

SCHÖNE NEUE ARBEITSWELT „HOMEOFFICE“ – WILLKOMMEN IN DER NEUEN NORMALITÄT?!
Presseinformation vom 16.04.2021
Schöne neue Arbeitswelt „Homeoffice” – Willkommen in der neuen Normalität!?
Erfurt – Die Thüringer Agentur für die Kreativwirtschaft (THAK) lud am 15. April zu einer Online-Veranstaltung mit sechs Experten und Expertinnen aus der Kreativ- und Industriebranche zum Thema Homeoffice ein. Am Vormittag wurde über Chancen, Effizienz und die Herausforderungen flexibler Arbeitsmodelle sowie Vertrauen und Kontrollverlust von Führungskräften gesprochen.
Das Arbeiten von zu Hause aus hat Einzug in eine (schöne) neue Arbeitswelt gehalten. Dabei hat nicht zuletzt die Corona-Krise als maßgeblicher Treiber in vielen Unternehmen einen schnellen (und unverhofften) Wandel in Richtung flexible Arbeitsmodelle und Digitalisierung angestoßen. Die Entwicklung und Nutzung digitaler Technologien, wie Kommunikationstools, haben im letzten Jahr nochmal Fahrt aufgenommen. Viele haben, da wo mobiles Arbeiten möglich ist, im letzten Jahr an Wissen über die Nutzung digitaler Werkzeuge sowie an Medienkompetenz und Selbstorganisation hinzugewonnen und an vielen Stellen wurde klar: Homeoffice funktioniert. Laut einer repräsentativen Umfrage der Hans-Böckler-Stiftung haben im Januar diesen Jahres fast ein Viertel der Erwerbstätigen in Deutschland (24 Prozent) vorwiegend oder ausschließlich im Homeoffice gearbeitet. Das macht die Pandemie zum Ermöglicher eines großen Experiments, das Menschen in Kontakt mit mobilem Arbeiten bringt. Und Experten sind sich einig: Homeoffice wird auch nach der Pandemie eine wichtige Rolle für Unternehmen und Arbeitnehmende spielen. Die Vorteile für letztere scheinen dabei klar auf der Hand zu liegen: effizientes und konzentriertes Arbeiten, eine ausgeglichene Work-Life-Balance, weniger Zeitverlust durch wegfallendes Pendeln zum Arbeitsplatz. Die Vorteile für Arbeitgebende: Platz- und somit Kostenersparnis bei Arbeits- und Büroflächen und ein erweiterter Radius für die Rekrutierung neuer Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen sowie Fachkräfte. Dennoch: Das Konzept vom Homeoffice ist für einige Unternehmen und Arbeitnehmende neu und wirft genauso viele Fragen wie Zweifel auf. Sind bekannte feste Strukturen nun wirklich ein Auslaufmodell? 9 to 5 goodbye? Die zum Online-Event geladenen Impulsgeber und Impulsgeberinnen von Thüringer Unternehmen der Kreativ- und Industriebranche haben in den letzten Jahren bereits Erfahrungen mit der „neuen Normalität” Homeoffice gemacht. Sie gaben wertvolle Tipps und Anwendungsbeispiele für eine gelungene digitale Arbeit und Kommunikation im Team, sprachen über technische Hürden und Frustmomente sowie das Meistern von Grenzüberschreitungen und Verständnisproblemen.
„Homeoffice ist keine richtige Arbeit!” – diesen Satz hört Dr. Reimund Meffert von der Saalfelder Batix Software GmbH regelmäßig. „Im Homeoffice zu arbeiten bedeutet natürlich dennoch zu arbeiten. Es ist wichtig, seinem Umfeld klar zu machen, dass die Arbeit im Homeoffice genauso an Struktur, Konzentration und Selbstdisziplin bedarf, wie im Großraumbüro zu sitzen.” Der Leiter für strategische Entwicklungen des Saalfelder Software-Unternehmens machte in seinem Vortrag klar, dass die „Arbeitswelt 4.0” den Menschen in den Mittelpunkt stellt: „Pedantische Regeln für Arbeits- und Pausenzeiten sind unwichtig. Was zählt sind fluide Arbeitsrahmen und das Eingehen auf jeden Mitarbeitenden. Die Teammitglieder sollten dann arbeiten, wenn sie produktiv und kreativ sind. Es ist wichtig, dass man die Balance aus Kontrolle und Vertrauen als Führungskraft gemeinsam mit dem Team schafft und individuelle Bedürfnisse frühzeitig erkennt”, so Dr. Meffert. Doch auf Büroräumlichkeiten möchte die Saalfelder Firma nicht verzichten: Im „Silicon Saalfeld” erbauen sie derzeit einen neuen Firmensitz mit Arbeitsplätzen, die vor allem als Begegnungsstätte und Kreativorte entwickelt werden sollen.
