Was passiert, wenn ein Raumfahrtunternehmen mit einer Thriller-Autorin und einem VR/AR-Experten gemeinsam an seinem Employer Branding arbeitet? Wenn ein Start-up zusammen mit einem Künstler und einer Produktdesignerin überlegt, wie es die Brücke von der technischen Innovation zur Zielgruppe schlagen kann?
Zwei Unternehmen. Zwei unternehmerische Herausforderungen. Vier Kreativschaffende. Zwei Teams. Vom 21. bis 24. Oktober 2024 erlebten sieben Menschen aus unterschiedlichen Disziplinen im Cross Lab im Erfurter Werkraum.Studio, was entsteht, wenn verschiedene Denk- und Arbeitswelten zusammentreffen: Da sind Spannungen und Reibungen und am Ende oft ganz besondere, frische Ideen für die wirtschaftlichen Herausforderungen unserer Zeit. Im Cross Lab wurden Wirtschaft und Kreativität mit Hilfe von Cross Innovation, also branchenübergreifender Zusammenarbeit, verbunden. Die Teilnehmenden erlebten die Zusammenarbeit in einem Design-Thinking-Sprint vom Verstehen der Problemstellung über die Entwicklung von Ideen bis hin zum Testen von Prototypen. Organisiert wurde das Cross Lab von der Thüringer Agentur für die Kreativwirtschaft (THAK) und ThEx innovativ, angeleitet von Prozessdesignerin Veronika Busch (fint e.V.).
Im ersten Teil blicken wir in den Arbeitsprozess des Teams Space.
„Team Space“ – Das Raumfahrtunternehmen Jena-Optronik: Nachhaltige Verbindungen zwischen Mitarbeitenden und gelebte Werte im Unternehmen
Die Herausforderung
Das Unternehmen Jena-Optronik ist international bekannt für seine technischen Innovationen in der Raumfahrttechnik. Seit vielen Jahrzehnten unterstützt der Weltmarktführer mit seinen Sensoren erfolgreich zukunftsweisende Weltraummissionen. Jena-Optronik gehört einer Branche an, die sehr stark von der Faszination und Leidenschaft aller Beteiligten sowie von innovativen Ideen und Kooperationen geprägt ist. Sein Ziel ist es, Mitarbeitende zu binden, die mit Spaß und Lust langfristig an Projekten des Unternehmens arbeiten. Entsprechend sieht Jena-Optronik seine Herausforderung im internen Employer Branding.
Das Team Space
Annett Feige, Director Public Relations bei Jena-Optronik, durchlief gemeinsam mit den Kreativen Verena Kolb (Thriller-Autorin, Arbeitspsychologie-Studentin, Schachspielerin) und Joerg Michel (Geschäftsführer der Agentur für interaktive Lern- und Spieleanwendungen KIDS Interactive und Experte für AR und VR) einen mehrstufigen Cross-Innovation-Prozess, um die Herausforderung zu lösen.
Der Output
Gleich zu Beginn des gemeinsamen Cross-Innovation-Prozess wurde klar, dass die Herausforderung von Jena-Optronik mehrschichtig ist. Das gezielte Hinterfragen der Struktur und Prozesse des 239-Mitarbeiter:innen-starken Unternehmens führte die Kreativschaffenden zu einem Problemverständnis, bei dem die Verbindung der Mitarbeitenden, Wertschätzung und Führungsstile im Fokus standen. Die entwickelten Ideen zielen darauf ab, unternehmensintern Verbindungen zu schaffen, Unternehmenswerte zu leben und von einer mechanistischen Führung zu einer menschenzentrierten Führung überzugehen.
Über allen Ansätzen stehen die Stärkung der Gemeinschaft, das abteilungsübergreifende Erleben des Unternehmens sowie das Begünstigen von Prozessänderungen. Das Team ist mit seinen Ideen im Bild der Raumfahrt geblieben und hat sich deren Sprache sowie üblicher Praktiken bedient.
Mitarbeitende werden, mit Bezug zum Unternehmensstandort Jena, zu „Jenanaut:innen“ und stilecht in Raumfahrtkleidung mit einem Foto vorgestellt. Dadurch werden sie aus der Anonymität ins Sichtfeld des Unternehmens gerückt. Das macht Einzelne sichtbar und schafft ein Selbstverständnis der Mitarbeitenden, das über die Teams hinausgeht.
