Designexperte aus Erfurt bringt kreativen Glanz auf das Spielbudenfestival in Hamburg

Im Interview mit Designer Hannes Naumann

Mit seinem einmaligen Stil, den Illustrator und Musiker Hannes Naumann alias captainashi in seinen Arbeiten mit modernen und auffälligen Kniffen kombiniert, überzeugt er Auftraggebende aus Musik, Kultur, Clubszene und Kunst. Hannes’ Spezialität: Eindringliche Designs und Illustrationen konzipieren, die in Erinnerung bleiben. Neben einzigartigen Kampagnen für Kulturorte wie die Erfurter Engelsburg oder das Plakat für den branchentreff:kreativ 2024 der THAK, gehört die Gestaltung für das diesjährige Spielbudenfestival 2024 in Hamburg zu seinen aktuellen Projekten. Wir wollten mehr über den Auftrag, den der gebürtige Bad Frankenhäuser für das Festivalteam umgesetzt hat, und das Konzept hinter der Gestaltung erfahren.

Hannes Naumann (vorne links) konzipierte auch dieses Jahr wieder die Gestaltung des Spielbudenfestivals in Hamburg, Foto: Sabine Möbius.

Was ist das Spielbudenfestival in Hamburg?

In Europa gibt es, vor allem außerhalb Deutschlands, eine beeindruckende Straßenkunst-Szene, in der Tänzer:innen, Clowns und Musiker:innen spannende und künstlerisch wertvolle Performances zeigen. Das Spielbudenfestival möchte genau diese Straßenkunst würdigen und nach Hamburg holen. Es bietet eine Plattform für Künstler:innen aus aller Welt, um ihre Kunst dort einem breiten Publikum zu präsentieren. Die Kampagne des Festivals sollte deshalb die Menschen dazu einladen, die Schönheit und Vielfalt der Straßenkunst zu entdecken und zu feiern. Initiator und Ideengeber des Festivals ist Corny Littmann – eine lebende Hamburg-Legende, dessen Theaterhäuser auf St. Pauli zu den beliebtesten Attraktionen der Stadt gehören. Er setzt sich für Kultur generell und die LGBTQ+ Community ein und ist auch für politische Aktionen bekannt. Das Spielbudenfestival, das er mit seiner Stiftung realisiert, ist so eine Art Versuch, Hamburg für Straßenkunst zu begeistern und sich selbst ein kleines Denkmal zu setzen. Seine Vision ist es, dass der Spielbudenplatz ein bisschen zu seinen Ursprüngen zurückkehrt und zu einer Bühne für Akrobatik, Artistik und Musik wird, wo alle die Möglichkeit haben, eine ganz besondere Form der Unterhaltung zu erleben, die man heute nicht alle Tage sieht.

Wie ist der Kontakt zu Corny Littmann zustande gekommen und was hast du für das Spielbudenfestival gestalterisch umgesetzt?

Der Kontakt kam über einen langjährigen Auftraggebenden aus Erfurt zustande, der das Festival selbst mitorganisiert und mich für die Umsetzung der Kampagne und die Gestaltung verschiedener Werbematerialien schon 2020 für das Spielbudenfestival empfohlen hat. Ich bin dann direkt mit der Tür ins Haus gefallen und mit ersten Plakatentwürfen zum Kennenlerngespräch nach Hamburg gefahren. Ich wurde dann 2020 das erste Mal beauftragt, das Design für die Plakate und die gesamte Festival-Kampagne drumherum zu entwickeln. Die visuelle Gestaltung sollte einerseits die Tradition und Nostalgie der Spielbuden-Welt einfangen, aber auch die Atmosphäre und Vielfalt des heutigen St. Paulis widerspiegeln. Inzwischen gehe ich mit dem Festival ins fünfte Jahr und die Palette an Werbemitteln und -grafiken wird jedes Jahr ein bisschen größer.

Wie ist dein Gestaltungskonzept entstanden?