Luise Beyer von der Jenaer Digitalagentur dotSource GmbH brachte den Zusehenden konkrete Anwendungsbeispiele mit. Wie können Unternehmen die Firmenkultur trotz fehlender menschlicher Interaktion auch im Homeoffice bewahren? Das Digitalunternehmen war in Punkto Homeoffice bereits vor der Corona-Pandemie gut aufgestellt. Aber auch ihren Arbeitsalltag hat die Krise verändert: „Wir standen vor der Herausforderung, unsere Firmenkultur, die auf gemeinsame Erlebnisse, Spaß und teambuildende Maßnahmen ausgelegt ist, in die digitale Welt zu transferieren”, so die Digital Business Analystin. Neben Teamevents fallen nun seit mehr als einem Jahr auch einfachste Büroroutinen, wie das Guten-Morgen oder Schönen-Feierabend weg. Durch geschickte digitale Kommunikationsmaßnahmen, wie 15-minütige Kennenlernrunden mit den Kollegen und Kolleginnen für neue Mitarbeitende, wöchentliche Teammeetings und digitale Raucher- und Kaffeepausen, versucht dotSource ihr Team daran zu erinnern, was zusammenhält: „Die zwischenmenschliche Kommunikation ist besonders wichtig für die Zufriedenheit innerhalb des Teams sowie die Wertschätzung der Arbeit in Zeiten, in welchen man kein direktes Feedback bekommen kann. Deshalb werden an die Mitarbeitenden regelmäßig Care-Pakete mit Schokoriegeln und Kaffee geschickt – als Aufmunterung und vor allem Wertschätzung. Darüber hinaus haben wir das Remote-Mittagessen eingeführt, wo man gemeinsam aus der Ferne zusammen essen kann.”
Die Expertin Katharina Hellmann von der in Eisenach ansässigen LINDIG Fördertechnik GmbH und der kaufmännische Leiter der BN Automation AG Heiko Nikolaus aus Ilmenau gaben wiederum einen Einblick zum Thema in die Industrie: „Wir haben nun vor über einem Jahr breitflächig unsere Mitarbeitenden ins Homeoffice geschickt. Viele kamen jedoch freiwillig wieder ins Büro, da sie zu Hause unkonzentriert waren oder den Austausch mit den Kollegen und Kolleginnen vermisst haben”, so Nikolaus. „Gleichzeitig wurde aber auch von vielen aus dem Team die Arbeit von zu Hause aus gut angenommen. In Zukunft möchten wir daher weiterhin die Möglichkeit zum Homeoffice beibehalten und unsere digitalen Kommunikationstools ausbauen.” Frau Hellmann sprach vor allem von der Relevanz des Vertrauens in die Mitarbeitenden, die im Homeoffice tätig sind: „Am wichtigsten ist gegenseitiges Vertrauen und dass die Rahmenbedingungen für gutes Arbeiten von zu Hause aus ermöglicht werden. Sprich: gutes technisches Equipment und ein Arbeitsort, an dem man sich wohl fühlt. Hier sehe ich auch die Problematik: Wer mit seinem Zuhause nicht zufrieden ist, der wird dort auch unmotiviert arbeiten. So entsteht ein Ungleichgewicht in den Grundvoraussetzungen.” Weiterhin sieht sie die derzeitige Situation für Berufseinsteigende problematisch: „Durch das Wegfallen von Begegnungen in der Arbeitswelt haben es Berufseinsteigende und Netzwerkende schwer, neue potenzielle Arbeitgebende oder Kooperationspartner und -Partnerinnen zu finden.” In der Industrie sei mit der Corona-Pandemie „einiges in Bewegung gekommen”, so Hellmann. „Dies ist eine Zeit, in der mehr digitale Lösungen gefunden werden (müssen), kreativ gedacht und Kommunikationswege erweitert werden. Das ist grundsätzlich eine sehr gute Entwicklung für diese Branche.” Auch Referentin Dr. Ute Zacharias (Sprecherin des Verbands der Wirtschaft Thüringen) machte auf die positiven Entwicklungen und Chancen der Pandemie für Unternehmen im Sinne von Digitalisierungsprozessen aufmerksam und sprach von einem „Digitalisierungsschub”, den die Jahresumfrage „Chancen in der Krise: Neustart 2021“ des Instituts der Wirtschaft Thüringen offengelegt hatte.
Den Abschluss der Homeoffice-Veranstaltung bildete der Vortrag von Vanessa Göcking vom international agierenden Erfurter „Remote-First”-Unternehmen YAZIO GmbH, dessen Mitarbeitende seit Beginn der Firmengeschichte weltweit und dezentral arbeiten. Unter dem Titel „Vertrauen – Warum loslassen so wichtig ist” referierte sie über den Arbeitsalltag bei YAZIO und wie dort Vertrauen zwischen dem Team und Führungskräften hergestellt wird: „Unsere Kollegen und Kolleginnen arbeiten nicht nur im Homeoffice, sondern remote. Das bedeutet, dass sie von überall aus arbeiten können. Ob zu Hause am festen Arbeitsplatz oder auf einer Insel umgeben von Palmen und Strand ist völlig egal.” Das sei nur durch gegenseitiges Vertrauen möglich: „Es ist wichtig als Arbeitgeber oder Arbeitgeberin ein vertrauensvoller Partner oder Partnerin zu sein und als Arbeitnehmer oder Arbeitnehmerin selbstständig zu arbeiten. Wir vermeiden dadurch Kontrollzwänge und schaffen Vertrauen durch Vertrauen – das funktioniert von Beginn an sehr gut”, so Göcking. Mitarbeiter- oder Mitarbeiterinnen-Fluktuation gäbe es so gut wie keine. Die Firmenphilosophie, die auf Vertrauen, Flexibilität und Transparenz abzielt, schaffe ein homogenes Mindset. Die regelmäßigen Team-Events, wie Yoga-Kurse, gemeinsame Kochabende und Co stärken das Gefühl der Zusammengehörigkeit: „Vor ein paar Wochen haben wir einen digitalen Kochabend abgehalten und hatten einen vietnamesischen Koch zu Gast. Vorab hat jeder von uns die Zutaten nach Hause geschickt bekommen und dann haben wir alle aus der Ferne zusammen gekocht.”
Wie wird die Arbeitswelt der Zukunft nun aussehen und was wird bleiben, wenn sich der Sturm der Corona-Pandemie gelegt hat? Werden wir wieder mit den Kollegen und Kolleginnen an der Kaffeemaschine stehen, unser Homeoffice perfektionieren und/oder ausschließlich digital kommunizieren? Die Impulse aus verschiedenen Branchen haben deutlich gemacht, dass viele Formen von Arbeitsmodellen und -strukturen bereits jetzt möglich sind, dass fluide Arbeitszeiten sinnvoll sind und das Eingehen auf die Bedürfnisse der Mitarbeitenden immer wichtiger wird. Aber auch, dass viele Fragen und Herausforderungen noch zu klären und zu bewältigen sind, dass zwischenmenschliche Kommunikation viel und dass Zusammenhalt – besonders in diesen Zeiten – alles bedeutet. Egal, wo dieser stattfindet. Ob von zu Hause aus oder im Büro.
„Schönen neue Welt?!”
Die Veranstaltung richtete sich an Führungskräfte und Unternehmen, die aus dem und im Homeoffice führen und/oder arbeiten und fand im Rahmen des diesjährigen Veranstaltungsprogramms der THAK zum Thema „Schöne neue Welt?!” statt. Mit einem konstruktiven Geist macht die THAK mit der Veranstaltungsreihe Thüringer Unternehmer und Unternehmerinnen mittels kreativer Werkzeuge sowie innovativen Mindsets und Methoden für aktuelle und kommende Herausforderungen zukunftssicherer und regt zum Umdenken und Visionieren an.
Über die Thüringer Agentur für die Kreativwirtschaft
Kreativität ist eine wichtige Ressource für Innovation und für die Gestaltung des digitalen Wandels. Unser Ziel ist es, diese Ressource im Freistaat sichtbar und wirtschaftlich nutzbar zu machen.
Daher aktivieren und begleiten wir Netzwerkinitiativen, laden zum Erfahrungsaustausch ein und schaffen Anlässe für Begegnungen zwischen Kreativschaffenden und potenziellen Kunden. Zudem machen wir über unsere Kommunikationskanäle die kreativen Potenziale in Thüringen sichtbar.
Die Thüringer Agentur für die Kreativwirtschaft (THAK) ist ein Projekt der RKW Thüringen GmbH. Sie ist selbständiger Partner im Thüringer Zentrum für Existenzgründungen und Unternehmertum (ThEx) und wird gefördert aus Mitteln des Thüringer Ministeriums für Wirtschaft, Wissenschaft und Digitale Gesellschaft und der Europäischen Union – Europäischer Sozialfonds (ESF).
www.thueringen-kreativ.de
Titelbild: Cindy Tang
Beitragsbild: Ken Tomita