Design Thinking

Mit Kleber, Schere und Bastelkarton zur Innovation

Die Uhr tickt erbarmungslos in signalrot. Noch 2 Minuten. Alufolie raschelt. Schnell wird noch ein Eierkarton zerschnitten, buntes Papier gefaltet, Legobausteine gestapelt. Noch 30 Sekunden. “Kann mir mal jemand den Kleber reichen?” Bing! Die Zeit ist um.
Was nach Stressresistenz-Test in der Kindergartengruppe „Maikäfer“ klingt, kann innovative Denkweisen in Gang setzen. Der Basteltisch steht in Gera. Die hochroten Köpfe mit Kleber an den Fingern haben den Kindergarten lange hinter sich gelassen und sich für die Teilnahme an unserem, in Kooperation mit New Work Thüringen durchgeführten, THAK Labor angemeldet. Grafiker in einer Werbeagentur, Manager der IT-Abteilung, Unternehmer – rund 40 Teilnehmer aus verschiedenen Branchen sind zusammengekommen, um zu erfahren, was sich hinter dem Begriff „Design Thinking“ verbirgt. Gerade haben sie den Prototypen des perfekten Portemonnaies gebastelt. Unter Zeitdruck. Typisch für den Ansatz des „Design Thinking“.

 

Was ist Design Thinking?

„Design Thinking“ ist ein Ansatz aus der Innovationsschmiede des Silicon Valley und angelehnt an die Arbeitsmethoden von Designern. Das Ziel: die kreative Lösung komplexer Problemstellungen. Bewährtes wird neu gedacht. Innovationen werden geschaffen. Mittlerweile hat der Ansatz den Weg in zahlreiche internationale Unternehmen und Organisationen jeglicher Größe gefunden. Bekannteste Beispiele: BMW und SAP.

 

Das Besondere:

Die Mischung macht’s
Der Design Thinking Ansatz sieht den Motor für innovatives Denken in einer Mischung aus Menschen unterschiedlicher Disziplinen. Fachsprache gibt es damit nicht, nur das ursprüngliche Mensch-Sein. Der multidisziplinäre Mix an Denkweisen trifft dann in einem Umfeld zusammen, das die Kreativität zusätzlich anheizt – zwischen Knete und Bastelkarton im bunten „Konzernspielzimmer“.

 

Der Blick durch die Brille des Nutzers
Das Design Thinking hebt denjenigen ins Zentrum, der das fertige Produkt später in den Händen halten wird: den Anwender. Das Entwicklerteam wagt sich nah an ihn heran, versucht seine Bedürfnisse und Wünsche auszuloten, nimmt seine Perspektive ein. Die Werkzeuge sind entsprechend empathisch: Verstehen und Beobachten sind in Kombination mit Ideenfindung, Verfeinerung, Ausführung und dem Lernen die wesentlichen Schritte im Innovationsfindungsprozess.

 

Der Basteltisch
Kartons, Knete, Lego, Bauklötze: die Innovationsstrategen stapeln, kleben und basteln mit Eifer an den Innovationen von morgen. Die frühe Entwicklung eines Prototypen ist ein wichtiges Element des Design Thinking, die Konstruktionselemente ähnlich dem Inventar eines Kinderzimmers. Die Prototypen sollen keine perfekt ausgereiften Lösungen sein. Mit einfachen Mitteln wird die nutzerorientierte Empathie geschürt. Innovative Ideen werden fassbar und auf ihre praktische Handhabung hin getestet.

 

Zurück nach Gera

„Kreativität ist Arbeit“ sagt Stephan Opitz von der DB Systel, der die Labor-Teilnehmer an diesem Mittwochabend auf eine Design Thinking Reise schicken wird. Die Kreativmethodenbummler werden dabei keine App entwickeln oder Medizingeräte innovativ gestalten. Am Ziel wartet ein Alltagsprodukt: eine Geldbörse. Das „wallet project“ ist eine gängige Methode, um das Design Thinking greifbar zu machen.
Interdisziplinär finden sich die Design Thinker in Zweiergruppen zusammen und durchlaufen die Prozessschritte. Verstehen, Beobachten, Sichtweise definieren, Ideen finden, Prototypen gestalten, Testen: aktuelle Portemonnaies werden aus den Taschen gekramt und intensiv studiert, Fragen beantwortet, Entwürfe skizziert und verworfen, buntes Zubehör zum Prototypen verschweißt. Die digital auf die Leinwand geworfene Uhr tickt. Was den Teilnehmern des Entwicklungsprozesses die Schweißperlen auf die Stirn treibt, ist Kalkül. Der Gedanke dahinter: Überdenken vermeiden und Effizienz schüren. Frei nach dem Motto, 80 Prozent durchdenken ist so gut gedacht wie 100 Prozent, wird der Kreativprozess zeitlich beschnitten.
Unsere Portemonnaies schillern in den schönsten Bastelkartonfarben, übertragen Daten digital auf Legodiagramme oder werden aus Stoffresten getackert. Am Ende steckt jeder Teilnehmer den Prototypen seines auf ihn zugeschnittenen Portemonnaies in die Tasche und hat praktisch erlebt, was theoretisch in Deutschlands Strategieabteilungen gehypt wird. Mit unterschiedlichem Fazit. Neben der Euphorie über das „um die Ecke denken“, wirft sich die Frage auf, wie und wann Kreativität eigentlich „passiert“.

 

Fazit

Der Zeitraffer der Digitalisierung zwingt zum Umdenken. Und macht Angst. Methoden, die schnell und einfach Kreativität und Innovation versprechen, bringen die Erleichterung. Der Ansatz des Design Thinking ist dabei genauso simpel wie effektiv und wahrscheinlich gerade deshalb so erfolgreich. Weltweit hat sich eine regelrechte Glaubensgemeinschaft gebildet, die sich begeistert um das „Design Thinking“ scharen. Mit der d.school am Hasso Plattler Institut wurde sogar eine Schmiede für Design Thinker geschaffen. Bis zu 240 Studierende werden hier im Ergänzungsstudium ausgebildet. Auch unsere Referenten der DB Systel wurden am Hasslo Plattler Institut geschult.
Es gibt jedoch nicht nur Fans. Der Ansatz stößt mit der Annahme, dass kreative Prozesse komplett designt werden können, auch auf Kritik. Bei unserem Treffen in Gera sehen besonders Unternehmer aus der Kreativwirtschaft Probleme bei der Übertragung der Design Thinking Methode in den Arbeitsprozess von Agenturen.
Die Unterteilung von kreativem Denken in planbare Prozesse ist streitbar, aber der Abend in Gera zeigt: Vor allem das Aufeinandertreffen unterschiedlicher Disziplinen und Branchen öffnet neue Blickwinkel und unterstützt das Denken „outside of the box“. Ein Ergebnis, das für uns nicht neu ist und das wir mit Veranstaltungen wie dieser nutzbar machen.

 

 

Text und Fotos: Claudia Köhler

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