Was passiert, wenn engagierte Kultur- und Kreativschaffende auf die Erfurter Kreativ-Szene treffen? Genau! Es entsteht ein Netzwerk für Künstlerinnen, Illustratoren, Designer und Grafikerinnen und die, die es werden wollen. 2017 haben der Erfurter Illustrator Stefan Kowalczyk (Greatmade) und Stadt- und Raumplaner Niels Jüngling das Netzwerk für Illustratoren und urbanes Skizzieren ins Leben gerufen. Seitdem engagieren sie sich zusammen mit Thüringer Kreativschaffenden, Sponsoren, Unterstützerinnen, Förderern, Dozentinnen und Artists für die Stärkung der Branche. Sie haben unter anderem Veranstaltungen in Erfurt wie “Mucke und Malen”, das Graphit Festival und die wöchentlich stattfindende “Zeichenrunde” ins Leben gerufen. Aktuell befindet sich das Netzwerk in Vereinsgründung, um öffentlichkeitswirksamer agieren und Fördermittel für größere Projekte und Veranstaltungen akquirieren zu können. Wir haben den Ideengeber und Vorstandsvorsitzenden Stefan zusammen mit Grafiker und Vereinsmitglied Ole Bechert zum digitalen Schnack am Morgen mit Müsli und heißem Kaffee getroffen.
Gemeinsam Zeichnen und Malen, Wissensaustausch, Impulse und neuer Input sowie branchenübergreifende Zusammenarbeit der Kreativschaffenden in der Stadt Erfurt
“Kreative in einem Pool aus Kreativen sind sichtbarer als alleine”, erklärt Illustrator Stefan bei unserem morgendlichen digitalen Austausch. Er sitzt mit Ole zusammen in dessen Atelier auf dem Erfurter Petersberg. Ole ist als Grafiker schon seit vielen Jahren für den kulturellen Bereich tätig und hat sich 2019 dem Netzwerk angeschlossen. “In Thüringen sind viele Kreativschaffende bis in den letzten Winkel verteilt. Dadurch begegnen sie sich nicht so einfach. Das Graphit und die Zeichenrunde sind tolle Möglichkeiten, um sich kennen zu lernen”, meint er.
Zwischen Bergen von Kunstbüchern lächeln uns die beiden Kreativschaffenden an, während sie an ihrem Kaffee nippen. “Das Graphit Festival ist ein Füllhorn an hochkarätigen Angeboten und Formaten, von Vorträgen über Workshops bis zu Filmen und Diskussionsrunden, um Impulse und neuen Input zu geben sowie branchenübergreifende Zusammenarbeit der Kreativschaffenden in der Stadt Erfurt und darüber hinaus anzuregen”, so Ole, der erstmals 2020 auch am Graphit Festival teilgenommen hat. Seither ist er mit vollem Einsatz dabei, die “Verdichtung an Potenzialen und Chancen durch das Netzwerk” mit seiner Expertise zu unterstützen.
Das Festival, das seit 2018 alle zwei Jahre stattfindet und sich über mehrere Tage erstreckt, bringt in einem umfangreichen Programm Künstler und Kulturschaffende sowie Supporter und Dozentinnen zusammen. Neben spannenden Gesprächsrunden, Impulsen, Filmen und Aktionen steht der Netzwerkcharakter im Vordergrund. Vergangenes Jahr fand das Graphit erstmals auch digital statt. “Alle unsere Aktionen und Events sind bisher durch das ehrenamtliche Engagement von vielen tollen Menschen möglich geworden. Durch die Vereinsgründung, die dann Anfang nächsten Jahres abgeschlossen sein wird, erhoffen wir uns neben mehr öffentlicher Aufmerksamkeit auch Förderchancen für unsere Visionen und Ideen”, so Stefan, der mit dem Netzwerk auch das kulturelle Leben in Erfurt fördern möchte.
„Neben dem Netzwerk an sich verbindet die Menschen die Liebe zum Illustrieren, Malen und kreativ sein“
“Wir haben uns bis dato schon bestens organisiert, aber eine offizielle Struktur schafft nochmal Verbindlichkeit und ein verbindendes Element bei den Akteuren und Akteurinnen.” Auch Ole findet, dass die Vereinsgründung ein wichtiger Schritt ist: “In einem Verein lassen sich auch leichter Rollen und Aufgabenpakete verteilen. Zudem kann man zusammen mit den Vereinsmitgliedern basisdemokratische Entscheidungen treffen, die Stefan bisher oftmals alleine treffen musste.”
Eine Plattform, um Kreativen neue Perspektiven zu ermöglichen und an gemeinsamen Ideen und Projekten zu tüfteln
“Neben dem Netzwerk an sich verbindet die Menschen die Liebe zum Illustrieren, Malen und kreativ sein”, erzählt Ole, dessen Telefon während unseres Interviews beinahe ununterbrochen klingelt. Neue Projekte warten am anderen Ende der Leitung, aber der gebürtige Thüringer bleibt im Gespräch voll präsent – das Graphit und das regelmäßige Format Zeichenrunde bedeuten ihm sehr viel: “Bei der wöchentlichen Zeichenrunde, die immer an verschiedenen Orten, wie Bars, Cafés, Ateliers und Kulturstätten stattfindet, kommt man mit anderen Illustratoren und Künstlerinnen ins Gespräch, zeichnet gemeinsam meditativ, gibt sich wertvolles Feedback und kann sich austauschen. Die Runde ist zudem nicht nur für professionelle Zeichner und Zeichnerinnen bestimmt, sondern jeder ist willkommen.”