Zunächst habe ich mich vor allem auf die visuelle Gestaltung der Plakate konzentriert, da dies mein Kernmedium ist nach dem sich der Rest der Kampagne dann ausrichtet. Dafür setzte ich mich mit Straßenkunst an sich auseinander und mit dem Ort an dem das Festival stattfindet: dem Spielbudenplatz. Der war schon vor 200 Jahren bekannt für seine hölzernen Spielbuden, in denen Künstler:innen, Artist:innen und Gaukler:innen auftraten. Heute ist der Platz immer noch ein kleines Unterhaltungs-Eldorado: Showpaläste, Theater, Kinos und viele weitere Etablissements sind dort ansässig. 

Am Anfang war mir hier wichtig, einen gewissen Retro-Charme herzustellen und den geschichtlichen Aspekt der Straßenkunst einzufangen, weshalb ich mich besonders an alten Zirkus- und Varieté-Plakaten orientierte. Für diesen historischen Charakter im Plakat sorgte dann auch eine Archiv-Fotografie der St. Pauli-Skyline, die nun fester Bestandteil des Festival-Designs ist. 

Aus einigen ersten Vorentwürfen, die zum Teil völlig unterschiedlich waren, habe ich mich dann mit der Festivalleitung auf eine Linie geeinigt und damit weitergearbeitet. Seitdem variiert das Motiv jedes Jahr und wird jährlich ein Stück moderner.

„Ich hatte die Idee, das Design wie ein altes Zirkusplakat zu behandeln aber mit modernen Kniffen zu gestalten und mit meiner eigenen gestalterischen Handschrift zu verbinden

Wie hast du deine Idee schließlich umgesetzt?

Ich hatte die Idee, das Design wie ein altes Zirkusplakat zu behandeln aber mit modernen Kniffen zu gestalten und mit meiner eigenen gestalterischen Handschrift zu verbinden. So konnte ich mit meiner „Cut and Paste”-Methode neue Elemente mit alten kombinieren, wobei ein Collagen-Look entsteht, der etwas an die Punk-Plakate der Siebziger erinnert. Fragmente aus der Kampagne des Vorjahres werden von mir immer bewusst übernommen, um die Tradition des Festivals aufzugreifen und sie dann schrittweise weiterzuentwickeln. So entstand gerade in diesem Jahr eine Kombination aus zeitgenössischer Ästhetik und nostalgischem Flair, die das Festival hoffentlich auf den Punkt bringt: Traditionelle Straßenkunst mit wahnsinnig modernen Elementen, mitten im kulturellen Schmelztiegel St. Pauli.

Wie kam deine Idee beim Festival-Team in Hamburg an?

Als ich damals nach Hamburg kam, um meine Ideen vorzustellen, war ich fast ein bisschen ehrfürchtig, weil mir Corny Littmann (besonders aus Rio Reisers Dunstkreis) durchaus ein Begriff war und ich wirklich großes Interesse an der Aufgabe hatte. Glücklicherweise hatte ich bereits eine gewisse Verbindung zur Hansestadt, da ich früher selbst in der Musikszene arbeitete und lange für ein Hamburger Plattenlabel tätig war. Die Stadt war mir also als kreativer Ort bekannt, aber durch das Festival habe ich eine ganz neue Seite von ihr kennengelernt. Meine Design-Ideen stießen auch gleich auf offene Ohren und ich konnte mein Konzept sehr frei umsetzen. 

Wo ist dein Design schließlich überall zu sehen?

Eigentlich so ziemlich überall, wo man es sich vorstellen kann: In der gesamten Printwerbung und auf den Social-Media-Kanälen des Festivals, auf zahlreichen Plakaten in Hamburg und am Tag des Festivals selbst auf dem gesamten Platz. Das ist auch immer der magische Moment, wenn die eigene Gestaltung plötzlich vom Bildschirm auf Flaggen, Schilder, Aufsteller und gigantische LED-Leinwände springt und vor Ort für Aufmerksamkeit sorgen darf. Besonders cool war bereits letztes Jahr der Print auf einem riesigen Heißluftballon, der über dem Festival schwebte und vor allem bei den jungen Gästen für Begeisterung sorgte. 2023 gab es zusätzlich eine Kooperation mit den Kunsthallen Hamburg, wo ich eine Mini-Ausstellung zum Spielbudenfestival gestaltete. Auf Schautafeln konnten sich Besucher:innen über das Festival und die Geschichte des Platzes informieren, darüber hinaus aber auch hinter die Kulissen der Festivalplakatgestaltung blicken, was ich natürlich besonders reizvoll fand.

