eher auf Quantität als auf Qualität gesetzt wird, aber das ist nicht mein Anspruch. Vielmehr erfordert der Weg zur selbstständigen Autorin vor allem eines: Geduld, Zeit und starke Nerven. Gerade am Anfang investiert man viel, ohne dass sofort etwas zurückkommt. Autor:innen finanzieren sich meist nicht über ein einzelnes Buch, sondern über mehrere. Erst dann lohnen sich beispielsweise auch Marketingausgaben, weil man mit einem größeren Portfolio mehrere Bücher gleichzeitig in die Vermarktung einbeziehen kann. Das habe ich selbst so erlebt. Gleichzeitig erhöht das den Druck, regelmäßig neue Werke zu liefern, weil der Markt eine gewisse Veröffentlichungsfrequenz erwartet. Das kann einen schon stressen. Trotzdem nehme ich diese Herausforderung gerne an, weil mir die kreative Arbeit am Herzen liegt.
Wie ist es so, in Thüringen als Autorin tätig zu sein?
Ich habe als Autorin in Thüringen bisher sehr positive Erfahrungen gemacht. Vor allem das ThEx hat mich in meiner Gründung und beim Netzwerken unterstützt. Es gibt hier tolle Fördermöglichkeiten für Gründer:innen, Workshops, aber auch Netzwerkveranstaltungen. Besonders wertvoll ist auch der Austausch mit anderen Selbstständigen aus ganz unterschiedlichen Branchen. Wir alle stehen in gewisser Weise auf einer öffentlichen Bühne. Genau deshalb schätze ich den offenen Umgang miteinander sehr. In der Thüringer Gründer:innenszene kennt man sich, es ist persönlicher und weniger anonym als etwa in Berlin. Das schätze ich sehr und fühle mich deshalb richtig wohl hier.
„Gründen in Thüringen? Persönlich, vernetzt und genau der richtige Ort, um wirklich anzukommen.“

Wie stehst du zum Thema KI und Schreiben?
KI und ich sind definitiv ein gutes Team, allerdings nutze ich sie weniger zum Schreiben selbst, sondern vor allem für die Recherche. Besonders hilfreich ist sie für technische oder medizinische Details, die ich für meine Thriller brauche. Gerade schreibe ich an einem Roman, der weit in der Zukunft spielt. Da liefert mir KI spannende Ideen dazu, wie sich aktuelle Technologien weiterentwickeln könnten. Auch bei Themen wie Waffentechnik oder Verletzungen – Stich- oder Schusswunden zum Beispiel – greife ich gern auf sie zurück. Zwischendurch verwende ich sie auch mal für kleinere Dinge, wie das Finden von Metaphern oder Namen, einfach zur Inspiration.
Ich beobachte aber auch kritisch, was sich gerade auf dem Buchmarkt tut. Es gibt durchaus Autor:innen, die komplette Bücher von KI schreiben lassen, aber das ist nicht mein Weg. Diese Texte sind oft von minderwertiger Qualität. Für mich ist KI ein Recherchetool, kein Ersatz für kreatives Schreiben.
“Ein leeres Blatt lässt sich nicht korrigieren. Der erste Text muss nicht perfekt sein – Hauptsache, du fängst an.“
Wie sieht deine Zukunft aus und hast du einen Tipp für junge Autor:innen?
Wichtig ist, beim Schreiben nicht zu perfektionistisch zu sein. Der erste Text wird nie perfekt sein! Setzt euch hin und schreibt einfach los, denn ein leeres Blatt lässt sich nicht korrigieren. Und nicht vergessen: Der Korrekturprozess ist der Moment, in dem das Werk wirklich Form annimmt. Und: Vermeidet Druckkostenzuschussverlage. Da wird man oft abgezockt und lässt sich an langfristige Verträge binden. Stattdessen kann man alles auch kostenlos über Verlage veröffentlichen lassen, ohne dass man für die Veröffentlichung zahlen muss oder im Eigenverlag veröffentlichen. Eine gute Vertriebsplattform ist auch Amazon. Marketing mache ich persönlich für meine Bücher über Facebook und Instagram. Das ersetzt allerdings nicht den persönlichen Kontakt zu (potenziellen) Leser:innen auf Lesungen und Buchmessen. Gerade für kleinere und junge Autor:innen ist das direkte, wohlwollende Feedback enorm wertvoll. Autor:in zu sein ist ein Beruf, der einen langen Atem erfordert, und diese Begegnungen sind wie Lichtblicke, die einem Kraft geben, weiterzumachen.
Zu meiner Zukunft: Mein absoluter Traum ist es, einen Bestseller zu landen und vielleicht irgendwann zu einem großen Verlag zu kommen. Gleichzeitig habe ich die Möglichkeit, meine Bücher selbst zu veröffentlichen, was bedeutet, dass ich unabhängig bleiben und nach meinen eigenen Vorstellungen schreiben kann. In Zukunft möchte ich weiterhin innovative Geschichten erzählen, die sowohl mich als auch meine Leser:innen berühren. Ich stimme Stephen King zu, der sagte, dass man zwar manchen Leser:innen gefallen sollte, aber vor allem sich selbst treu bleiben muss.
Kontakt
www.verena-kolb.de
Instagram: @autorin.verenakolb
Nächster Auftritt:
NEXUS Festival Leipzig (11.-13. Juli)
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