„Mission Badges“, die in der Raumfahrt exklusiv für jede Expedition gestaltet werden, werden im Team Space zu Wertschätzungs-Badges und an Mitarbeitende zum Beispiel für hervorragende Unterstützung im Team vergeben. Sie motivieren zur gegenseitigen Wertschätzung und animieren zur Selbstwirksamkeit. Die Träger:innen der Badges werden zum einen im Intranet gewürdigt und zum anderen werden die Badges an Mitarbeiter:innenfotos im Flur der Firma sichtbar platziert, um die Anerkennung greifbar zu machen.
Abteilungsübergreifende Verbindungen werden geschaffen, indem sich die “Jenanaut:innen” in kleinen Gruppen auf eine unternehmensinterne, geführte Reise, die „Mission to Desk“, begeben und zum Beispiel die Mitarbeitenden der Fertigung und deren Abteilung besuchen.
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Das Team Space
Verena Kolb
Autorin
„Es war ein sehr intensiver Arbeitsprozess, der von einigen Höhen und Tiefen geprägt war. Umso begeisterter bin ich jedoch, dass es uns letztendlich gelang, innerhalb unseres Team Space Höchstleistung abzuliefern und hochgradig effizient zusammenzuarbeiten. Das war ein toller Erfolg und mit dem Ergebnis waren wir allesamt sehr zufrieden!“
Annett Feige
Director Public Relations bei Jena-Optronik
„Das Format Cross Lab zeigt auf eindrucksvolle Weise das vielfältige Potenzial in Thüringen! Gemeinsam eine aktuelle Herausforderung zu bearbeiten und zu umsetzungsfähigen Ideen sowie konkreten Lösungsansätzen zu kommen, ist beeindruckend. Die Kreativschaffenden und deren Impulse von außen haben einen spannenden Perspektivwechsel gebracht. Abgesehen von der „Unternehmensperspektive“ möchte ich meine persönliche Reise in den vier Tagen herausstellen. Den Prozess des „Design Thinkings“ so konzentriert zu erleben, wurde durch die großartige Moderation möglich, aber insbesondere auch durch das achtsame Zusammenspiel mit den anderen Teilnehmenden. Dafür bin ich sehr dankbar und möchte danke sagen!“
Joerg Michel
Geschäftsführer und XR-Experte bei KIDS Interactive
„Das Cross Lab ist ein wunderbares Arbeitsformat, das geprägt ist durch offenen Austausch und ein kreatives Geben und Nehmen von Wissen, Erfahrungen und Ideen, die gemeinsam innerhalb kurzer Zeit in ein Reifestadium gebracht werden. Insbesondere die interdisziplinäre Zusammensetzung der Teams empfand ich persönlich als sehr gewinnbringend und auf besondere Art lehrreich und spannend.“
Cross Lab – darum ist kooperatives Arbeiten für zukunftsfeste Unternehmen so wichtig
Zusammenarbeit ist das Gebot der Stunde – auch beim Entwickeln von neuen Ideen. Warum also nicht gemeinsam mit der Kreativbranche arbeiten, deren täglich Brot das Entwickeln neuer Ideen ist? Hier setzt Cross Innovation an und bringt Kreativwirtschaft mit Akteur:innen anderer Branchen zusammen. „Das Format Cross Lab schafft für Unternehmen unterschiedlicher Branchen echte Mehrwerte und weitet den Blick. In unserem Fall, dass es möglich wird, aktuelle Herausforderungen in der Zusammenarbeit mit Kreativen von einer anderen Perspektive aus zu betrachten. Die Erfahrungen, die ich hier gewonnen habe, werde ich sicherlich auch in anderen Bereichen des Unternehmens anwenden können”, so Annett Feige, Director Public Relations bei Jena-Optronik und Teilnehmerin des Cross Labs 2024. Auch Unternehmer Matthias Bergmann von der Familienbäckerei Bergmann, Teilnehmer des Cross Labs 2023, empfiehlt Unternehmer:innen mindestens einmal jährlich einen angeleiteten Kreativprozess zu durchlaufen: “Für uns war es spannend, mit Leuten zusammenzuarbeiten, die erstmal nichts mit dem Bäckerhandwerk zu tun haben und dazu noch kreativ sind. Das war unglaublich. Unfassbar, dass in so kurzer Zeit so viele tolle Ideen entstanden sind, die gleich umsetzbar waren”.
Unterschiedliche Menschen mit unterschiedlichen Perspektiven sind das Fundament für frische Ideen und den berühmten Blick über den Tellerrand, den Unternehmen, die zukunftssicher agieren möchten, dringend brauchen. In kuratierten Cross-Innovation-Prozessen werden daher auf dieser Grundlage und mit Hilfe kreativer Methoden, Ideen für die aktuellen unternehmerischen Herausforderungen generiert und bis zum Prototypen weiterentwickelt.