Was konntest du für dich persönlich bei diesem Auftrag mitnehmen?

Vor allem viel Inspiration, tolle neue Kontakte und neue Erfahrungen. Das Besondere an diesem Auftrag ist die starke Interaktion der Besucher:innen mit den Printprodukten: Sie nehmen Poster und Shirts mit, halten Lagepläne in der Hand oder lassen sich vor den Schildern fotografieren, auf denen mein Designs zu sehen sind.

Eher selten für meine Arbeitsweise und total ergiebig ist beim Spielbudenfestival auch die direkte Zusammenarbeit vor Ort mit Fotograf:innen, Kamera-Teams oder Social-Media-Beauftragten. Da eine gemeinsame Vision auszuhecken und sie am Festivalwochenende als Crew umzusetzen ist wirklich ein großer, kreativer Spaß.

Außerdem gefällt mir an der Zusammenarbeit mit dem Festival besonders, dass man seiner Intuition folgen darf und auch mal ganz spontan Ideen einwerfen kann. Kurz vor dem Festivalbeginn 2022 hatten wir zum Beispiel spontan die Idee zu einem Ausmalbuch für Kinder, das ich dann innerhalb weniger Tage gestaltet und umgesetzt habe. Das Festival macht einfach vieles möglich und man wird als Kreativer gut wertgeschätzt.

Und wie empfindest du die Zusammenarbeit in diesem Jahr?

Ich freue mich sehr, dass ich für das diesjährige Festival, das vom 19. bis 21. Juli stattfindet, wieder angefragt wurde. Schon vor Beginn des Festivals hingen die Plakate bereits an vielen Litfasssäulen Hamburgs. Visuelle Gestaltungselemente vom letzten Jahr wurden zwar wieder aufgegriffen, um Kontinuität zu schaffen, der Fokus liegt dieses Jahr aber noch stärker auf dem internationalen Ensemble spannender Künstler:innen, die dort auftreten. Die Künstler:innenauswahl konzentriert sich verstärkt auf französische Artist:innen, die mit ihrer Kunst zum Ausdruck bringen, was Straßenkünstler:innen aktuell bewegt. Nachdem wir in den letzten Jahren einen Blick auf die Geschichte geworfen haben, möchten wir nun wissen, was in der Gegenwart geschieht. Es geht darum, neue Trends und Entwicklungen im Bereich der Straßenkunst zu erkunden und diese in der Veranstaltung widerzuspiegeln. Die diesjährige Kampagne wirft daher einen frischen Blick auf die aktuelle Straßenkunstszene und erweckt diese durch innovative visuelle Gestaltungselemente zum Leben. 

Auch konnte ich dieses Jahr einen Hauch Illustration und ein bisschen mehr Farbe ins Spiel bringen. Das ist bei diesem Auftrag die große Herausforderung: Kontinuierlich einer Gestaltungslinie treu zu bleiben aber trotzdem jedes Jahr frisch und neu auszusehen. 

Was gibt es noch zu sagen?

Design ist für mich mehr als nur hübsche Motive bauen. Es geht immer darum, eine Botschaft zu transportieren und Emotionen zu wecken. In meiner Arbeit als Grafikdesigner für das Festival habe ich die Möglichkeit, nicht nur Plakate und Werbung zu gestalten, sondern auch Teil einer größeren Kampagne zu sein. Das Spannende daran ist, dass ich nicht nur am Computer sitze, sondern auch vor Ort aktiv sein kann im Team arbeite. Ich kann sehen, wie meine Gestaltung das Event belebt und wie die Menschen darauf reagieren. Das wird sicher auch wieder mein persönliches Highlight – die direkte Interaktion des Publikums mit meiner Gestaltung zu erleben. Es ist einfach toll, live dabei zu sein und zu sehen, wie meine Arbeit Wirkung entfaltet.

Kontakt

Hannes Naumann
Grafik & Illustration
ashi.de
Instagram: @captainashi

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