Hier gäbe es dadurch keinen “gestalterischen Druck”, man tausche Skizzenbücher aus und gäbe sich Tipps in einer offenen Atmosphäre. Jeden Donnerstag findet die Runde ab 19.00 Uhr statt. Die entsprechenden Locations werden auf dem Blog des Graphit Festivals kommuniziert, auf dem auch Buchtipps und andere Veranstaltungshinweise zu finden sind. “Die Zeichenrunde entstand als Idee für ein freizeitliches und soziales Treffen. Wir wollten eine Plattform schaffen, um Kreativen neue Perspektiven zu ermöglichen und an gemeinsamen Ideen und Projekten zu tüfteln”, ergänzt Stefan. Im Zuge der Zeichenrunde ist der Wunsch entstanden, einen Raum für tiefergehende Inhalte zu schaffen, der auch Berufszeichner und -illustratorinnen aus ganz Deutschland anspricht und nach Erfurt lockt. So ist schließlich das Graphit Festival mit Angeboten zu handwerklichen, technischen aber auch philosophischen Inhalten rund ums Thema Zeichnen entstanden.
Wertvolles Empfehlungsnetzwerk und potenzielle Auftraggebende
Die Zeichenrunde und das Netzwerk rund ums Graphit erstrecken sich längst nicht mehr nur um Erfurter Kreativschaffende. Auch Designer und Illustratorinnen aus Weimar und Jena sind dabei. Zudem sind potenzielle Auftraggebende bereits auf das Netzwerk aufmerksam geworden: “Wir bekommen mittlerweile Anfragen von Firmen und Institutionen, ob jemand aus dem Netzwerk Aufträge im Bereich Urban Art, Illustration oder Grafik umsetzen kann und möchte. Dadurch entsteht ein wertvolles Empfehlungsnetzwerk, durch das die Akteure und Kreativen aus Thüringen sichtbarer werden und die Chance bekommen, professionelle Projekte umzusetzen.”
Stefan lächelt stolz, als sich Ole an gemeinsame Aktionen erinnert: “Das Netzwerk wird auch von kulturellen Orten, wie dem Schauspielhaus oder der Kleinen Rampe am Erfurter Zughafen angefragt und für Malaktionen oder Graphit Battles eingeladen. Ziel dabei ist es, Orte zu beleben und Menschen auf das Netzwerk aufmerksam zu machen. Zudem sind das tolle Gelegenheiten, um uns mit der Erfurter Kulturszene zu vernetzen.” Aufgrund der Corona-Pandemie sind zudem digitale Formate, wie das Live-Zeichnen oder “Mucke und Malen” entstanden, die das Netzwerk zusammen mit Kollaborationspartnern und Unterstützenden wie dem „Nochson e.V.“, der Kleinen Rampe, dem Klanggerüst e.V., Planet Comics, der Wies-a-Vis oder der Kulturdirektion der Stadt Erfurt live auf die Bildschirme zu Hause gestreamt hat.
Verschiedene Orte in der Stadt zu bespielen, sei auch für die Kreativschaffenden wichtig, denn so kämen sie mit anderen Leuten aus anderen Bereichen ins Gespräch, würden sich mit den Orten auseinandersetzen und so auch Räume für potenzielle Ausstellungen und Kunstaktionen erschließen können, so Stefan, der zu lachen beginnt, als der Home-Office-Hund der THAK-Kollegin beginnt, das Gespräch durch Schmatz-Geräusche am Futternapf zu unterbrechen.
Netzwerk mit sozialen, ideellen und beruflichen Mehrwerten
Zusammen mehr erreichen, an Ideen tüfteln, die Stadt kulturell mitgestalten, auf andere Kreativschaffende treffen und kreative Leidenschaften teilen: Wer Teil des Netzwerkes werden möchte, der kann sich über die Mailadresse mail@graphit-festival.de mit Stefan in Verbindung setzen. Alternativ kann man auch einfach an der Zeichenrunde teilnehmen und mit den Organisatoren und Organisatorinnen ins Gespräch kommen. “Bei jedem Netzwerk gibt es soziale, ideelle und berufliche Mehrwerte, von denen man profitieren kann. Dabei ist es jedoch notwendig, dass jeder auch Zeit investiert und Input hineingibt.
Ohne Support und das Engagement aus dem Netzwerk wäre vieles nicht möglich gewesen”, erklärt der Illustrator, der nach seinem Studium 2017 in ein “Loch” gefallen ist: “Ich war mit meinem Studium fertig und mir wurde klar, dass der regelmäßige Austausch mit meinen Kommilitonen und Kommilitioninnen wegfallen wird. Neben meiner freiberuflichen Arbeit besuchte ich Festivals und Workshops, als Niels auf mich zukam und meinte: Wollen wir nicht eine Runde organisieren, die sich regelmäßig zum Zeichnen trifft? Und so organisierten wir im Kleinen die erste Zeichenrunde im Erfurter Café Hilgenfeld und plötzlich standen zwölf Leute vor uns, die wir nicht kannten. Ich fühlte mich wie ein Teil einer Peergroup – das war ein großartiges Gefühl.”
Wer keinen Stift schwingen, aber dennoch das Graphit unterstützen möchte, der kann sich mit Ideen, Materialien, Zeit, Leihgaben oder auch durch finanzielle Spenden für das Netzwerk engagieren. “Manchmal sind es bereits die kleinen Dinge, die zählen und die gemeinsame Projekte und Events magisch machen. Daher freuen wir uns über Interessierte, Netzwerkpartnerinnen, Kollaborateure und Unterstützerinnen, die mit ihrer individuellen Magie und den Leuten rund ums Graphit etwas bewirken wollen.”
Kontakt
GRAPHIT FESTIVAL & Erfurter Zeichenrunde
graphit-festival.de
mail@graphit-blog.de
@graphitfestival
Fotos: Ole Bechert
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