Bei der Teilnahme an einem Cross Lab geht es jedoch nicht ausschließlich um die Ergebnisse: Es geht um das Üben von Zusammenarbeit mit Menschen, mit denen man sonst vielleicht nicht zusammengearbeitet hätte und das Ausprobieren von Kreativmethoden, wie die des Design Thinking.
Cross Lab – so läuft der Kreativprozess ab
Das Herzstück aller Phasen ist die passende Kreativmethode – beim Cross Lab 2024 bediente sich Systemdesignerin und Moderatorin Veronika Busch dem Design Thinking. Durch die Methode kann laut Veronika “Kreativität organisierbar“ werden. “Design Thinking“ ist übrigens ein Ansatz aus der Innovationsschmiede des Silicon Valley und angelehnt an die Arbeitsmethoden von Designer:innen. Mittlerweile hat der Ansatz den Weg in zahlreiche internationale Unternehmen und Organisationen jeder Größe gefunden. Bekannteste Beispiele: BMW und SAP. Bewährtes kann hierbei neu gedacht werden. Genauso wie im Cross Lab in Erfurt.
“Open-Innovation-Prozesse, wie sie auch in Erfurt durchgeführt wurden, sind für alle Arten von Unternehmen interessant: Vom kleinen Steuerbüro über Kommunen und Städte bis zu großen Konzernen. Wenn ich mich als Unternehmen also frage, wie und welche neuen Geschäftsmodelle oder Dienstleistungen ich implementieren kann, wenn ich auf der Suche nach neuen Fachkräften bin oder wenn ich mich von Abhängigkeiten befreien möchte, dann ist Cross Innovation auf jeden Fall sinnvoll. Der Markt ist in allen Bereichen im Wandel und jede Branche muss sich neu erfinden, um zukunftsfähig zu sein. Cross Innovation kann dabei helfen, tradierte Geschäftsmodelle zu hinterfragen und ihre Entwicklungsfähigkeit neu zu überdenken”, so Veronika Busch im Interview.
Phase 1 – Bevor die interdisziplinären Teams ins Arbeiten gekommen sind, wurde das Setting des Prozesses möglichst klar umrissen. Das Team lernte sich kennen und erfuhr, welche Hintergründe die Teilnehmenden mitbringen.
Phase 2 (Preject) – In der zweiten Phase des Prozesses wurden Kontext, Problemstellung und die Herausforderung sondiert. Hier teilten die Herausforderungsgebenden Annett Feige (Jena-Optronik), Philipp Caspari und Laurin Martins (Healyan) ihr Expert:innenwissen. Die Teams tauschten sich zum Thema aus und formulierten gemeinsam die zentralen Frage des Cross Labs.
Phase 3 (Project) – Damit das Themenwissen nicht in der Theorie hängen bleibt, ging es in der Recherchephase raus auf die Straßen Erfurts bzw. ans Telefon, wo die Teilnehmenden mit Mitarbeiter:innen (bei Jena-Optronik), aber auch potenziellen Kund:innen (bei Healyan) ins Gespräch kamen. Auf der Grundlage der Befragungen wurde ein tieferes Verständnis für die Problemlösung entwickelt.
Phase 4 (Eject) – Am Ende des Prozesses wurden alle Ideen sondiert und schließlich Konzepte und erste Prototypen für die besten Ideen erarbeitet, die mit der Zielgruppe getestet wurden und schließlich einem breiten Publikum zur Ergebnispräsentation im Werkraum.Studio am letzten Tag des Cross Labs vorgestellt wurden.
Für ein gelungenes Cross Lab haben wir als THAK zusammen mit ThEx innovativ zudem einen Raum zur Konzentration und Zusammenarbeit und zum intensiven Austausch geschaffen. Das Werkraum.Studio in der Erfurter Zentralheize bot genügend Platz, um Innovationen voranzutreiben sowie Ideen und Themen zu rekombinieren. Die Kreativteams konnten hier zusammen mit Thüringer kreativen Köpfen aus alltäglichen Arbeitsstrukturen ausbrechen und sich in aller Ruhe langfristigen, unternehmerischen und nachhaltigen Fragestellungen widmen. Einen Raum außerhalb des Unternehmens für die Teilnehmenden des Cross Labs zu wählen, ist wichtig. Denn nur in neuartigen Umgebungen kann man gedanklich alte Pfade verlassen und stereotype Lösungen über Bord werfen.
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Claudia Köhler
Vernetzung & Transfer
ck@thueringen-kreativ.de0151 / 1500 1683Das könnte dir auch gefallen: