Vom Faden zum Kunstwerk

Rosa Rauschers Tufting-Designs

2021 hat Corina Müller gemeinsam mit ihrem Partner Dirk Rauscher Rosa Rauscher als kleines Familienunternehmen für Kunst- und Designhandwerk aus der Taufe gehoben. Mit einem Sinn für Nachhaltigkeit und langlebige Dinge entstehen in ihrem Studio im Erfurter Norden unter anderem handgemachte Tufting-Unikate für Wände und Böden. Über digitale Vertriebskanäle werden immer mehr Designliebhaber:innen auf die Einzelstücke aufmerksam. Vor Kurzem hat der Deutsche Bundestag ein Kunstwerk aus Wolle von Corina Müller für seine Artothek gekauft. Welche Faszination an der Kunst aus Wolle Corina täglich antreibt, hat sie uns im Interview verraten.

Fotos: Dirk Rauscher

Rosa Rauscher bei der Arbeit an einem ihrer Tufting-Kunstwerke.

Aus welcher Intention heraus wurde das Label Rosa Rauscher gegründet?

Ich hatte schon früh eine Leidenschaft für Kunst und Design. Dennoch war mein Weg in die kreative Selbstständigkeit nicht geradlinig. Ich wusste lange Zeit nicht genau, wie und wo ich diese Leidenschaft beruflich umsetzen könnte. Nach meinem Studium half ich der Gründerin von Moquadrat, einem Modeladen in Erfurt, diesen mitzugestalten und aufzubauen. Als die Pandemie kam und keiner wusste, ob und wann die Läden wieder aufmachen, wurde ich dazu gezwungen, meinen Weg neu zu überdenken. Eines Tages erschien mir im Feed von Instagram ein Beitrag über Tufting und ich dachte: Das ist ja cool, das will ich ausprobieren. Dirk und ich haben recherchiert, was man braucht, um mit dem Tufting anzufangen. Ich begann, mich intensiv mit der Technik auseinanderzusetzen, was anfangs viel Geduld erforderte. Nach ersten Versuchen (und viel Fluchen) entstanden schnell Werke, die ich in Holzrahmen spannte. Von kleinen Rahmen bin ich bald zu größeren Formaten übergegangen – heute sind meine Werke zum Teil fast zwei Meter breit.

Wie kam der Name Rosa Rauscher zustande?

Unsere Tochter heißt Marla, aber ich fand den Namen Rosa immer schön. Als wir unser Label Rosa Rauscher gegründet hatten, war das, als hätten wir ein neues Baby. Und auch unsere anfangs kleine Vision wuchs in den letzten Jahren zu einem nicht mehr ganz unbekannten Designlabel heran, auf das wir heute sehr stolz sind.

Wie entsteht ein Tufting-Kunstwerk?

Bevor ich die Tufting-Maschinen in die Hand nehme, setze ich mich an mein iPad, um meine Entwürfe anzufertigen und diese anschließend mit Farben zu versehen. Um analog zu sehen, was harmoniert, lege ich mir parallel meine Stoffmuster zusammen. Dann projiziere ich meinen Entwurf auf das Tufting-Tuch und zeichne ihn nach. Anschließend beginne ich mit der Arbeit an der Maschine. Die Garnfäden werden eingespannt und werden durch den Stoff geschossen. Im Anschluss benutze ich eine Luftdruckmaschine, um die unterschiedlichen Florhöhen zu bestimmen. Der fertige Teppich wird schließlich mit Naturkautschuk eingeklebt, damit sich die Fäden von hinten nicht wieder lösen können. Am Ende wird das fertige Werk gerahmt. 

Ich verwende ausschließlich hochwertige Materialien wie reine Schurwolle und Naturlatex sowie echte Holzrahmen. Die warmen Farben und Texturen der Wolle in Kombination mit dem natürlichen Holz schaffen eine gemütliche Atmosphäre und lassen Räume wärmer wirken. Die zum Teil großflächigen Wandteppiche dienen nicht nur als dekoratives Element, sondern sind auch effektive Soundabsorber, wodurch die Akustik im Raum angenehmer wird.

Was fasziniert dich so sehr am Tufting und was inspiriert dich dazu?

Tuftingkunst bildet die perfekte Verbindung aus Kunst, Handwerk und Design. Jeder Faden, den ich in den Stoff einarbeite, ist wie ein Pinselstrich auf einer Leinwand und ich kann hier meine kreativen Ideen in textile Formen und Farben verwandeln. Es ist immer wieder faszinierend, wie meine digitalen Entwürfe vom iPad eine analoge haptische Form bekommen. Mit jedem neuen Werk spüre ich zudem eine tiefe Befriedigung: Die gleichmäßige Bewegung und der Klang der Maschine entspannen mich. 

Inspirieren lasse ich mich von den Farbkombinationen, die ich entdecke, wenn ich unterwegs bin – egal ob in der Natur oder in der Architektur. Aber nicht nur das, auch die kleinen Details des Alltags, wie die Formen von Wassertropfen nach dem Duschen im Bad, wecken meine Kreativität. Ich finde es spannend, diese Momentaufnahmen zu fotografieren und daraus neue Designs zu entwickeln. 

Wie vertreibt ihr eure Werke und an wen?

