Megatrends betreffen die Lebensart ganzer Generationen: Dazu gehören New Work, Urbanisierung sowie Individualität – um nur einige zu benennen. Trends sind dabei allgegenwärtig: große und kleine, schnelle und langsame, tiefgreifende und oberflächliche, relevante und irrelevante. Sie zu (er-)kennen, ist der erste Schritt für den Umgang mit den Risiken und Unsicherheiten der Zukunft. Sie zu nutzen, ist der beste Schritt, das eigene Business für die Zukunft zu gestalten und es flexibel anzupassen an die Gegebenheiten der dynamischen Marktentwicklungen. Management hieß bisher, Risiken, die vorhersagbar sind, zu steuern. Aktuell entscheiden Unternehmer und Unternehmerinnen nicht nur in riskanten, sondern vor allem in ungewissen und unsicheren Situationen. Unsicherheit und Ungewissheit sind nicht vorhersehbar, jedoch gestaltbar mit einem gewissen Mindset: Testen statt Planen, Verändern statt Wachsen und Führen statt Managen. Dr. Kareen Schlangen ist spezialisierte Coachin für Innovation, insbesondere für Business & Service Innovation sowie Megatrends. Mit ihrem Motto „Innovationen brauchen Mut zur Veränderung, geboren aus einer leidenschaftlichen Idee und angetrieben durch eine starke Motivation“ begleitet sie Unternehmen, Institutionen und Netzwerke in Veränderungsprozessen. Wir haben sie zum Interview gebeten, um mehr über Megatrends zu erfahren und darüber, wie man sie für ein zukunftssicheres Unternehmen nutzen kann.
Was ist ein Megatrend?
Zunächst möchte ich den Begriff des Trends klären: Ein Trend ist ein Klang, der die Gegenwart durchdringt und den Zeitgeist einer Gesellschaft widerspiegelt. Er ist in den Bereichen Politik, Technik, Kultur und Ökonomie anzutreffen. Ein gutes Unternehmen sollte sich daher an relevanten Trends orientieren, da sie Produkte und Signale menschlicher Bedürfnisse darstellen. Daher ist es wichtig, Trends aus unterschiedlichen Perspektiven zu betrachten. Sie können verschiedene Formen annehmen und unterscheiden sich in ihrer Reichweite, Schnelligkeit, ihrer Entwicklung (revolutionär und evolutionär), Wirkungskraft und Intensität. Megatrends kann man beispielsweise meist nicht vorhersagen, sie hinterlassen Spuren in der Gesellschaft und dauern meist Jahrzehnte an. Mikrotrends wiederum dauern nur einige Monate an, manche entwickeln sich jedoch zu Megatrends. Beispiele für Megatrends gibt es viele. Diese zwölf Megatrends sind vor allem für Unternehmen interessant. Durch sie können hemmende oder treibende Kräfte innerhalb der Unternehmensentwicklung entstehen:
Die 12 Business-Trendthemen*
- Individualität: Wertewandel unserer Gesellschaft, Veränderung des individuellen Lebens und dem Treffen eigener Entscheidungen, Freiheit der Wahl, Single-Gesellschaft, Self-Tracking, Selbstmanagement, Cloud, Diversity, Multigraphy, Regenbogenfamilien, neue Wir-Kulturen durch Soziale Netzwerke
- Gender-Shift: Sex-Design, Alpha-Softies, Geschlechterneutralität
- Silver Society: neue Lebenswelten entstehen, Lebensverlängerung, Lebensqualität-Verbesserung, Slow Culture, E-Health, Down-Aging und Verjüngung der Gesellschaft
- Wissenskultur: Bildung ist Macht und wird zur Kulturfrage, dezentrale Wissensstrukturen, Wissenszuwachs, lebenslanges Lernen, Soft-Skills, Flexible und neue Lernstrukturen→ Open Science und Koop, Informationsdesign, Bildungsbusiness, Gamification, Talent-Management, Tutorial-Lernen, Neugier-Management
