Wenn Bilder zu Visionen werden

Maria Gottweiss und die visuelle Kommunikation

Maria Gottweiss ist freiberufliche Grafik- und Kommunikationsdesignerin und vorrangig in Kunst, Kultur und Gesellschaft tätig. Sie beschreibt sich selbst als „visuelle Dolmetscherin“ – mit dem Anspruch, Ideen nicht nur sichtbar, sondern erfahrbar zu machen. Ihre Gestaltung transformiert Konzepte in visuelle Narrative: von Marken über Ausstellungsgrafiken bis zu Publikationen. In Weimar lebend, arbeitet sie projektbasiert im Austausch mit einem interdisziplinären Netzwerk und engagiert sich in kollektiven Initiativen wie dem Haus Bräutigam oder dem Ausstellungsprojekt „Ästhetik der Unvollkommenheit“. Im Interview erfuhren wir mehr über ihre Arbeit und ihre Leidenschaft für die visuelle Kommunikation.

Maria Gottweiss macht Ideen sichtbar und erfahrbar – mit einem Fokus auf Kunst, Kultur und Gesellschaft, Foto: Lilli Glade.

Wie bist du zur visuellen Kommunikation gekommen und was hat dein Interesse für dieses Feld geweckt?

Was mich an meinem Beruf besonders fasziniert ist, bildlich gesprochen, das große, weiße Blatt am Beginn eines Projektes – nichts ist vorgegeben, alle Möglichkeiten stehen offen und ich kann mit jedem neuen Auftrag in ein ganz eigenes Universum eintauchen. Es wird also nie langweilig. 

Wie aber hat alles angefangen? Darauf kann ich mit einer eher kitschigen Erinnerung aus meiner Kindheit antworten. Schon in der ersten Klasse wollte ich Bücher illustrieren. Die Geschichten dazu sollte meine beste Freundin schreiben. Längst vergessen, hat mich diese Erinnerung erst viel später wieder eingeholt und zeigt dann doch, wie tief die Leidenschaft für meinen Beruf wohl schon immer in mir steckte. 

In der Zeit vor meinem Studium habe ich mich mit Jobs in verschiedenen Bereichen ausprobiert, unter anderem bei der Klassik Stiftung Weimar, aber auch in Werbeagenturen. Hier bekam ich Einblicke in unterschiedliche Aufgaben, von der Animation, über Schriftgestaltung bis hin zur Ausstellungskuration, und habe gemerkt, dass ich mich vor allem im angewandten Design zu Hause fühle. Also folgte mein Designstudium in Dessau, wo von Typografie bis Metallgestaltung, von Keramik bis Film sehr interdisziplinär gearbeitet wurde. Danach gestaltete ich zunächst für Agenturen und Verlage in Berlin und Mainz. Doch trotz der “Ausflüge” in andere Städte zog es mich schließlich wieder nach Weimar, wo ich meinen kreativen und persönlichen Lebensmittelpunkt gefunden habe.

Entdeckerkarte der Stiftung Thüringer Schlösser und Gärten – ein kreativer Zugang zu historischen Orten.

Welche Rolle spielt Weimar als kreative Umgebung für deine Arbeit?

Wenn ich ehrlich bin, war der Hauptgrund für meine Rückkehr nach Weimar die Liebe – mein Mann lebt hier. Mittlerweile verbindet mich jedoch wieder viel mehr mit dieser Stadt und der umliegenden Region samt Erfurt und Jena. Mir gefällt vor allem die Vielfalt an kulturellen Angeboten, die inspirierend ist und zu einem Netzwerk an Kreativschaffenden führt, in dem ich mich wohl fühle. Im Gegensatz zu Großstädten wie Berlin ist Weimar eine „Kulturmetropole“, in der man nicht den Überblick verliert. Hier ist es entspannter und ich schätze die Mischung aus städtischer und ländlicher Atmosphäre. Ich genieße zudem die Verbundenheit – häufig begegne ich hier in Weimar in meinem Alltag Menschen aus der Kreativbranche, mit den ich mich austauschen kann.

Darüber hinaus gibt es auch viele Räume für zivilgesellschaftliches Engagement und spannende Projekte wie das Haus Bräutigam oder das Mentorinnenprogramm von ThEx FRAUENSACHE., an denen ich ehrenamtlich mitwirke und dadurch immer wieder neue Akteur:innen aus Thüringen kennenlerne. Durch meine Arbeit wird mir bewusst, wie facettenreich unser Bundesland ist und wie wichtig es ist, den Freistaat weiterhin lebenswert zu gestalten – trotz der politischen Entwicklungen. Es gibt hierfür keine Patentlösung, aber jede:r kann überlegen, wie er oder sie sich für eine demokratische Gesellschaft einsetzen kann. Statt dem zu entfliehen, ist es mir wichtig aktiv zu bleiben und mit unserer Arbeit unsere (Wahl-)Heimat zu bereichern. 

An welchen Projekten arbeitest du momentan?

Langfristige Projekte begleite ich zum Beispiel für den Landesfrauenrat und der Thüringer Beauftragten für Integration, Migration und Flüchtlinge sowie die Stiftung Baukultur Thüringen. In solchen Projekten mit Themen wie Gleichberechtigung, Diversität und Teilhabe kann ich mit meinen kreativen Fähigkeiten wirklich einen Beitrag leisten und hoffe, das auch weiterhin tun zu können. Aktuell arbeite ich zudem für die Ausstellung „Le Sel Noir. Perspektiven Schwarzer Gegenwartskunst“, die in Villingen-Schwennigen und Bremen gezeigt wird. Die Arbeiten der gezeigten Künstler:innen setzen sich mit Selbstbehauptung und Fremdwahrnehmung, Macht, Repräsentation und zwischenmenschlicher Interaktionen auseinander. Für mich ist sehr reizvoll, solchen Themen nachzuspüren und visuell zu übersetzen. Außerdem achte ich darauf, möglichst umweltbewusst zu gestalten – sei es durch die Wahl der Materialien oder der Produktionsstätten – und dabei nicht nur gesellschaftliche, sondern auch nachhaltige Werte zu vermitteln.

„Als Designerin sehe ich eine Verantwortung, mit meiner Arbeit neue Perspektiven zu eröffnen und Menschen dazu zu ermutigen, sich mit Themen auseinanderzusetzen, die ihnen bisher fremd waren“

Wie würdest du deinen Stil beschreiben?

Mein Stil ist geprägt von Klarheit und Reduktion, kombiniert mit einem starken typografischen Fokus. Dennoch hängt der Stil immer auch vom jeweiligen Projekt ab. Für die Thüringer Stiftung Schlösser und Gärten habe ich beispielsweise Entdeckerkarten für Kinder illustriert. Da spielen ganz andere Faktoren eine Rolle als bei einem Ausstellungskatalog für zeitgenössische Kunst, wie bei der Publikation „Inmitten imperialer Gitter“ für das Musemsquartier Osnabrück. Bei jedem Projekt wähle ich unterschiedliche stilistische Mittel, wobei der kleinste gemeinsame Nenner darin besteht, mich auf mein Gegenüber einzulassen und zu klären, welche Werte und Inhalte dort präsent sind und wie ich mich ihnen dienlich machen kann.

Wie gehst du an den kreativen Prozess heran? Hast du bestimmte Routinen oder Methoden, um Inspiration zu finden?

Der erste Schritt ist immer der Dialog. Ich suche das Gespräch mit meinen Auftraggebenden, um herauszufinden, was wirklich gebraucht wird und oft auch die Zwischentöne, die nur im direkten Austausch hörbar sind, wahrzunehmen. Danach starten die inhaltliche Recherche und das konzeptionelle Denken. Inspiration finde ich oft in alltäglichen Momenten wie beim Joggen oder beim Gespräch in der Mittagspause. Museen, Buchhandlungen und auch Zufallsfunde wie verlorene Einkaufszettel auf dem Gehweg können ebenfalls Quellen sein. Der kreative Prozess ist für mich eine Mischung aus Planung und offenem Beobachten. Inspiration lässt sich nicht erzwingen – manchmal bleibt sie auch einfach aus. Das gehört dann eben auch dazu. Meist kommt die Inspiration zu dir. Ganz unvermittelt. Ganz spontan. Und genau das macht sie so faszinierend. 

Wie schaffst du es, deine Kreativität trotz des Drucks von Deadlines und Anforderungen aufrechtzuerhalten?

Ich setze in solchen Phasen auf verschiedene Strategien. Wenn der Stress sehr hoch ist, plane ich bewusste Erholungsphasen ein und baue auch auf mein Netzwerk, bei dem ich mir einen Blick von außen oder Unterstützung holen kann. Manchmal hinterfrage ich auch kritisch, ob ich wirklich alles so perfekt machen muss, wie ich es glaube, machen zu müssen, oder ob ich mich von unnötigem Perfektionismus leiten lasse. Hier hilft mir immer, Abstand zu gewinnen, eine Pause einzulegen und das Projekt einfach mal ruhen zu lassen. Dadurch entsteht Raum für neue Perspektiven und oft kommen die Lösungen von ganz allein. Sonst wird man ineffizient und arbeitet langsamer. Es gibt ein gutes Sinnbild dafür: Eine:r Autofahrer:in, der/die mit einem platten Reifen weiterfährt, anstatt ihn zu reparieren, weil er/sie angeblich keine Zeit für einen Radwechsel hat – dabei löst das das Problem an der falschen Stelle, beziehungsweise: man verstärkt es nur.

Wie definierst du Erfolg in deinem kreativen Beruf? Ist es die Anerkennung von außen oder etwas Persönlicheres?

Für mich ist es eine Mischung aus beidem. Es ist großartig, wenn das Gegenüber spiegelt, dass ich genau das visualisieren und vermitteln konnte, was zu Beginn an Gedanken im Raum stand, wenn ich Klarheit oder gar neue Perspektiven schaffen konnte und wenn das Gegenüber überrascht wird. Deshalb schätze ich besonders die direkte Zusammenarbeit, hier entstehen diese wichtigen Aha-Momente mit den Kund:innen, den Rezipient:innen und manchmal auch mit mir selbst. 

Ein nachhaltiges Erfolgserlebnis hatte ich mit dem freien Projekt „Ästhetik der Unvollkommenheit“, einer Ausstellung über Frauen und ihre Narben, das ich zusammen mit der Fotografin Lilli Glade entwickelt habe. Es ist bewegend, wie sich die Frauen durch unsere Arbeit gesehen fühlen. Gleichzeitig berührt die Ausstellung auch viele andere Menschen und regt zur Interaktion und Reflexion an. Das Vertrauen, das uns für dieses Projekt entgegengebracht wurde, ist beeindruckend und solche Momente sind es, die mich auf meinem Weg bestärken und motivieren. 

Kontakt

Gottweiss · Visuelle Kommunikation
www.gottweiss.de
Instagram: @maria.gottweiss

Projekt „Ästhetik der Unvollkommenheit“, Foto: Lilli Glade.

Maria Gottweiss über die visuelle Kommunikation

„Manchmal springt das Herz über. Mal aus Freude. Mal aus Aufregung. Mal aus Neugier. Es schlägt im Rhythmus meines Lebens. Ein Leben, das wie jedes andere, voller Farben und voller Vielfalt ist. Visuelle Kommunikation versucht, diese Komplexität des Lebens einzufangen – ’sichtbar‘ zu machen. Sie bedarf der Wahrnehmung aller Sinne, will Aufmerksamkeit erzeugen, zum Nachdenken anregen, im Gedächtnis bleiben. Eine Kunst? Vielleicht. Aber wer sich auf Menschen einlässt, ihnen zuhört, sie ansieht, mit ihnen ‚kommuniziert‘, wird erkennen, was sich im Verborgenen befindet und darauf wartet, ‚gesehen‘ zu werden. Worte werden zu Bildern und Bilder werden zu Visionen, die eine Geschichte erzählen – über einen Menschen, über ein Projekt oder Produkt, über etwas Besonderes, das das Herz nicht ruhen lässt.“

Dein Interview auf unserer Webseite?

Kontaktiere mich!

Nina Palme

Kommunikation

0151 / 1290 4638

Das könnte dir auch gefallen:

Designexperte aus Erfurt bringt kreativen Glanz auf das Spielbudenfestival in Hamburg

Im Interview mit Designer Hannes Naumann

6 Fragen an Robert Bartsch und Frank Ziski

Designkollektiv aus Erfurt

6 Fragen an Nico Reinhardt und Claudia Beck

Qnik-Papeterie aus Erfurt