Kunstwerke für die Wand sind meine Spezialität, aber ich entwerfe auch große Bodenteppiche. Einer dieser Teppiche wurde im vergangenen Jahr für den Showroom von Nike in Berlin erworben. Der Kontakt kam über Selekkt.com zustande, eine Verkaufsplattform für Designgegenstände. Ansonsten kann man meine Kunstwerke über unsere Homepage, aber auch auf Etsy kaufen. So finden Rosa Rauscher vor allem private Käufer:innen. Letztes Jahr habe ich für eine Kundin aus der Schweiz ein Kunstwerk im Freiform-Design gemacht. Sie wollte es ganz clean und chic haben. Oft werde ich aber auch über Instagram kontaktiert und gestalte dann individuelle Unikate. Instagram ist für unser Label die wichtigste Plattform, um die Arbeiten, aber auch den Prozess zu visualisieren. Einmal im Monat biete ich zudem Tufting-Workshops an, die sehr gut angenommen werden. In fünf Stunden erschaffen wir hier gemeinsam kleine Tufting-Kunstwerke.

„Instagram ist für unser Label die wichtigste Plattform, um die Arbeiten, aber auch den Prozess zu visualisieren“

Corina Müller über der Arbeit „Der Mensch braucht Frieden“, die mittlerweile in der Artothek des Deutschen Bundestags hängt.

Eine deiner Arbeiten ist mittlerweile Teil der Artothek des Deutschen Bundestags. Wie kam das Projekt zustande und was ist die Idee dahinter?

Jedes Jahr gibt der Bundestag Künstler:innen die Möglichkeit, drei Werke einzusenden, die von einer Kunstkommission ausgewählt und in die Artothek aufgenommen werden. Anfang Oktober 2023 erreichte mich ein Brief vom Bundestag, dass ich die Möglichkeit hätte, meine Arbeiten dafür vorzuschlagen. Ich arbeitete zu dieser Zeit an einem Werk mit dem Titel “Der Mensch braucht Frieden”. Inspiriert wurde ich dafür von einem Schriftzug auf einem alten Bild im Schaufenster der Glaserei Dörrfeld in Erfurt, an der ich fast täglich auf meinem Weg ins Atelier vorbeikomme. Der einfache Satz, der in alter Schrift geschrieben steht, hat mich nicht mehr losgelassen und ich wusste, dass ich etwas Besonderes daraus machen wollte. Dirk ist dann in die Glaserei gefahren, um nach der Geschichte des Bildes zu fragen und fand heraus, dass der Satz darauf der Leitspruch des Großvaters war.

Als ich ihnen erzählt habe, dass ich den Satz künstlerisch verarbeiten möchte, haben die Ladenbesitzer:innen mit Freude zugestimmt. In einer Zeit des Krieges verspürte ich das Bedürfnis, mit meiner Kunst eine zeitlose Botschaft zu transportieren und auf die aktuelle Situation aufmerksam zu machen. Jeden einzelnen Buchstaben habe ich sorgfältig getuftet und mich an der alten Frakturschrift orientiert. Die weiche Wolle in pastelligen Tönen bildet einen Kontrast zur alten Typografie und das Werk wird so, mit Bezug auf die Vergangenheit, in ein zeitgenössisches Design transferiert. 

„In einer Zeit des Krieges verspürte ich das Bedürfnis, mit meiner Kunst eine zeitlose Botschaft zu transportieren und auf die aktuelle Situation aufmerksam zu machen“

Ich beschloss, dieses Werk als Vorschlag an den Bundestag zu senden. Ein paar Wochen später kam die Zusage von der Kunstkommission. Und das, obwohl Kunstwerke mit Schrift eher selten ausgewählt werden. Ich war total stolz und konnte es zunächst nicht glauben. Nun wird das Werk in der Artothek ausgestellt und Abgeordnete haben die Möglichkeit, es für ihr Büro auszuleihen. 

Das Projekt zeigt, dass Kunst und Design alle Menschen miteinander verbinden und ansprechen – egal, welcher Partei sie angehören oder woher sie kommen. Das Bild soll daran erinnern, dass wir gemeinsam nach Frieden streben sollten. Ich denke, dieser Gedanke hat letzten Endes überzeugt, das Werk anzukaufen.

Siehst du dich als Designerin, Künstlerin oder Handwerkerin?

Das klar zu definieren ist schwer, aber ich würde mich als Designerin und Künstlerin betrachten – auch wenn das Tufting handwerkliches Geschick erfordert. Ich stehe selbst vor der Herausforderung der Positionierung. Von Design wird oftmals eine serielle Produktion erwartet. Wir machen Einzelstücke, die wir in Designshops verkaufen, wollen unsere Werke aber gleichzeitig auch auf Kunstmessen und in Ausstellungen präsentieren. Wir haben es letztlich in der Hand, wie wir wahrgenommen werden. Und da haben wir uns klar dafür entschieden, einen Gegentrend zu schnell abrufbaren Produkten aus Massenproduktion zu setzen. Unsere Werke sind wertig, einzigartig und mit Liebe zur Manufaktur geschaffen.

Was sind deine Visionen?

Während ich mich auf das Kunsthandwerk des Tuftings spezialisiere, kreiert Dirk Videoinstallationen. Gemeinsam haben wir es geschafft, unsere beiden Tätigkeiten erstmals beim Molsdorfer Kultursommer zu vereinen und mittels Videomapping meine Teppichkreationen zum Leben zu erwecken. Es war sehr spannend für uns zu sehen, wie Kunst und Technologie miteinander verschmelzen. In Zukunft möchten wir öfter derartige Ausstellungskonzepte umsetzen. Ansonsten führen wir bis dahin die Erfolgsgeschichte von Rosa Rauscher weiter und freuen uns darauf, noch mehr Menschen mit unserer kreativen Arbeit zu begeistern. 

Kontakt

Studio Rosa Rauscher
www.rosarauscher.de
Instagram: @rosa_rauscher
Dalbergsweg 23
99084 Erfurt

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Nina Palme

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0151 / 1290 4638

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