- New Work: Reaktion auf technische Automatisierung, Arbeit steht im Dienst des Menschen, Zeitalter der Kreativökonomie, keine geschlossenen Arbeitsstrukturen mehr im Arbeitgeberraum, agiles Arbeiten, neues Mindset der Führungskräfte, kein Bossing
- Gesundheit: Leistung, Kontakt, Körper, Sinn, Bewusstheit, Detoxing etc., Gesundheit als Status-Symbol, Achtsamkeit, Heilpraktiker, Sport, Ernährung
- Neo-Ökologie: Neuer Trends der Ökologie, E-Mobilität, Abfall-Freiheit, Wertstoffwende, fleischlose Ernährung, Recycling, Bio-Boom, Sharing-Economy, Zero Waste, Urban-Farming
- Konnektivität: Wirkungsmächtigster Megatrend, WWW, große Veränderungen auf vielen verschiedenen Ebenen, Achtsamkeit und Offline-Dasein als neuer Gegentrends
- Globalisierung: globale Kultur und Dynamik, Vermischung von Kulturen, Fairtrade, Near Showing, Home Office, On Demand, Glokalisierung, Digitalisierung
- Urbanität: Boom der Megacities, Städte als Staaten von Morgen, Subkulturen
- Sicherheit: Cyber-Angriffe, Krisen prägen die Zeit, leben jedoch in der sichersten Zeit aller Zeiten
- Mobilität: E-Mobilität etc.
*Quellenangabe: https://www.zukunftsinstitut.de/dossier/megatrends/
Wie kann ich Megatrends für die Entwicklung meines eigenen Business nutzen, um zum Beispiel neue und optimierte Dienstleistungen zu entwickeln?
Dafür bedarf es einem unternehmerischen “Future-Mindset”. Das Unternehmen der Zukunft ist ein Netzwerk. Es muss sich stets in seinem Rasterdenken hinterfragen und alte Muster regelmäßig überwinden und erneuern. Dazu ist es nötig, den Tunnelblick abzuschalten und in den Weitblick-Modus zu wechseln. Hier trifft der klare auf den verschwommenen Blick. Die Unternehmerpersönlichkeit der Zukunft muss mit Ungewissheit umgehen können und die Potenziale unscharfer Zukunftsbilder zulassen können. Der Aufbruch fester Strukturen, Lust auf Wandel und Neuorientierung sind die besten Ratgeber, um Megatrends zu erkennen, zu nutzen und sich damit einen unternehmerischen Vorteil zu verschaffen. Das Arbeiten mit Trends ist dabei ein ständiger Prozess.
Wo finde ich Trends?
Um Trends zu erkennen und den Blick dafür zu öffnen, kann man beispielsweise verschiedene Newsletter abonnieren, Magazine lesen zu Zukunftsthemen, Messen besuchen, mit Communities aus verschiedenen Branchen in den Austausch gehen oder aufmerksam zuhören. Webseiten, wie zukunftsinstitut.de publizieren darüber hinaus spannende Beiträge zum Thema Zukunft und Trendentwicklung. Entscheidend ist, den eigenen Wahrnehmungsfilter zu weiten, zu verlängern und zu defokussieren, um zaghafte neue Entwicklungen zu entdecken – denn das sind bereits Trends.
Auf welche Megatrends sollten Kreativschaffende ein besonderes Augenmerk richten?
Ich würde lieber den Blick vom “Was” auf das “Wie” lenken wollen, um diese Frage zu beantworten: Gerade Kreativschaffende haben einen natürlichen Blick auf Megatrends und sind in der Lage den Blick für aktuelle Trends und für Zukünftiges zu öffnen. Sie weisen auf Rasterdenken hin, möchten alte Muster durchbrechen und geben wertvolle Impulse. Sie agieren daher oftmals als Coach für Unternehmen, die auf der Suche nach Megatrends sind.
Warum beschäftigen Sie sich so intensiv mit Megatrends?
Es gab punktuelle Ereignisse in meinem Leben: Ich habe selbst einmal an einer Schulung zum Thema Trendscouting teilgenommen und mich schließlich durch den Zukunftsforscher Matthias Horx und sein Buch “Das Megatrend-Prinzip: Wie die Welt von morgen entsteht” intensiviert dem Thema Megatrends als Forschungsgebiet gewidmet. Ich finde sehr spannend, verschiedene Trendentwicklungen in der Gesellschaft zu beobachten. So war zum Beispiel vor fünf Jahren Coworking noch kaum etabliert, in Nordhausen hat dieser Gedanken einst noch nicht gegriffen. Mittlerweile und florieren Coworking-Places mittlerweile in den größeren Städten, nun wäre sicher auch Nordhausen dafür bereit – es muss also Vordenker geben. Die Menschen müssen gleichzeitig für bestimmte Trends bereit sein, während die Trendsetter als Vordenker mit Blick in die Zukunft fungieren.
Wo liegen neben sogenannten Trendsettern die Ursprünge von Megatrends?
Es gibt neben Trendsettern, auch Trendbüros mit professionellen Trendscouts. Hierbei handelt es sich im Menschen, die mit ganz offenen Augen durch die Welt gehen und Trends aufspüren. Sobald eine Ansammlung von kleineren Veränderungs-Entwicklungen in der Gesellschaft gefunden wird, gibt man dem Ganzen eine Struktur und einen Namen, streut es in den Medien und schickt den Trend “auf seinen Weg”. Entweder wird er nun durch die öffentliche Aufmerksamkeit größer, intensiviert sich, entwickelt einen Gegentrend oder der Trend stirbt ab.
Warum ist das Einbeziehen von Megatrends für die Zukunftssicherheit von Unternehmen so relevant?
Zunächst sollte man sich vor Augen führen, dass ein Unternehmen keine in sich geschlossene Einheit und nicht im luftleeren Raum agiert, sondern ein “System des Ganzen” ist. Ein Unternehmen und seine Herangehensweise wird stets durch äußere Strukturen geprägt: andere Unternehmen, andere Branchen, die Bürger der es umgebenden Gesellschaft, seine Kunden und Kundinnen. Als gut funktionierendes Unternehmen sollte man tunlichst vermeiden, diesen äußeren Strukturen mit Scheuklappen zu begegnen und nicht wahrnehmen zu wollen, was “außen” passiert. Es kann für die zukunftssichere Entwicklung eines Unternehmens sehr gefährlich sein, aktuelle Megatrends, wie Digitalisierung und Co absichtlich zu verpassen. Komfortzonen sollten möglichst oft und vor allem rechtzeitig verlassen werden, um unternehmerisch und zukunftssicher zu agieren. Unternehmer und Unternehmerinnen sollten sich selbst und auch ihren Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen den Raum geben, den sie brauchen, um den Blick nach vorn zu richten.
Und damit meine ich nicht nur in Hinblick auf die nächste KW, sondern in Hinblick auf die nächsten Jahre, um somit den richtigen Kurs für das Unternehmen bestimmen zu können. Dies tut man am besten aus einer guten Ausgangsposition des Unternehmens heraus und nicht erst, wenn der Schuh drückt, da es dringend an Neuerungen bedarf.
Ihr persönlicher Megatrend-Favorit für 2021?
Achtsamkeit. Die Welt entwickelt sich ganz offensichtlich nicht hinzu “weniger stressig” oder “weniger komplexer”. Wir werden die Welt irgendwann nicht mehr so antreffen, wie sie vor 20 Jahren war und wir werden damit umgehen lernen müssen. Die Achtsamkeit für uns selbst und unsere Umgebung sowie die Reduktion von Einflüssen von Außen ist ein wichtiger Megatrend, der uns helfen kann, mit den schnellen Veränderungsprozessen zurecht zu kommen.
KONTAKT
Dr. Kareen Schlangen
Zertifizierter Innovationscoach
Schlangen@hs-nordhausen.de
kareenschlangen.de
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